Edelmetall auf Zwei-Jahres-Tief:Goldpreis fällt und fällt

Gold, Goldpreis, Goldbarren

Plötzlich deutlich weniger begehrt: Gold

(Foto: AFP)

Aktien sind sexier: Nach einem Jahrzehnt des Booms fällt der Goldpreis dramatisch, die Kurse erreichen den tiefsten Stand seit 2011. Innerhalb eines Handelstages sackt er um mehr als 100 Dollar ab. Trotzdem kaufen viele Länder weiter Gold, ebenso wie Privatanleger.

Von Simone Boehringer

Gold macht viele Anleger im Moment nicht mehr glücklich. Die beste Wertanlage der vergangenen Krisenjahre hat seit Jahresanfang mehr als 17 Prozent an Wert eingebüßt. Die Feinunze des Edelmetalls (31,1 Gramm) fiel am Montag nochmals deutlich auf 1385 Dollar, den niedrigsten Stand seit 2011. Damit hat binnen zwei Handelstagen mit gut elf Prozent der größte Kursrutsch seit den Turbulenzen nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers im Herbst 2008 stattgefunden. Allein innerhalb dieses Handelstages stürzte der Kurs um mehr als hundert Dollar ab.

Wegen der Euro-Abschwächung sind die Verluste in der Gemeinschaftswährung zwar geringer, aber von den Allzeithochs bei 1899 Dollar (September 2011) beziehungsweise 1378 Euro (Oktober 2012) ist die Feinunze in beiden Währungen weit entfernt. Investoren fragen sich: Ist das der Beginn einer Baisse, ist das Jahrzehnt der Goldrally vorbei?

Soros glaubt ans Gold

Während in den vergangenen Jahren praktisch jeder Kursrückschlag von der Masse der Investoren zur Aufstockung der Portfolien genutzt wurde, verzeichnen dieses Mal auch die großen goldgedeckten Fonds (ETFs) überdurchschnittliche Abflüsse. Die Volumina der bei Bloomberg erfassten Edelmetallfonds sind auf dem tiefsten Stand seit 2012 angelangt. Allein der größte Fonds, SPDR Gold Trust, verzeichnete einen Rückgang von 140 Tonnen seit Januar und hat so wenig Gold in den Tresoren wie zuletzt im Sommer 2011.

Großinvestor George Soros beruhigt, er glaube nicht, dass Gold weiter fällt. Aber viele Börsianer meinen offenbar: Aktien sind sexier. Bei der Kursrally der Dividendenpapiere wollen viele dabei sein, auch wenn es jetzt sehr spät sein könnte für den Umstieg. "In Amerika nehmen die Diskussionen über einen Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik zu. Da meinen viele offenbar, von Gold sei nicht mehr viel zu erwarten, und sie halten Aktien für attraktiver", meint Jochen Hitzfeld, langjähriger Rohstoffexperte der Hypo-Vereinsbank. Er teilt die Meinung allerdings überhaupt nicht, aus mehreren Gründen: Die Finanzkrise sei nicht gelöst. Anstelle der amerikanischen drucke nun die japanische Zentralbank so viel Geld wie noch nie. Und: "Irgendjemand muss die vielen Tonnen, die in den vergangenen Wochen aus den Gold ETFs geflossen sind, gekauft haben."

Notenbanken füllen ihre Goldspeicher

Antwort: die Zentralbanken. "Sie kompensieren die Abflüsse von Hedgefonds und anderen ETF-Anlegern", sagt Eugen Weinberg, Chefanalyst für Rohstoffe bei der Commerzbank, und legt eine Einfuhr-Ausfuhr-Statistik des Internationalen Währungsfonds vor. Darin enthalten sind nicht nur die üblichen Verdächtigen, also Russland, Indien oder Türkei, deren Notenbanken sich bekanntermaßen mit viel Gold eindecken. Auch die Goldeinfuhren von Ländern wie Brasilien, Südkorea, Mexiko, Irak oder Kasachstan seien zuletzt deutlich gestiegen. All diese Länder müssen ihre vorwiegend in US-Dollar gehaltenen Währungsreserven diversifizieren, um von dem laufenden Abwertungswettlauf der Papierwährungen weniger betroffen zu sein.

Aber auch die Privatanleger kaufen zunehmend physisches Gold ein. So ist die Münznachfrage in den USA im ersten Quartal trotz der vielen negativen Meldungen zu Gold sehr gut gewesen. Auch im größten Goldnachfrageland Indien könnte die erneute Erhöhung der Importsteuer auf Gold der Nachfrage nur begrenzt etwas anhaben können, meint Weinberg. "Das indische Goldgeschäft läuft wieder an." Aber reicht all das für eine Kurswende bei Gold? Für eingefleischte Edelmetall-Fans wie den Rohstoffexperten Jim Rogers ist das der falsche Ansatz: "Gold ist ohnehin zu lange in eine Richtung nach oben gelaufen. Eine 30- bis 40-prozentige Korrektur ist fällig. Und wenn sie kommt, werde ich sie zum Nachkaufen nutzen", sagte er noch vor der jüngsten Korrektur im Gespräch mit der SZ.

Je schlechter die Lage, desto höher der Goldpreis

Eugen Weinberg macht seine Investmentempfehlung vom Anlegertyp abhängig. "Wer Gold jetzt als Renditeobjekt betrachtet, liegt falsch. Das Edelmetall ist für die Absicherung des eigenen Portfolios nach wie vor bestens geeignet, aber für kurzfristige Renditejäger nicht. Derjenige, der heute Gold bei 1500 Dollar kauft, um es ein Jahr später zu 1800 Dollar zu verkaufen, versteht das Wesen von Goldanlagen nicht.

Denn der Goldpreis steigt nur, wenn die Risiken zunehmen, und dann braucht man erst recht eine Versicherung", findet er. Gleichwohl setzt Weinberg ein ehrgeiziges Kursziel: 2000 Dollar soll eine Feinunze bis Ende nächsten Jahres kosten. "In Europa machen die Zentralbanken und Regierungen alles, um den Euro zu retten. In Japan wird die Zentralbank in den kommenden Jahren die Anleihen und andere Wertpapiere im Wert von vielen Hunderten Milliarden Dollar kaufen. Auch in den USA druckt die Fed munter weiter frisches Geld. Dass dies langfristig zu Inflation führen wird, ist schon jetzt abzusehen", räumt er ein. Außerdem sei die Gefahr groß, dass es zu beschleunigter Geldentwertung komme, wenn es zu einem "Währungskrieg" kommt, dessen Ende schwer zu kalkulieren sei.

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