Ebbe in der Pflegekasse:Zahlen bitte!

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Gesundheitsminister Rösler plant die nächste Reform: Die Beiträge für die Pflegeversicherung werden wohl kräftig steigen. Was auf den Bürger zukommt - im Überblick.

Guido Bohsem

Philipp Rösler (FDP) hat die nächste Baustelle bereits ausgemacht. Gleich nach Abschluss der Gesundheitsreform will er eine Reform der Pflegeversicherung auf die Beine stellen. "Das wird das große Thema des kommenden Jahres", prophezeite der Gesundheitsminister kürzlich.

Schon wieder eine Reform: Diesmal kommen höhere Kosten für die Altersvorsorge auf die Bürger zu. (Foto: ag.ap)

Eine Reform wird nicht einfach, denn Geschenke hat die schwarz-gelbe Koalition nicht zu verteilen. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) hat deshalb bereits vorsichtig angedeutet, dass auf die Bürger höhere Abgaben zukommen werden. Die Süddeutsche Zeitung beantwortet die wichtigsten Fragen zum Thema.

Wie sieht die kurzfristige Lage der Pflegekassen aus?

Wäre es nach den Ankündigungen der großen Koalition gegangen, hätte die Pflegeversicherung bis Anfang 2015 ausreichend Geld. Um das zu gewährleisten, hatte das Bündnis Mitte 2008 den Beitragssatz für Eltern auf 1,95 Prozent angehoben (vorher: 1,7 Prozent). Für Kinderlose war er auf 2,2 von 1,95 Prozent gestiegen.

Nach Einschätzung des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) reichen die Einnahmen aber bei weitem nicht so lange. Zwar habe es 2009 noch ein Plus von etwa einer Milliarde Euro gegeben, 2012 drohe der Pflegeversicherung aber schon wieder ein Minus von 300 Millionen Euro. Bereits Ende 2011 würden die Rücklagen vollständig aufgezehrt sein.

Ganz so pessimistisch ist die neue Bundesregierung nicht, aber auch sie rechnet mit einer vorzeitigen Ebbe in der Pflegekasse. Gerade mal bis zum Frühjahr 2013 sprudelten ausreichend Einnahmen, um die steigenden Ausgaben auch tatsächlich zu decken, stellten die Experten des Gesundheitsministeriums fest. Entlastend könnten allenfalls gute Wachstumszahlen und eine niedrige Arbeitslosigkeit wirken. Viele Beschäftigte und solide Lohnzuwächse füllen auch die Kassen der Sozialversicherungssysteme.

Damit das System auch 2030 oder 2040 noch funktioniert, ist deutlich mehr Geld notwendig. Da sind sich die meisten Experten einig. Begründet wird dies durch die demografische Entwicklung der Bevölkerung. Grob gesprochen, die Menschen werden immer älter und der Anteil der älteren Menschen in der Gesellschaft wird gleichzeitig immer größer.

Die Zahl der Pflegebedürftigen wird in Zukunft steigen. (Foto: ddp)

Unbestritten ist, dass die Zahl der jungen Beitragszahler im Verhältnis zu den älteren sinkt, was die Einnahmesituation der Pflegekasse nachhaltig schmälert. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes kamen 2005 etwa 32 Personen über 65 Jahre auf 100 Männer und Frauen zwischen 20 und 65 Jahren. 2030 wird dieses Verhältnis nach den Berechnungen der Statistiker 50 zu 100 und 2050 sogar 60 zu 100 betragen.

Heiß diskutiert wird hingegen, ob durch die steigende Lebenserwartung auch die Ausgaben für die Pflege explodieren werden. Dies wäre der Fall, wenn die älteren Menschen weiter in gleichem Ausmaß und in einem ähnlichen Lebensalter zu Pflegefällen würden. Laut Statistischem Bundesamt stiege die Zahl der Pflegebedürftigen dann bis 2030 von derzeit 2,4 Millionen auf 3,4 Millionen.

Verschiedene Fachleute bezweifeln das. Sie argumentieren, dass bei steigender Lebenserwartung die Menschen auch erst in höherem Alter pflegebedürftig würden. Doch auch in diesem Fall gehen die Statistiker davon aus, dass die Zahl der Pflegebedürftigen steigen wird. Die Zunahme fällt aber geringer aus. So sollen es 2030 nach diesen Berechnungen etwa drei Millionen sein.

Union und FDP haben sich noch nicht auf Details verständigt. Im Koalitionsvertrag heißt es, um die demografische Entwicklung abzufedern, solle ein Kapitalstock gebildet werden. Das heißt, heute schon soll eine bestimmte Summe auf die hohe Kante gelegt werden. Dieser Betrag soll bis zum Jahr 2030 so groß sein, dass die notwendigen Beitragssteigerungen nicht mehr so dramatisch ausfallen. Bislang ist aber noch nicht klar, wie dieser Kapitalstock angespart werden soll.

Unionsfraktionschef Kauder hat als Vorlage die Riester-Rente ins Spiel gebracht. Sprich, die Kapitalvorsorge soll über eine private Zusatzversicherung angespart werden. Offen ließ Kauder, ob die Regierung den Pflege-Riester freiwillig oder als Zwangsversicherung ausgestalten will.

Erstere Variante funktioniert nur, wenn der Staat üppige Zuschüsse springen lässt, die den Abschluss eines Pflege-Riesters attraktiv machen. Weil aber die Finanzlage im Bundesetat weiter schlecht sein wird, dürfte es auf einen Zwang zur Zusatz-Pflegepolice hinauslaufen.

© SZ vom 06.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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