Süddeutsche Zeitung

Die Krux mit den Policen:Einfach falsch versichert

Obwohl sie auf Sicherheit bedacht sind, besitzen etliche Versicherte nicht die richtigen Policen. 95 Prozent der Bevölkerung unterschätzen die Risiken - oder schließen überflüssige Verträge ab.

Alina Fichter

Die Deutschen haben ein inniges Verhältnis zu ihren Versicherungen. Anders lässt es sich kaum erklären, dass viele lieber ihren Policen-Ordner aus einer Feuersbrunst retten würden als ihr Tagebuch oder ihre Urlaubsfotos. Das ergab eine repräsentative Umfrage des Verbraucherportals Immobilienscout24. Glaubt man der Untersuchung, würden nur fünf Prozent ihr Sparbuch sicherstellen, nur acht Prozent ihr Geld.

Sicherheitsbedürftig sind sie, die Deutschen, keine Frage, ihre Policen-Ordner prall gefüllt. Umso erstaunlicher ist es, dass Verbraucherschützern zufolge 95 Prozent falsch versichert sind. "Vielen fehlen wichtige Policen, oder sie besitzen überflüssige", sagt Kerstin Becker-Eiselen von der Hamburger Verbraucherzentrale. Dabei ist die Faustregel denkbar einfach: Jeder muss die Risiken absichern, die ihn finanziell ruinieren würden. "Am wichtigsten ist die private Haftpflichtversicherung", sagt Becker-Eiselen.

Jeder haftet mit seinem gesamten Vermögen für einen Schaden, den er anderen zufügt; egal, ob er versehentlich Menschen verletzt oder einen Gegenstand kaputt macht. Wer beim Campen ein Feuer entzündet, das einen Waldbrand entfacht, muss für alle zerstörten Felder, Bäume und Häuser zahlen. "Die Folgen bringen den Verursacher an den Bettelstab", sagt Elke Weidenbach von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen - außer er besitzt eine Haftpflichtversicherung.

Dennoch ist ein Drittel der Deutschen nicht geschützt. "Fahrlässig" nennt Weidenbach das und rät unbedingt zum Vertragsabschluss. Darin sollte eine Deckungssumme von mindestens zwei Millionen Euro vereinbart sein. Sinnvoller sei es, wenn das Unternehmen für Schäden bis fünf Millionen Euro aufkomme. Die Beiträge, die der Verbraucher für einen besseren Schutz ausgeben müsse, seien nur geringfügig höher.

Tatsächlich sind Haftpflichtversicherungen nicht teuer: Einzelpersonen bekommen sie schon ab 30 Euro pro Jahr, Familien ab 60 Euro. Wer die Prämie jährlich entrichtet, statt sie monatlich zu zahlen, spart meistens Geld. Eltern sollten im Kleingedruckten nachlesen, ob ihre Kinder unter zehn Jahren mitversichert sind. Weil die Kleinen gesetzlich nicht haftbar gemacht werden können, schließen manche Policen sie aus.

Die zweite unverzichtbare Police ist die Berufsunfähigkeitsversicherung (BUV). Wird etwa ein Mann Mitte 20 berufsunfähig, durch eine Krankheit oder einen Unfall, muss er bis zur Rente Einnahmeausfälle von über einer Million Euro verkraften. Ihn quält dann nicht nur die Frage, ob er wieder gesund wird, sondern auch das Problem, wovon er nun leben soll. "Berufsunfähigkeit gefährdet die Existenz", sagt Michael Wortberg, Verbraucherschützer in Rheinland- Pfalz. Obwohl die meisten Menschen das wissen, ist dennoch nur jeder fünfte ausreichend geschützt.

Je früher, desto besser

Je früher die BUV abgeschlossen wird, desto besser. Die Beiträge sind dann niedriger, der Gesundheitszustand meist noch einwandfrei. Sobald Vorerkrankungen festgestellt werden, wird der Abschluss häufig problematisch. Wer einen Vertrag macht, muss darauf achten, dass die Rente hoch genug ist und auch rückwirkend ausgezahlt wird. Zudem sollte eine sogenannte abstrakte Verweisung ausgeschlossen sein; andernfalls müsste beispielsweise ein kranker Chirurg, der nicht mehr operieren kann, als Gutachter weiterarbeiten. Zuletzt rät Verbraucherschützer Wortberg, dass der Vertrag bis zum 67. Lebensjahr laufen sollte: "Ab 50 steigt das Risiko, berufsunfähig zu werden, stark an."

Am drittwichtigsten ist die Risikolebensversicherung. Für Familien ist sie sogar unentbehrlich: Stirbt der Alleinverdiener, kann das schlimme Folgen für die Hinterbliebenen haben. Dennoch sichern sich die Deutschen zu lax ab: Nur bei knapp 80.000 Euro liegt im Schnitt die Todesfallsumme, die vertraglich vereinbart wird. Eine Witwe mit zwei Schulkindern kommt mit diesem Geld nicht sehr weit. "Bei einer solchen Familiensituation müsste der Betrag eher Richtung 300.000 Euro gehen", sagt Versicherungsexpertin Weidenbach. Wie hoch die Summer genau sein sollte, hängt unter anderem davon ab, ob der Versicherte Alleinverdiener ist, wie leicht der Partner einen Job finden könnte und wie alt die Kinder sind.

Wer diese drei Versicherungen besitzt, ist gegen alle existenzbedrohenden Risiken geschützt. Der Rest ist Kür. Natürlich, Autohaftpflicht und Krankenversicherung sind in Deutschland Pflicht, die hat sowieso jeder. Eine private Krankenversicherung hält Becker-Eiselen für überflüssig: "Aber das ist Geschmackssache", sagt sie. Eine Unfallversicherung sei nicht notwendig, wenn die BUV abgeschlossen sei. Eine Hausratversicherung? "Wer Designermöbel oder andere teure Dinge besitzt - warum nicht". Und Wohngebäudepolicen sind für Eigentümer sinnvoll. Ein Wohnungsbrand kann sonst schnell teuer werden. Auch für diejenigen, die ihre Versicherungsunterlagen aus den Flammen retten.

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SZ vom 10.01.2011/kst/mel
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