Süddeutsche Zeitung

Dollar:Weg von dem Schwächling

Der Status des Dollars als Leitwährung ist stark angekratzt. Die Zeit ist reif für ein neues Weltwährungssystem.

Simone Boehringer

Die Russen wollen es, die Chinesen auch, die Araber sowieso - doch im Westen hört bisher kaum jemand richtig hin: Es geht um ein neues Weltwährungssystem, eines, das unabhängiger ist vom amerikanischen Dollar, der umso mehr an Vertrauen verliert, je länger die Krise dauert.

Doch wie könnte solch eine Alternative aussehen? Russen und Chinesen haben vor drei Monaten die sogenannten Sonderziehungsrechte (SZR) des Internationalen Währungsfonds als Ersatz für die bisherige Leitwährung ins Gespräch gebracht. Einige Ölstaaten um Saudi-Arabien planen sogar eine Währungsunion, um wenigstens in der Region unabhängiger vom Dollar zu werden.

Denn der Dollar gilt inzwischen vielfach als unzuverlässiger Schwächling: Mit jeder Milliarde, die die Regierung und die Notenbank in Washington zur Krisenbekämpfung ausgeben, wird der Ton der Dollar-Kritiker forscher. Chinesische und russische Regierungsvertreter ließen die US-Regierung wissen, dass sie weniger amerikanische Staatsanleihen kaufen wollen. Dabei brauchen die USA die Kredite dringender denn je.

Versiegen die Geldströme aus Peking und Moskau, können die Amerikaner ihre Konjunkturprogramme nicht mehr bezahlen - es sei denn, sie werfen die Notenpresse an. Doch das führt in die Inflation. Auf ihrem ersten Gipfeltreffen am Dienstag sprachen sich die großen Aufsteiger-Länder China, Indien und Brasilien deshalb ebenfalls für eine neue Reservewährung aus.

Noch hat der Westen es in der Hand, die neue Weltfinanzordnung mitzugestalten. Derzeit sind die Machtverhältnisse so, dass Amerikaner und Europäer einen kontrollierten Übergang zu einem Währungssystem ebnen könnten, das auf breiterer Basis als dem Dollar steht, aber nicht ganz von der alten Ordnung abweicht. Ausgangspunkt könnten die Sonderziehungsrechte sein. Der Wert dieser Kunstwährung müsste an einen repräsentativen Korb von echten Währungen gekoppelt werden.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, worin die Gefahr eines unkontrollierten Wechsels zu einer neuen Leitwährung besteht - und warum die Ablösung des Dollars sinnvoll ist.

Derzeit sind in diesem Korb der Dollar, der Euro, der Yen und das Pfund enthalten. Yuan, Rubel oder die indische Rupie fehlen. Dies muss sich ändern. Wichtig wäre zudem, dass die beteiligten Notenbanken, die das neue Währungssystem überwachen, ihre nationalen Geldmengen strikt kontrollieren, ähnlich wie dies die Bundesbank getan hat. Nur so kann gewährleistet werden, dass die Währungshüter unabhängig sind und sich nicht dem Druck von Regierungen beugen müssen.

Als Alternative hat Chinas Notenbankpräsident Zhou Xiaochuan einen Plan hervorgeholt, den der Ökonomen John Maynard Keynes bereits auf der legendären Bretton-Woods-Konferenz im Jahr 1944 präsentiert hatte. Keynes hatte damals angeregt, eine Weltleitwährung namens Bancor an den Wert von 30 Rohstoffen zu koppeln. Er konnte sich mit seinem Vorschlag aber nicht durchsetzen. Auch durch solch eine Rohstoff-Währung könnte man ein Aufblähen der Geldmenge verhindern. Russlands Präsident Medwedjew bläst ins gleiche Horn.

Ignoriert der Westen weiter die Vorschläge der neuen Wirtschaftsmächte, riskiert er einen unkontrollierten Wechsel zu einer neuen Leitwährung. Eine plötzliche Flucht aus dem Dollar würde in der jetzigen Krise zu weiteren Verwerfungen führen. Niemand wüsste in solch einem Fall, welches Geld sich am Ende durchsetzen würde.

Heftige Währungsturbulenzen wären die Folge, mit entsprechenden Folgen für die beteiligten Länder und die gesamte Weltwirtschaft. In der Vergangenheit endeten Währungskrisen häufig damit, dass eine durch Gold gedeckte Währung eingeführt wurde und so der Wert der Währung gesichert wurde.

Das Problem ist allerdings, dass die Goldvorräte ungleich verteilt sind: Die westlichen Notenbanken besitzen weit mehr Gold als die Asiens.Daher wäre es besser, eine breiter angelegte Korbwährung einzuführen, die auf Rohstoffen und Edelmetallen basiert. Kriege um Gold gab es in der Geschichte zuhauf. Dies allein sollte Warnung genug sein und Ansporn, eine allmähliche Ablösung des Dollar herbeizuführen.

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SZ vom 17.06.2009/kaf/tob
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