Süddeutsche Zeitung

Digitales Bauen:Alle wissen alles

Ein Nürnberger Bauträger setzt bei der Organisation des Bauprozesses neue Methoden ein - und entdeckt die vielen Vorteile der Vernetzung, stößt aber auch an Grenzen der Digitalisierung.

Von Sabine Richter

Mal ganz anders arbeiten: Mit ihrem Neubauprojekt in Thon-Süd in Nürnberg, einem Ensemble aus sieben Gebäuden mit 59 Wohneinheiten, hat sich der Nürnberger Bauträger Bayernhaus Immobilien GmbH zusammen mit einem privaten Investor aus Nürnberg an die BIM-Methode gewagt. Die Abkürzung steht für Building Information Modeling, womit die optimierte Planung und Ausführung von Gebäuden mithilfe von Software gemeint ist.

Der BIM-Prozess unterscheidet sich wesentlich von der klassischen Bauplanung. Hier erstellt ein Architekt einen Entwurf und zeichnet diesen auf. Dieser ist dann Basis der Fachplaner und Grundlage für Kostenkalkulation und Mengenermittlung. Tritt eine Änderung auf, müssen die Zeichnungen geändert werden, die Mengenermittlung muss angeglichen werden, alle Beteiligten erhalten aktualisierte Zeichnungen und müssen diese mit ihren Fachplanungen abgleichen.

Mit BIM nimmt der Architekt oder Fachplaner Änderungen an einem Modell vor. Die sind für alle Beteiligten, sowohl als Zeichnung als auch als Datenpaket, direkt verfügbar. Massen und Stückzahlen, die als Grundlage zur Kostenkalkulation dienen, werden automatisch abgeglichen. Beispielsweise kann sich bei Änderungen im Grundriss die Zahl der Türen in einem Gebäude erhöhen. Der Architekt bearbeitet dann das virtuelle Gebäudemodell. Damit werden automatisch die Türliste, die Anzahl der Griffe und sonstigen Teile verändert - und bei entsprechender Verknüpfung mit dem BIM-Kalkulationsprogramm sieht man die unmittelbaren Auswirkung auf die Kosten.

Alle am Bau Beteiligten befinden sich ständig miteinander im Austausch, alle relevanten Daten sind unmittelbar und kontinuierlich verfügbar. Auch Freigaben durch den Bauherrn werden über den Projektraum erteilt. "Da eine Projektentwicklung im BIM-Prozess für viele Beteiligte Neuland ist, mussten wir uns zunächst mit unseren Architekten, Iris Hannewald und ihrem Team vom Münchner Büro Hannewald & Strobl Architekten, gemeinsam intensiv in das Thema einarbeiten. Datenschnittstellen mit den Planungsbeteiligten mussten abgeklärt werden und die Prozesse klar definiert werden, um einen digitalen Workflow zu realisieren", erklärt Nina Strubl von der Bayernhaus Immobilien GmbH, die das Nürnberger Projekt von Anfang an betreut hat. Das Unternehmen ist Vermieter und Verwalter des Gebäudekomplexes.

Hinterlässt Cola Flecken auf den Fliesen? Manches lässt sich nicht errechnen

"Entscheidend war für uns die Erkenntnis, dass BIM eine Methode ist, die durch den Einsatz moderner IT möglich wird, jedoch nicht allein dadurch gekennzeichnet ist", sagt Strubl. "Ganz wichtig war bei diesem Projekt die intensive Kommunikation und Zusammenarbeit aller Beteiligten über den Projektraum." Der wurde als Austauschplattform für Pläne, aber auch für andere Informationen extra eingerichtet. Obwohl BIM hier das erste Mal zum Einsatz kam, haben die Abläufe mehr oder weniger reibungslos funktioniert. Man habe viel gelernt dabei, sagt Strubl. Dabei wurden auch die Grenzen des Systems getestet: "Als das Ganze von der Datenstruktur zu komplex und unübersichtlich geworden ist, weil zu viele ausführende Subunternehmer in den Datenraum gegangen sind, haben wir das System etwas vereinfacht."

"Als Berater für den Bauherrn waren wir in engem Kontakt mit den Architekten und auch bei Baubesprechungen anwesend. Dies brachte viele Vorschläge, die baulich umgesetzt wurden", so Strubl. Die Optimierungen reichten von der Gestaltung des Hausmeisterraumes bis zu Ausstattungsfragen und der Gestaltung der Außenanlagen. Ein wichtiges Thema waren auch langfristige Haltbarkeit und Pflegeaufwand.

"Wenn wir irgendwelche Materialien herausgesucht haben für Treppenhäuser oder den Aufzug, dann bin ich zu meinem Objektverwalter gegangen, und wir haben das auf Praktikabilität getestet. Dann haben wir schon mal Cola auf eine Fliese gegossen und gesehen, wie das nach dem Abwischen aussah." Auch der Generalunternehmer wurde in der Planungsphase mit in die Überlegungen der Architekten, Planer und des Bauherrn einbezogen.

Eine besondere Herausforderung für alle war nicht nur die Digitalisierung der Planung, sondern auch das ambitionierte Energiekonzept. Neben dem baulichen KfW-55-Standard wurde durch die intelligente Vernetzung von Solarstrom, Geothermie und konventionellen Energieerzeugern ein modernes Konzept für Wohnraumheizung und Kühlung realisiert. Erdwärmekollektoren, die sich im Erdreich unter dem Haus befinden, generieren aus dem Boden Wärme, speichern diese in einem Solespeicher und halten sie so für die Nutzung vorrätig, im Winter zur Beheizung und im Sommer zur Kühlung. Die Sonnenenergie über Solarkollektoren wird sowohl in die Solespeicher transportiert als auch für die Nutzung zur Warmwasserbereitung genutzt. Die Gasbrennwerttherme wird nur für die Spitzenzeiten gebraucht, also etwa an besonders kalten und bewölkten Wintertagen. "Damit erreichen wir bis zu 75 Prozent regenerativen Energieanteil", sagt Strubl.

Ungewöhnlich ist auch das mietvertragliche Konstrukt einer Warmvermietung. Wegen des geringen Energieverbrauchs wären die Kosten für eine individuelle Abrechnung wahrscheinlich höher gewesen als die Energiekosten selbst. "Wir haben uns für eine Flatrate entschieden. Damit zahlen Mieter die Kosten für Heizung und Kühlung mit einer Pauschale. Fensterkontaktschalter verhindern, dass die Heizung über geöffnete Fenster reguliert wird. Der in den Wohnungen sehr unterschiedliche Warmwasserverbrauch wird aber ganz konventionell gemessen", sagt Strubl.

Auch die Inklusivmiete zwischen elf und 13 Euro war für Wohnungssuchende wohl ein Argument, sich für das Projekt im noch jungen Stadtteil Thon-Süd zu entscheiden. Alle 59 Wohnungen waren in kurzer Zeit vermietet. Das 3-D-Modell der Architekten kam auch hier zum Einsatz: Über eine kostenlose App konnten die Interessenten das Modell herunterladen und dort virtuell herumspazieren.

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Quelle:
SZ vom 05.10.2018
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