Drohende Altersarmut:DGB fordert höhere Rentenbeiträge

Die Bundesregierung will den Rentenbeitrag senken, weil die Rücklagen steigen. Doch die Gewerkschaften wollen das genaue Gegenteil - und damit die Rente mit 67 wieder abschaffen.

Susanne Höll und Thomas Öchsner, Berlin

Wer ausschließlich auf die staatliche Rente angewiesen ist, kann nicht in Saus und Braus leben: Männer in Westdeutschland kommen derzeit auf eine durchschnittliche Rente von 857 Euro. Bei Frauen sind es sogar nur 479 Euro.

Bundesregierung Rente Beitrag

Die Bundesregierung will 2013 den Beitrag von 19,6 weiter auf 19,2 Prozent reduzieren. 2014 könnte der Satz sogar auf 19,0 Prozent fallen.

(Foto: dpa)

In Zukunft dürfte es noch düsterer aussehen: Ein Durchschnittsverdiener, der es auf einen Bruttoverdienst von knapp 2600 Euro im Monat bringt, erhielt 2011 1236 Euro Rente, wenn er 45 Jahre lang entsprechend Beiträge bezahlt hat. Da das Rentenniveau aber von 51 auf 43 Prozent im Jahr 2030 sinken soll, bekäme er nach heutigen Maßstäben nur noch etwa 989 Euro, ohne dass davon bereits Steuern oder Krankenversicherungsbeiträge bezahlt wären.

Altersarmut, folgert der Deutsche Gewerkschaftsbund, werde so nicht mehr nur "ein Problem von Randgruppen, sondern in Zukunft auch für die Mitte der Gesellschaft". Der DGB hat deshalb ein neues Konzept vorgelegt, um das Rentenniveau zu sichern - und setzt damit auch die SPD unter Druck.

Im Herbst steht bei der gesetzlichen Rentenversicherung eine Grundsatzentscheidung an: Die Bundesregierung will 2013 den Beitrag von 19,6 weiter auf 19,2 Prozent reduzieren. 2014 könnte der Satz sogar auf 19,0 Prozent fallen. Dies hängt mit den Vorschriften im Rentenrecht zusammen: Übersteigen die Rücklagen der Rentenversicherung das 1,5-Fache ihrer Monatsausgaben, ist der Beitrag zu senken. Der DGB schlägt nun vor, diesen Mechanismus abzuschaffen und stattdessen die "eiserne Reserve" der Rentenkasse aufzustocken. Eine Senkung des Beitragssatzes wäre "der Beginn eines planmäßigen Ausverkaufs der Rentenversicherung", sagt DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach.

Der Alternativplan des Gewerkschaftsbundes sieht so aus: Die Bundesregierung friert den Rentenbeitrag bis 2014 bei 19,6 Prozent ein. Danach wird er in jährlichen Schritten um 0,2 Prozentpunkte angehoben, bis er 2030 die politisch vereinbarte Obergrenze von 22 Prozent erreicht. Die Erhöhung müssten Arbeitgeber und Arbeitnehmer je zur Hälfte tragen. Den Durchschnittsverdiener mit 2600 Euro brutto im Monat kostete dies einen zusätzlichen Beitrag von 2,60 Euro im Monat. Dadurch käme nach den Berechnungen des DGB so viel Geld in die Rentenkasse, dass das Rentenniveau bis 2030 auf dem heutigen Stand stabilisiert würde.

DGB setzt SPD unter Druck

Außerdem bliebe immer noch genug Kapital übrig, um die Erwerbsminderungsrenten zu verbessern, das Budget für Rehabilitationsleistungen zu erhöhen und die Rente mit 67 abzuschaffen. Der Vorsitzende der Arbeitnehmergruppe der Unionsfraktion, Peter Weiß (CDU), nannte es eine "durchaus sinnvolle Überlegung", noch weitere Rücklagen in der Rentenversicherung anzusparen. Bei einer Anhebung der Beitragssätze müsse sichergestellt bleiben, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber nicht durch Beitragszahlungen überfordert werden. Die Arbeitgeberverbände lehnen Beitragserhöhungen jedoch kategorisch ab, weil dadurch die Lohnnebenkosten steigen.

Das DGB-Konzept dürfte auch neue Diskussionen in der SPD auslösen, die noch immer um ihre Position bei der Reform der Rentenversicherung ringt. Der Arbeitnehmerflügel hat ähnliche Vorstellungen wie die Gewerkschaften. Der frühere Vorsitzende der Arbeitnehmer-AG, der Bundestagsabgeordnete Ottmar Schreiner, appelliert an seine Partei: "Die politisch Verantwortlichen sollten diesen Weg aufgreifen." Schreiner hat parteiintern einen ähnlichen Vorschlag vorgelegt. Er sagt: "Der DGB hat einen Weg zur Sicherung des Rentenniveaus, Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente und der Vermeidung der Anhebung des Renteneintrittsalters aufgezeigt, ohne dass die Beitragszahler über die Maßen belastet werden."

Andere Teile der SPD lehnen höhere Rentenbeiträge und eine damit verbundene Rücknahme früherer rentenpolitischer Entscheidungen ab. Der Parteivorsitzende Sigmar Gabriel, der an einem Vorschlag zum Kampf gegen Altersarmut arbeitet, wollte sich zu den DGB-Ideen nicht äußern. Unter Gabriels Vorsitz hat eine Expertengruppe dazu Überlegungen erarbeitet, die ursprünglich schon im Frühjahr vorgelegt werden sollten.

Inzwischen heißt es, sie würden wohl erst nach der Sommerpause präsentiert. Eine Entscheidung in dieser äußerst strittigen Rentenfrage, die auch das Programm der SPD für den Bundestagswahlkampf 2013 prägen soll, wird nun auf einem kleinen Parteitag der Sozialdemokraten im Herbst erwartet.

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