Eigenheimfinanzierung:Schnelle Scheidung

Das Eigenheim ist vor allem in Deutschland ein finanzielles Abenteuer. Die Europäische Union will das ändern. Kreditnehmer sollen leichter und billiger zwischen Kreditinstituten wechseln können.

Angelika Slavik

Es kommt nicht unbedingt oft vor, dass es in Brüssel spannend wird. An diesem Mittwoch allerdings will die EU-Kommission einen Entwurf vorlegen, der für Deutschlands Banken ziemlich aufregend sein könnte - und für Hunderttausende deutsche Kreditnehmer auch. Denn dieser Entwurf könnte das Geschäft mit Immobilienkrediten in Deutschland grundlegend verändern.

Hausbau - Eigenheim

Die EU will die Finanzierung eines Eigenheims erleichtern.

(Foto: dpa)

Bislang verfahren deutsche Hauseigentümer in Finanzierungsfragen fast immer nach dem gleichen Schema: Sie nehmen bei ihrer Bank ein Darlehen auf. Dieses Darlehen hat eine Zinsbindung über zehn, 20 oder 30 Jahre. Nach Ablauf dieser Zeit werden die Konditionen neu festgelegt.

Wollen Kunden ihren Kredit vor Ablauf der vereinbarten Laufzeit zurückzahlen - etwa, weil sie überraschend zu einer größeren Summe Geld gekommen sind, oder weil ein anderes Institut günstigere Finanzierungsmöglichkeiten anbietet - wird es teuer. Die Banken stellen dann eine so genannte Vorfälligkeitsentschädigung in Rechnung.

Je nach Höhe der Darlehenssumme kann diese Entschädigung ein paar tausend Euro, bei einem durchschnittlichen Einfamilienhaus aber auch mehr als 20.000 Euro betragen. Summen, die die meisten Kreditnehmer vor einem solchen Schritt zurückschrecken lassen. Und Summen, die die EU-Kommission schon seit einigen Jahren im Visier hat.

Tatsächlich funktioniert Baufinanzierung in den meisten europäischen Ländern anders als in Deutschland: Langjährige Zinsbindungen, wie sie hierzulande üblich sind, kennt man in vielen EU-Staaten nicht, Vorfälligkeitsentschädigungen gibt es entweder gar nicht oder sie fallen deutlich geringer aus als in der Bundesrepublik.

Banken bleiben gelassen

Das deutsche Modell allerdings, so argumentieren die heimischen Banken gerne, biete den Kreditnehmern ein viel höheres Maß an Planungssicherheit, zudem wären Baukredite insgesamt wesentlich günstiger - ein Umstand, der von Verbraucherschützern vehement bestritten wird: Die Vorfälligkeitsentschädigung sei in Wahrheit eine unzulässige Strafgebühr für widerspenstige Kunden, sagen sie.

Am Mittwoch nun will EU-Binnenmarkt-Kommissar Michel Barnier den Entwurf für eine neue Richtlinie vorlegen. Ursprünglich plante Barnier, die Vorfälligkeitsentschädigung ganz zu verbieten. Verbraucher hätten dann jederzeit zwischen verschiedenen Instituten wechseln können, wenn ein Konkurrent ihrer bisherigen Bank bessere Konditionen angeboten hätte.

"Konditionen-Hopping, das wäre ein Albtraum gewesen", heißt es beim Verband öffentlicher Banken (VÖB). Allerdings geht man beim VÖB davon aus, dass ein totales Verbot der Vorfälligkeitsentschädigung nun doch nicht kommen wird. "Wir sind glücklicherweise gut vernetzt", sagt ein VÖB-Sprecher.

Mildere Entscheidung wegen Lobbyisten?

"Da wurde auf die deutsche Position wohl doch noch Rücksicht genommen." Das sei in Wahrheit auch gut für die Kunden, argumentieren die Banker. Denn ein Ende der Abschlagszahlungen hätte für die Kunden bedeutet, dass die Institute ihre Gebühren erhöht hätten. "Die Bank geht bei der Berechnung ihrer Angebote ja davon aus, dass der Kredit über die volle, vereinbarte Zeit läuft. Wenn man sich darauf nicht mehr verlassen kann, muss natürlich anders kalkuliert werden."

Wie groß die Erfolge der deutschen Banken-Lobbyisten in Brüssel tatsächlich waren, ist noch unklar. Bei der EU-Kommission verweist man offiziell auf die Präsentation des Richtlinien-Entwurfs am Mittwoch. Inoffiziell ist zu hören, Barnier würde die Vorfälligkeitsentschädigungen nun zwar nicht mehr abschaffen, aber europaweit auf höchstens drei Prozent der Darlehenssumme festlegen wollen.

In deutschen Bankenkreisen allerdings glauben viele, die Vorfälligkeitsentschädigungen würden in Barniers "Richtlinie zur fairen Wohnbaufinanzierung" nun gar nicht mehr erwähnt, die Regelung bliebe in der Verantwortung der einzelnen Mitgliedsstaaten.

Das sind Aussichten, die die Konsumentenschützer empören. Schließlich, so argumentiert man bei der Verbraucherzentrale Bremen, würden Immobilienkredite meist nur vorzeitig zurückgezahlt, wenn Menschen sich in einer schwierigen Lebenssituation befänden: Die das finanzierte Haus wegen einer wirtschaftlichen Notlage verkaufen müssten - oder wegen einer Scheidung. Der große Geldsegen etwa durch Erbschaft sei nur selten der Grund für eine unerwartet frühe Rückzahlung des Darlehens.

Zudem würden Banken durch eine Tilgung vor der Fälligkeit oft gar keine Verluste erleiden: Sind die Zinsen seit Darlehensbeginn gestiegen, könne die Bank die zurückgezahlte Summe mit einer höheren Rendite erneut verleihen.

Kreditnehmer sollten bei Abschluss des Darlehensvertrags vorsorgen: Einige Banken bieten schon jetzt Kreditverträge an, die etwa eine zehnjährige Zinsbindung vorsehen, aber auch die Möglichkeit einer vorzeitigen Tilgung nach drei Jahren vorsehen. Allerdings gibt es eine solche Absicherung nicht gratis: Im Schnitt seien derartige Darlehen um 0,4 bis 0,5 Prozentpunkte teurer als vergleichbare Angebote, sagen Experten.

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