Dubioser Kurssturz an der Wall Street:Ein Mann, ein Crash

Die US-Börsenaufsicht forscht emsig nach den Ursachen für den Kurssturz an der Wall Street in der vergangenen Woche. Die neueste Theorie: Ein Terminhändler habe mit riesigen Verkauforders den Crash ausgelöst.

Noch immer tappt die US-Börsenaufsicht SEC im Dunkeln. Nach wie vor ist nicht geklärt, was genau zu dem dramatischen Kurssturz des Dow Jones am vergangenen Donnerstag geführt hat. Dabei fiel der Dow Jones innerhalb von 16 Minuten um beinahe 1000 Punkte und vernichtete rund 700 Milliarden Dollar - nur um kurz darauf wieder um fast so viele Punkte zu steigen. In den USA war schnell die Rede vom sogenannten "Flash Crash".

Terminhändler an der Chicago Mercantile Exchange,  Foto: Reuters

Terminhändler an der Chicago Mercantile Exchange: Kann ein einzelner Akteur eine riesige Verkaufswelle auslösen?

(Foto: Foto: Reuters)

Doch die Börsenaufseher haben inzwischen eine Fährte aufgenommen. Ihr Interesse richte sich inzwischen auf einen einzelnen Händler, der zehn Minuten vor dem Kurssturz mit massiven Verkäufen von Futures auf Stock-Indizes begonnen habe, schreibt die New York Times.

Dies habe Gary Gensler, Chef der US-Terminbörsenaufsicht CFTC, in einer Kongressanhörung zu Protokoll gegeben. Der Händler habe allein hinter neun Prozent des gesamten Handelsvolumens im liquidesten Kontrakt auf Aktienindizes, dem 500 e-mini Future, gestanden, so die US-Zeitung.

Nur Verkaufsaufträge erteilt

Der Händler habe außerdem nur Verkaufsaufträge erteilt, wohingegen die meisten anderen der 250 Händler, die an diesem Tag Orders aufgegeben hätten, sowohl ver- als auch gekauft hätten.

Der Name des ominösen Händlers blieb allerdings im Dunkeln. Die Chicagoer Termin-Börse, Chicago Mercantile Exchange (CME), an der der Kontrakt gehandelt wird, hielt sich bedeckt: "Wir werden diese Marktinformation nicht preisgeben. Wir stehen mit den Leuten in Kontakt, die diese Transaktion durchgeführt haben sagte CME-Chef Terrence Duffy der New York Times. Ohne Zweifel handle es sich aber um vertrauenswürdige Hedger, und nicht um Leute, die den Markt durcheinander bringen wollten.

Diese Aussage dürfte die amerikanischen Börsenaufseher zusätzlich alarmiert haben. Denn wenn Termingeschäfte ohne böse Absicht den ganzen Markt zum Absturz bringen können, muss der Börsenhandel auf den Prüfstand gestellt werden.

Rückkopplungsschleife

Bislang stand die Theorie im Vordergrund, dass eine Art Rückkoppelungsschleife entstanden ist, weil automatisierte Börsenhandelssysteme mit nicht kompatiblen Regeln miteinander agierten.

Einheitliche Regeln zur Verlangsamung oder gar Aussetzung des Handels hätten die größten Verluste vermutlich verhindern können, so die vorherrschende Meinung.

Die diversen Börsen haben diesbezüglich jedoch unterschiedliche Regeln. Bei der New York Stock Exchange (NYSE) etwa geht der Handel in menschliche Hände über, wenn elektronische Käufe oder Verkäufe ein bestimmtes Limit überschreiten.

Dies allerdings hatte laut der Wirtschaftsagentur Bloomberg am vergangenen Donnerstag lediglich zur Folge, dass der Handel auf alternative Plattformen auswich, wo derartige Schwellen nicht gelten. "Solche automatischen Abschaltsysteme existieren nur bei einer einzigen Börse, das sollte nicht der Fall sein", sagte der Vorsitzende des Bankenausschusses, Christopher Dodd, dem Fernsehsender CBS.

Strengere Regulierung gefordert

Er forderte die SEC zum Handeln auf. "Sie muss ihre Bemühungen schnell intensivieren, uns wissen lassen, was da geschehen ist und welche Schritte nun nötig sind."

Dodd, der derzeit versucht, die Finanzmarktreform durch den Senat zu bringen, forderte für den Börsenhandel eine strengere Regulierung. An diesem Dienstag wird sich auch das amerikanische Parlament an einer Anhörung mit dem "Flash Crash" befassen.

Der dramatische Kurssturz war der größte seit dem Crash von 1987, als der Handel noch komplett in den Händen von Börsenhändlern lag. Heute, in Zeiten des automatisierten Hochgeschwindigkeitshandels, nutzen Computer mathematische Modelle, um innerhalb von Millisekunden gewaltige Zahlen von Aktien zu kaufen und verkaufen. Knapp zwei Drittel aller Börsenaktivitäten in den USA werden auf diese Weise abgewickelt.

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