Die Millionen-Überweisung der KfW:Protokoll einer Panne

Es handelte sich um Stunden, zuletzt um Minuten, die den Fehler verhindert hätten: Was in der Staatsbank KfW während der fatalen Millionen-Überweisung an Lehman Brothers passierte.

Helga Einecke

Bild schüttete einen Kübel Häme über der Staatsbank KfW aus: "Deutschlands dümmste Bank", titelte das Blatt, als vergangenen Woche publik wurde, dass die KfW 350 Millionen Euro an die bankrotte US-Investmentbank Lehman Brothers überwiesen hat. Allmählich wird klar, wie es dazu kam - das Protokoll einer Panne.

Die Millionen-Überweisung der KfW: Ein grauer Schleier legt sich über die KfW: Die Panne wird dieses Jahr wieder zu roten Zahlen führen.

Ein grauer Schleier legt sich über die KfW: Die Panne wird dieses Jahr wieder zu roten Zahlen führen.

(Foto: Foto: AP)

10.Juli 2008: Die KfW hat Dollars, braucht aber Euros. Sie vereinbart mit der US-Bank Lehman Brothers ein Währungstauschgeschäf (Swap), das bis Mitte September läuft. Sie erhält gegen ihre Dollars Euros und legt fest, dass sie am 15. September die Euros zurück an Lehman überweist. Dafür soll die KfW Dollars zurückbekommen. Summen und Wechselkurse werden ins EDV-System eingespeist und laufen automatisch ab.

1.September: Ulrich Schröder hat seinen ersten Arbeitstag als neuer Vorstandschef der KfW. Er soll die Staatsbank sanieren, die durch die Rettung der IKB ihre gesamten Reserven und einen Teil ihrer Reputation verloren hat

8. bis 11. September: Die Krise um Lehman spitzt sich weiter zu. Die koreanische Entwicklungsbank KDB gilt zunächst als interessiert, zieht ihren geplanten Einstieg bei Lehman aber zurück.

12. September: Mehrere KfW-Abteilungsleiter sitzen an diesem Freitag zusammen und beraten die Lage. Sie sprechen darüber, wie sich im Zuge der Finanzkrise die Situation für Lehman Brothers verschärft hat.

Offensichtlich glauben sie aber nicht daran, dass eine US-Bank in dieser Größenordnung Pleite gehen wird. Der bereits in den Computer eingegebene Währungsrücktausch, das so genannte "offene Settlementrisiko", scheint nicht kontrovers diskutiert worden zu sein. Die Abteilungsleiter vertagen sich auf Montag, 9.30 Uhr.

14. September: Die Krise von Lehman gerät außer Kontrolle. Die Verhandlungen über eine Rettung scheitern. Die Mitarbeiter der KfW genießen ihr Wochenende. Kein Verantwortlicher scheint die Lage bei Lehman zu verfolgen.

15. September, 7.11 Uhr: Die Nachrichtenagentur AP meldet: "Die schwer angeschlagene US-Investmentbank Lehman Brothers will Konkurs anmelden."

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie die KfW knapp anderthalb Stunden später 320 Millionen an Lehman Brothers überweist - und keine Gegenzahlung erhält.

Protokoll einer Panne

15. September, 8.37 Uhr: Die KfW leistet - wie im Juli vereinbart und programmiert - die Rückzahlung in Höhe von 320 Millionen Euro. Die Bundesbank erledigt die Überweisung. Die Gegenzahlung von Lehman bleibt aus.

Schröder, ddp

Nach elf Arbeitstagen die große Panne: KfW-Chef Ulrich Schröder.

(Foto: Foto: ddp)

15. September, 9.00 Uhr: KfW-Chef Ulrich Schröder fragt seine Leute bei der KfW, in welchem Umfang seine Bank bei Lehman Brothers engagiert ist. Er erfährt, dass es Wertpapiergeschäfte von 186 Millionen Euro gibt. Außerdem wird ihm mitgeteilt, dass am Morgen die bewussten 320 Millionen Euro überwiesen wurden.

Er informiert die beiden Staatssekretäre von Bundeswirtschaftsminister Michael Glos und Bundesfinanzminister Peer Steinbrück, weil er "diesen Vorgang für so gravierend hält".

Die Minister sind seine obersten Kontrolleure und haben ihn eingestellt. Schröder schaltet die Innenrevision der KfW ein und lässt durch eine Kanzlei arbeitsrechtlichen Konsequenzen prüfen.

16.September: Der Verlust aus dem Geschäft erhöht sich auf 350 Millionen Euro, weil die Wechselkurse sich verschoben haben. Das Geld ist mindestens zur Hälfte verloren.

Die genaue Höhe des Verlusts wird letztlich von der Konkursmasse von Lehman Brother abhängen - und außerdem vom weiteren Verlauf der Finanzkrise.

17.September: Die Überweisungspanne der KfW wird öffentlich bekannt. Die KfW gibt zunächst lediglich zu, sie sei "im mittleren Millionenbereich" bei Lehman Brothers engagiert.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Die KfW wird als Folge aus dieser Panne dieses Jahr schon wieder rote Zahlen schreiben.

Protokoll einer Panne

Glos und Steinbrück, dpa

Die obersten Kontrolleure: Bundeswirtschaftsminister Michael Glos und Bundesfinanzminister Peer Steinbrück.

(Foto: Foto: dpa)

18. September, 16 Uhr: Der Verwaltungsrat der KfW tagt. Ihm gehören 37 Mitglieder an - darunter Politiker, Gewerkschafter, Vertreter von Banken und Industrie. Bankchef Schröder informiert im einzelnen über den Ablauf der Swap-Transaktion.

Er sagt, seine Leute hätten die Gefährdung von Lehman falsch eingeschätzt. Die KfW habe Defizite im Risikomanagement. Außerdem gebe es organisatorische Schwächen. Der Verwaltungsrat suspendiert zwei Vorstandsmitglieder und einen Abteilungsleiter.

19.September: Der Bundestag diskutiert über die Pannen bei der KfW. Zeitungen haben zuvor getitelt: "Deutschlands dümmste Bank" und "Die Trottel von der KfW". Finanzminister Steinbrück weist Forderungen der Opposition zurück, er solle die Verantwortung für die Überweisung übernehmen.

Bei der KfW wird eine Belegschaftsversammlung angesetzt. Schröder erläutert seinen Mitarbeitern die Vorgänge und macht ihnen Mut, trotz der spöttischen Kommentare durchzuhalten.

22. September: Der KfW-Chef sagt in einem Gespräch, er habe nach elf Arbeitstagen in einer neuen Bank nicht eingreifen können. Er sei noch nicht mit allen einzelnen Prozessen vertraut.

Allerdings handele es sich bei der Überweisung nicht um eine bewusste Entscheidung. Diese hätte aber am Wochenende oder am Montagmorgen gestoppt werden müssen.

Wegen Lehman und wegen der IKB wird die KfW 2008 zum zweiten Mal hintereinander rote Zahlen schreiben.

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