Diskussion um Reichensteuer:Wer viel hat, soll viel geben

Reich, reicher, am reichsten. Während das wohlhabendste Prozent der Deutschen über mehr als ein Drittel aller Besitztümer verfügt, hat die Hälfte der Bevölkerung kaum Ersparnisse. Zur stärkeren Besteuerung gibt es mehrere Ideen. Ein Überblick.

Catherine Hoffmann

Das Wort allein hätte schon einen Oscar für politische Kampfbegriffe verdient: Reichensteuer. Endlich, so der Eindruck, wird bei denen da oben abkassiert. Das klingt nach Gerechtigkeit, Solidarität und ein bisschen sozialer Wärme.

Buendnis 'umFAIRteilen': Reiche sollen Staatshaushalt sanieren

Welcher Finanzminister wollte hier nicht abkassieren?

(Foto: dapd)

Ein Bündnis aus Gewerkschaften, Sozialverbänden und Nichtregierungsorganisationen macht sich angesichts rasant wachsender Staatsschulden dafür stark. Dabei gibt es "die" Reichensteuer gar nicht, sondern viele verschiedene Spielarten; gemeinsam sollen sie dem klammen Staat einen schönen Batzen Geld bringen und ganz nebenbei noch die wachsende Kluft zwischen oben und unten verkleinern.

Denn die Ungleichheit in Deutschland hat seit den neunziger Jahren spürbar zugenommen - das gilt für Einkommen wie für Vermögen. Während das reale Durchschnittseinkommen zwischen 1992 und 2001 konstant blieb, steigerten die oberen 0,001 Prozent der Einkommensbezieher (zehn aus einer Million) ihre Einkünfte um ein Drittel; die kleine Gruppe der 65 reichsten Deutschen verdiente sogar 50 Prozent mehr.

Seither ist die Schere zwischen Arm und Reich noch weiter aufgegangen. Das Einkommen der ärmsten zehn Prozent ist von 1999 bis 2009 um knapp zehn Prozent gesunken, während das reichste Zehntel der Bevölkerung 16,6 Prozent hinzugewann.

"Das Wirtschaftswachstum der vergangenen Jahre ist im Wesentlichen oben angekommen", sagt Stefan Bach, Steuerexperte und stellvertretender Leiter der Abteilung Staat beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW).

Noch viel ungleicher als das Einkommen ist allerdings das Vermögen verteilt. Das reichste Prozent der Deutschen verfügt über mehr als ein Drittel aller Besitztümer; die reichsten zehn Prozent nennen beinahe zwei Drittel allen Vermögens ihr eigen. Die Hälfte der Bevölkerung dagegen hat kaum Ersparnisse.

Interessant ist auch die Entwicklung der Vermögen über die Zeit. In den Nachkriegsjahren besaßen die Bundesbürger nur wenige Ersparnisse; was auf der hohen Kante lag, entsprach bis Ende der sechziger Jahre der Summe, die alle Arbeitnehmer im Jahr verdienten.

Und heute? Ist das Geldvermögen mit knapp fünf Billionen Euro dreimal so groß wie die Summe aller Löhne. Dabei macht Geld längst nicht das ganze Vermögen aus, hinzu kommen noch Häuser und Grundstücke im Wert von weiteren fünf Billionen Euro.

Angesichts solcher Zahlen liegt die Forderung nahe: Wer reich ist, soll zahlen, mehr als bisher jedenfalls. "Reiche müssen stärker zur Finanzierung des Staates herangezogen werden, weil sich die Einkommen und Vermögen immer stärker dort oben konzentrieren", sagt DIW-Forscher Bach.

Aber wie soll das gehen? Wie viel bringt es überhaupt, die Einkommensteuer für Spitzenverdiener zu erhöhen und mehr Erbschaftsteuer zu verlangen? Was ist von Zwangsabgaben zu erwarten und von höheren Steuern auf Kapitalerträge? Und ist das alles auch legal? Ein Überblick.

