Dividenden bei Dax-Konzernen:Prozente gegen die Angst der Anleger

Obwohl die Konjunktur wackelig ist, zahlen die großen deutschen Aktienkonzerne dieses Jahr üppige Dividenden aus. Sie wollen den Märkten das Gefühl vermitteln, die Geschäfte liefen auch in Zukunft gut. Doch dass Aktien auf lange Sicht immer gewinnen - diese einfache Regel gilt in Zeiten der Krise so nicht mehr.

Karl-Heinz Büschemann

Noch ist die Stimmung gut. Deutschlands große Unternehmen haben die Krise hinter sich gelassen und 2011 Rekordergebnisse geschafft: Vorneweg der VW-Konzern, der es auf einen Gewinn von 16 Milliarden Euro brachte. Viele Chefs können ihr Glück kaum fassen.

Wäre da nicht die Sorge vor dem Einbruch der Konjunktur. Dafür gibt es erste Anzeichen. Der Handelskonzern Metro macht im ersten Quartel dieses Jahres Verlust, bei BMW ging der Gewinn zurück. Der Chemiekonzern BASF beklagt gestiegene Rohstoffkosten. Der Autozulieferer Continental mahnt seine Aktionäre zur Vorsicht. "Die Gefahren von Finanz- und Schuldenkrise sind ganz und gar nicht gebannt", so der Vorstandschef Elmar Degenhart.

Obwohl die Konjunktur wackelig ist, zahlen die großen deutschen Aktienkonzerne für 2011* üppige Dividenden aus. Der Software-Konzern SAP hat seine Ausschüttung verdoppelt. Der Essener Stahl- und Maschinenbauer Thyssen-Krupp gewährt eine Ausschüttung, obwohl er im vergangenen Geschäftsjahr wegen eines schiefgelaufenen Stahlwerkbaus in Brasilien einen Milliardenverlust machte.

Insgesamt schütten die Konzerne von Adidas bis VW in diesen Wochen knapp 28 Milliarden Euro für ihre Anteilseigner aus. Das ist der zweithöchste Wert in der Geschichte. 19 Konzerne haben ihre Ausschüttungen für das vergangene Jahr sogar erhöht, acht halten die Zahlung an die Aktionäre konstant. Nur drei Unternehmen senken die Ausschüttung und allein die von der Finanzkrise gebeutelte und teilverstaatlichte Commerzbank zahlt gar nichts.

Konzerne fürchten die Flucht der Aktionäre

Im Schnitt schütten die Konzerne die Hälfte ihrer Gewinne aus. Damit liegen die deutschen Unternehmen genau auf der Linie der europäischen Aktiengesellschaften, die im Stoxx 600 geführt werden. Sie reichen 51 Prozent der Gewinne weiter. Offenbar wollen die Konzernstrategen ihre Aktionäre bei Laune halten, die im vergangenen Jahr unter gelegentlich empfindlichen Kurseinbrüchen zu leiden hatten. Der deutsche Aktienindex verlor 2011 etwa 16 Prozent. Kein gutes Ergebnis für ein Anlageprodukt, das von Börsenexperten gerne als das langfristig erfolgreichste bezeichnet wird. Die Konzerne fürchten die Flucht der Aktionäre.

In Zeiten von Finanz- und Wirtschaftskrise gilt die Pauschalregel, dass Aktien auf lange Sicht immer gewinnen, nur noch beschränkt. Der Dax lag vor zehn Jahren bei 5000 Punkten. Heute bewegt er sich bei etwa 6700 Zählern. Das entspricht einer Verzinsung von durchschnittlich mageren 3,4 Prozent im Jahr. Das ist nicht viel mehr als die jährliche Inflationsrate. Wer über die zurückliegenden fünf Jahre auf den Dax setzte, hat sogar Verlust gemacht. Die Finanzkrise von 2007/08 und die vorausgegangene Baisse nach der Internet-Blase um die Jahrhundertwende haben vielen Anlegern die Freude an den Aktien weitgehend genommen.

