Die Schuldigen für die Finanzkrise:Lektion für alle

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Die Verantwortlichen für die Finanzkrise schienen schnell gefunden: Gierige, unverantwortlich handelnde Manager. Doch auch Politiker sind Teil des Problems.

Karl-Heinz Büschemann

In der Weltwirtschaft geht eine Panik um wie kaum jemals zuvor. Die Aktienkurse fallen ins Bodenlose, Banken gehen reihenweise pleite und müssen von Regierungen gerettet werden. Ganze Nationen werden zahlungsunfähig, und die Menschen sind in Sorge. Sie fürchten um ihr Erspartes, um ihren Arbeitsplatz, und sie zweifeln an der Marktwirtschaft sowie an denen, die in Politik und Unternehmen die Verantwortung tragen.

In dieser Krise haben sich die Politiker wie Finanzminister Peer Steinbrück genauso blamiert wie Manager und Banker. (Foto: Foto: dpa)

In solchen Zeiten sind Schuldige schnell gefunden: Es sind offenbar "unverantwortliche Banker" (Kanzlerin Merkel), die die Welt mit kaum durchschaubaren Finanzgeschäften aus den Fugen brachten, die sich persönlich bereicherten und dem Rest der Welt ein beispielloses Chaos hinterließen.

Finanzkrise wird das Denken verändern

Für manchen ist der Grund das angelsächsische Wirtschaftsdenken, das schnelle Gewinne für die Aktionäre in den Vordergrund schob, das soziale Bedürfnisse der Menschen hintanstellte und das in Westeuropa erst nach dem Zusammenbruch des Sozialismus breit akzeptiert wurde.

Daher wird diese Finanzkrise das wirtschaftspolitische Denken verändern. Die aus Amerika übernommenen Prinzipien des freischwebenden, weitgehend unkontrollierten Handelns werden wenigstens in Europa keine Zukunft haben.

Schon sehr bald werden sich die Manager, die zuletzt durch Gehältergier und Massenentlassungen das Ansehen ihrer Kaste verspielten, auf härtere Zeiten und verschärfte Kontrollen ihrer Arbeit einstellen müssen und hoffentlich auch auf geringere Einkommen.

Eloquente Schwätzer bei Banken, Börsen und Beratern, die den Menschen scheinbar neue Gesetze der Marktwirtschaft predigen, werden hoffentlich lange einen schweren Stand haben. Die angelsächsische Ideologie der staatsfernen Wirtschaft hat es besonders schwer, wenn der Staat die Banken vor dem Kollaps retten muss.

Pragmatische USA

Aus diesem Grund gefallen sich in Deutschland jetzt die Politiker aller Schattierungen in der Rolle derjenigen, die es schon immer gewusst haben. Sie scheinen eine Genugtuung darüber zu verspüren, dass Bankmanager nach Vater Staat rufen und die Politiker wieder eine große Bühne bekommen, auf der sie sich als Retter präsentieren können.

Für solche Art der Selbstzufriedenheit gibt es aber nicht den geringsten Anlass. In dieser Krise haben sich die Politiker genauso blamiert wie Manager und Banker. Alle Beteiligten stehen den Folgen dieser Krise mit der gleichen bedauernswerten Hilflosigkeit gegenüber.

Es stimmt ja, dass ins Kriminelle hineinreichende Geschäfte von Finanzjongleuren die Weltwirtschaft aus den Fugen gebracht haben. Aber es ist ebenso richtig, dass auch die Politiker der verschiedenen Regierungen für diese Krise die gleiche Verantwortung tragen. An der pragmatischen Art, wie die Regierungen in Amerika oder Großbritannien die Sache anpacken, lässt sich erkennen, dass sie sich dieser Aufgabe auch bewusst sind.

Die deutschen Politiker haben dagegen lange versucht, sich aus der Affäre zu ziehen und den schwarzen Peter erst einmal den unfähigen Managern zuschieben. Dabei sind sie selbst ein Teil des Problems.

Der Verwaltungsrat der staatlichen KfW-Bank, die an der zusammengebrochenen IKB-Bank beteiligt war, sitzt voller Bundespolitiker. Finanzminister Peer Steinbrück, der sich heute als tüchtiger Krisenmanager feiern lässt, ist sogar stellvertretender Vorsitzender.

Mangelhafte Aufsicht

Die Bundesregierung wirkt in ihrem Krisenmanagement trotz mancher Kraftmeierei regelrecht hilflos. Erst vermittelt sie den Eindruck, mit der Finanzkrise nichts zu tun zu haben. Die sei Sache der Amerikaner. Dann verweigert sie sich einem geordneten gemeinsamen Vorgehen in Europa, um plötzlich eine gigantische nationale Garantie für alle Sparguthaben zu geben, ohne zu sagen, was sie genau plant. Inzwischen hat sie sich noch einmal gedreht und gewinnt sogar Gefallen an der britisch-amerikanischen Idee, Banken zu verstaatlichen.

Man kann nur hoffen, dass die Bundesregierung auf dem G-7-Treffen in Washington an diesem Wochenende ihre merkwürdige Solistenposition aufgibt. Sie muss Teil eines geordneten weltweiten Vorgehens werden, ohne das diese globale Finanzkrise nicht zu bewältigen ist.

Auch die Regeln der Bankenaufsicht sind in Deutschland mangelhaft. Die sind Sache der Politik. Es geht ja nicht nur um superkomplizierte Finanzgeschäfte, mit denen clevere Jongleure die Kontrollbehörden austricksten. Der Knall bei der Hypo Real Estate geht auf klassische Banker-Fehler zurück, die die Bundesbank oder die Finanzaufsichtsbehörde Bafin hätte abstellen müssen. Doch langwieriges politisches Gerangel um die Kontrollkompetenzen ließ der Katastrophe freien Lauf.

Banker und Politiker schlecht vorbereitet

Diese Krise ist besonders komplex. Banker und Politiker in aller Welt sind auf ihre Bewältigung schlecht vorbereitet. Das ist keine Schande. Man kann niemandem vorwerfen, mit einer Situation nicht fertig zu werden, die es zuvor nie gab. Aber eine Lehre aus der Krise ist, dass Politiker und Manager die gleiche Pflicht haben, an der Lösung zu arbeiten, egal wer sie verbockt hat, und ohne ideologische Scheuklappen.

Es gibt keine staatsfreie Wirtschaft, auch wenn sich Unternehmer das oft wünschen. Staat wie Wirtschaft haben dem Wohl der Menschen und der Nationen zu dienen, sonst werden sie nicht akzeptiert. Das gilt auch, wenn sie sich gegenseitig zum Teufel wünschen. Es wäre viel erreicht, wenn am Ende dieser Krise die Erkenntnis übrigbliebe, dass beide enger verbunden sind, als sie glauben.

© SZ vom 11.10.2008/sge/jkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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