Spitzensteuersatz erhöhen

Gutverdiener müssen bereits heute mehr Steuern zahlen. Seit dem 1. Januar 2007 gilt, was die große Koalition einst beschlossen hat: Für Arbeitnehmer, die mehr als 250 000 Euro verdienen, beträgt der Spitzensteuersatz 45 Prozent - statt 42 Prozent.

"Damit befindet sich Deutschland im Euro-Gebiet im mittleren Drittel", sagt Dieter Bräuninger, Volkswirt der Deutschen Bank. Partnerländer wie Belgien (53,7 Prozent), Spanien und die Niederlande (je 52 Prozent) weisen höhere Sätze auf, während vor allem Estland und die Slowakei mit um die 20 Prozent wesentlich darunter liegen.

Deutschland bringt der Steuerzuschlag für die Reichen nicht viel. Nach groben Schätzungen des DIW dürften dadurch etwa 800 Millionen Euro zusätzliche Einnahmen im Jahr entstehen. Betroffen sind lediglich rund 45 000 Menschen, rund 0,1 Prozent aller Steuerpflichtigen.

Eine Anhebung der Spitzensteuer von 45 auf 49 Prozent brächte lediglich 1,1 Milliarden Euro Mehreinnahmen. Die SPD plädiert deshalb für eine geringere Einkommensgrenze von 100 000 Euro. Das würde dem DIW zufolge 3,5 Milliarden Euro extra schaffen. Vor noch höheren Spitzensteuersätzen schrecken die meisten Politiker zurück, dabei waren auch in Deutschland bis weit in die achtziger Jahre hinein 56 Prozent üblich, in den neunziger Jahren dann 53 Prozent.

Mehr Abgeltungsteuer verlangen

Die Steuern auf Kapitalerträge liegen bei 25 Prozent plus Solidaritätszuschlag und damit für größere Vermögen niedriger als früher: Wer ein stattliches Vermögen gemacht hatte und seine Kapitalerträge ehrlich deklarierte, musste seinen persönlichen Einkommensteuersatz zahlen - eben bis zu 56 Prozent.

Doch seit dem 1. Januar 2009 werden Zinsen, Dividenden und andere Kapitalerträge pauschal mit 25 Prozent besteuert. Es war Peer Steinbrück (SPD), Finanzminister der schwarz-roten Regierung, der das Projekt Abgeltungsteuer mit dem Spruch voranbrachte: "Lieber 25 Prozent von X als nix."

Jetzt will die SPD die Abgeltungsteuer auf 30 Prozent erhöhen. Bringt das nicht genug Einnahmen, will die Partei innerhalb von drei Jahren zu der alten Regelung zurück, wonach Kapitalerträge dem gleichen Steuersatz unterliegen wie Einkommen. 2010 brachte die Abgeltungsteuer dem Fiskus Einnahmen von knapp neun Milliarden Euro, während die Einkommensteuer mehr als 200 Milliarden Euro in die Staatskasse spülte.

Bei Erbschaften kassieren

Noch weitaus weniger als die Abgeltungsteuer bringt dem Staat die Erbschaftsteuer. Zuletzt waren es 4,4 Milliarden Euro im Jahr. Das ist ein mickriger Betrag, wenn man weiß, dass die Deutschen jährlich rund 260 Milliarden Euro vererben.

"Seit die große Koalition 2008 auf Druck der CSU weitreichende Ausnahmeregelungen für Betriebsvermögen durchgesetzt hat, lassen sich selbst dreistellige Millionenvermögen steuerfrei an die nächste Generaton übertragen", sagt Steuerfachmann Bach. Er glaubt, dass die Vergünstigungen "ins Kraut geschossen" sind.

Nun will die SPD die Privilegien, die zugunsten reicher Erben eingeführt wurden, überprüfen. Höhere Steuersätze, geringere Freibeträge, weniger Schlupflöcher - so soll die Summe der Erbschaftsteuer um ein bis zwei Milliarden Euro steigen. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt ist das Erbschaftsteueraufkommen in Deutschland gering - es liegt gerade einmal bei 0,16 Prozent, verglichen mit 0,4 Prozent in Frankreich und 0,29 in den Niederlanden.