Experten halten diese Ausschüttungsquote für angemessen nach einem erfolgreichen Jahr. "Die meisten Firmen verdienten sehr gut", sagt Thomas Schüssler von der Fondsgesellschaft DWS. "Die Dividenden sind angemessen." Aber die Ausschüttungen sind auch Teil einer psychologischen Strategie. Die Konzerne wollen den Märkten das Gefühl vermitteln, die Geschäfte liefen auch in Zukunft gut. "Ich deute das als Zeichen für Selbstbewusstsein", sagt ein Vertreter des Deutschen Aktieninstituts. Es gebe auf den Finanzmärten "einen Wettbewerb um die Anleger". Die Vorstände wollten Optimismus demonstrieren. Wer die Dividenden erhöhe, gebe den Märkten das Signal, diese Zahlung werde auch in den kommenden Jahren gewährt.

*Hinweis der Redaktion: Aufgrund eines Tippfehler war im Text an einer Stelle ursprünglich von den "Dividenden für 2012" die Rede - die werden natürlich erst nächstes Jahr ausgezahlt. Danke für den Hinweis in den Kommentaren.

Dividenden zu Lasten der Reserven

Nach dieser Methode agiert schon seit Jahren die Deutsche Telekom, deren Dividende von Fachleuten als zu hoch kritisiert wird. Der deutsche Kommunikationskonzern schüttet in diesem Frühjahr an seine Aktionäre fast doppelt so viel aus wie er 2011 verdient hat. Das ehemalige Staatsunternehmen belohnt seine Aktionäre, zu denen auch der Bund gehört, aus der Konzernsubstanz. Bezogen auf den Aktienkurs bringt diese Ausschüttung den Anlegern eine Rendite von mehr als sieben Prozent. Aber der Vorstandsvorsitzende René Obermann, wie schon seine Vorgänger, hat kaum ein anderes Instrument in der Hand, um die Aktionäre bei Laune zu halten, als Dividende zu Lasten der Reserven zu zahlen. Der Aktienkurs des früheren Staatskonzerns, der inzwischen von vielen Seiten unter Druck der Konkurrenz gekommen ist, liegt heute rund 25 Prozent unter dem Wert von vor zehn Jahren.

Ein anderer Dividenden-Sünder ist der Münchner Versicherungskonzern Munich Re. Der Gewinn des 2011 von der Finanzkrise und von Naturkatastrophen gebeutelten Rückversicherers war im vergangenen Jahr auf 700 Millionen Euro zusammengeschmolzen. Der Konzern bleibt aber bei der Dividende von 6,25 Euro des Vorjahres und schüttete so 1,1 Milliarden Euro an die Anteilseigner aus - 400 Millionen davon kamen aus den Reserven. Die Rück-Manager rechnen anders und kommen auf einen höheren Gewinn: "Wir zehren demnach nicht von unserer Substanz", erklärt Konzernchef Nikolaus von Bomhard. Das Jahr 2011 sei ein Ausreißer nach unten gewesen. "Dank unserer soliden Kapitalausstattung und erfreulicher Ertragsaussichten können wir der Hauptversammlung die Zahlung einer Dividende von unverändert 6,25 Euro pro Aktie vorschlagen." Manchmal drücken auch Fachleute ein Auge zu. "Es spricht nichts dagegen, die Dividende auch mal aus der Substanz zu bezahlen, wenn das Unternehmen gut vorgesorgt hat", findet Alexandra Anneke von der Fondsgesellschaft Union Investment.

Andere wollen aber keine Erwartungen wecken. Man könnte zu dem Ergebnis kommen, dass die Unternehmen, die am besten verdienen, bei der Dividende am sparsamsten sind. Der VW-Konzern schüttet für 2011 nur 6,4 Prozent seines Rekordgewinns aus. Die Deutsche Bank gibt ihren Aktionären nur knapp 15 Prozent zurück, der Autohersteller BMW rückt nur 16 Prozent des Gewinns wieder heraus. Offenbar bereiten sich einige Unternehmen doch auf schwere Zeiten vor. Das könnte man auch für den Baustoffkonzern Heidelberger Cement sagen. Der hat bereits für das erste Quartel dieses Jahres einen Verlust gemeldet. Er gönnt seinen Aktionären trotzdem noch knapp 13 Prozent des Vorjahresgewinns.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: