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Dispozinsen:Die große Abzocke

Verkehrte Welt: Angelegtes Kapital wird nur in homöopathischen Dosen verzinst, aber sobald das Konto überzogen wird, kassiert die Bank kräftig ab. Teilweise werden bis zu 17 Prozent Zinsen als "Strafgebühren" fällig.

Ein Blick auf den Kontoauszug reicht - und der Ärger ist da: Der Dispokredit auf dem Girokonto wird ausgereizt - schon kassiert die Bank horrende Zinsen. Vor allem kleinere Regionalinstitute zocken einer Untersuchung der Stiftung Warentest zufolge kräftig ab. Derzeit verlangen 21 Institute mehr als 14 Prozent für das reguläre Überziehen des Girokontos. Das hat die Stiftung nach Auswertung von knapp 1000 Anbietern ermittelt.

Institute wie die Targobank oder die Santander Bank berechneten sogar knapp 17 Prozent für die Nutzung des Disporahmens, berichtet die Stiftung Warentest in der aktuellen Ausgabe ihrer Zeitschrift Finanztest. Ermittelt wurden Zinssätze zwischen sechs und knapp 17 Prozent, im Schnitt werden 12,52 Prozent berechnet.

Zweistellige Sätze passten aber nicht zu den historisch niedrigen Zinsen, zu denen sich die Banken Geld selbst beschaffen, prangerte die Stiftung Warentest die Finanzinstitute an.

Noch weit extremer langten einzelne Banken bei Zinsen für Kontoüberziehungen über den festgelegten Disporahmen hinaus zu, berichtete Finanztest. Teils gebe es Zinssätze von mehr als 20 Prozent. Diese grenzten "an Wucher". Als Beispiel nannte Finanztest die Kreditkonditionen einzelner Genossenschaftsbanken in Nord- und Süddeutschland. So immens hohe Zinsen für die Kontoüberziehungen seien häufig ein Problem gerade für Verbraucher, die ohnehin wenig Geld hätten und deswegen vermehrt ihr Konto überzögen.

Insgesamt sei das Konto von jedem sechsten Bankkunden in Deutschland im Minus, berichtete Finanztest unter Berufung auf Daten der Nürnberger Gesellschaft für Konsumforschung (GfK).

Bereits am Montag war eine Dispozinsen-Stichprobe der Grünen-Bundestagsfraktion öffentlich geworden; sie hatte ein ähnliches Bild ergeben. Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) forderte die Branche auf, ihre Zinspolitik zu überdenken und sich fair zu verhalten. "Banken dürfen sich nicht auf Kosten der Verbraucher sanieren."

Nachteil für Sparer

In der Eurozone zahlen Banken, wenn sie sich bei der Europäischen Zentralbank (EZB) Geld zur Finanzierung ihrer Geschäfte leihen, schon seit Monaten einen Zinssatz von 1,0 Prozent. So niedrig war der Leitzins der Eurozone noch nie. Die EZB versucht durch niedrige Zinsen der Wirtschaft in der Krise einen Schub zu geben, weil sparen dadurch weniger attraktiv ist.

Der historisch niedrige Leitzins hat auch extrem niedrige Sparzinsen zur Folge. Wer sein Geld auf ein Tagesgeldkonto legt, kann derzeit bei den besten Angeboten mit Zinsen nur knapp über zwei Prozent rechnen. Für die Untersuchung wertete die Zeitschrift die Dispozinsen von insgesamt 992 Banken und Sparkassen aus und damit fast der Hälfte der 2121 Institute in Deutschland.

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