Vermögensteuer aktivieren

Formal ist die Steuer nie abgeschafft worden. Seit 1997 wird sie aber nicht mehr erhoben, weil das Bundesverfassungsgericht sie 1995 in der damals geltenden Fassung für grundgesetzwidrig hielt. Bis dahin mussten Deutsche mit einem Privatvermögen von mehr als 120 000 D-Mark jährlich ein Prozent abgeben. Nun soll die Vermögensteuer nach dem Wunsch von SPD und Grünen reanimiert werden. Die Überlegung dahinter: Den rund zehn Billionen Euro Privatvermögen stehen rund zwei Billionen Euro Staatsschulden gegenüber.

Warum also soll man das Kapital nicht stärker zur Schuldentilgung und Staatsfinanzierung heranziehen? Geringe Vermögen, das gewöhnliche Einfamilienhaus sollen durch ausreichende Freibeträge aber geschützt werden; auch mittelständische Unternehmen will die SPD ausnehmen. Das DIW schätzt, dass eine einprozentige Abgabe auf Vermögen von mehr als zwei Millionen Euro Jahr für Jahr 11,5 Milliarden Euro in die Staatskassen lenken könnte - die Steuerflucht ins Ausland ist dabei schon eingerechnet. 1995, als die Steuer letztmals erhoben wurde, brachte sie lediglich vier Milliarden Euro. Aber seither hat das Vermögen ja kräftig zugenommen.

Zwangsabgabe

Die Idee ist inspiriert vom Lastenausgleich, mit dem die junge Bundesrepublik den Wiederaufbau finanzierte. Die Abgabe belief sich auf 50 Prozent des Vermögenswertes und durfte in vierteljährlichen Raten verteilt über 30 Jahre abgestottert werden. Wer heute - wie die Initiative Vermögender - eine Abgabe für Reiche fordert, möchte mit dem Geld der Bürger meist die Schuldenlast des Staates mindern, die durch Finanz- und Bankenkrise deutlich gestiegen ist. Die Vermögensabgabe würde zu einem festen Stichtag erhoben, könnte aber wohl über mehrere Jahre hinweg in Raten abgezahlt werden.

Je nach Freibeträgen, Abgabesätzen und Laufzeiten bringt eine solche Zwangsmaßnahme "zwischen 100 und 150 Milliarden Euro" ein, glauben die Initiatoren. Im Visier der rund 60 wohlhabenden Bürger ("Nein, wir zahlen nicht genug") sind Menschen mit einem Gesamtvermögen von 500 000 Euro. Sie sollen in zwei aufeinanderfolgenden Jahren jeweils fünf Prozent ihres Geld-, Geschäfts- und Immobilienvermögens beim Staat abliefern. Für Betriebsvermögen soll ein höherer Freibetrag von drei Millionen Euro gelten.

Fazit

In der Wirtschaft schockt vor allem die Vorstellung, dass gleich ein halbes Dutzend Steuern auf einen Schlag erhöht werden sollen, dass ein Angriff auf die Wohlhabenden droht. Eine wirkliche Entlastung bringen die diskutierten Reichensteuern dem Staat allerdings nicht - wenn man einmal von der brutalsten Maßnahme absieht: einer hohen Zwangsabgabe. Bislang ist die fiskalische Bedeutung von Vermögensteuern begrenzt.

"Daran dürfte sich auch in Zukunft wenig ändern", erwartet Deutsche-Bank-Ökonom Bräuninger - einerseits. Andererseits sei aber auch klar, dass finanzielle Repression in Form höherer Steuern und niedriger oder gar negativer realer Zinsen nach Finanz- und Schuldenkrisen "keine Seltenheit" sei. Spielraum hierfür gibt es: In Deutschland summiert sich das Aufkommen aus Vermögensteuer auf lediglich 0,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. In vergleichbaren Ländern wie Frankreich (3,8 Prozent) und Großbritannien (3,9 Prozent) spielen sie eine größere Rolle.

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