Süddeutsche Zeitung

Die Krise in Euroland:Rezepte der Ratlosigkeit

Was tun? Je länger die Schuldenkrise in der Eurozone schwelt, desto größer wird ganz offensichtlich die Sprachlosigkeit unter den beteiligten Akteuren.

Claus Hulverscheidt, Berlin

Wenn es überhaupt einen Punkt gibt, in dem die führenden Politiker und Finanzmarktakteure der Eurozone derzeit noch einer Meinung sind, dann ist es wohl der, dass man einander einfach nicht mehr versteht. Seit fast einem Jahr nun werden die Anleihemärkte von immer neuen Turbulenzen erschüttert - von einem gemeinsamen Verständnis der Probleme aber kann immer noch nicht die Rede sein. Im Gegenteil: Je länger die Schuldenkrise in der Eurozone schwelt, desto größer wird ganz offensichtlich die Sprachlosigkeit unter den beteiligten Akteuren.

"Die Politik agiert widersprüchlich, unentschlossen und intransparent", heißt es an den Märkten - ein Vorwurf, der in Kreisen der Euro-Staaten umgehend gekontert wird: "Die angeblich so nüchternen und sachbezogenen Märkte orientieren sich an Gerüchten und unrealistischen Erwartungen, die sie zuvor selber geschürt haben, sie verstehen politische Zusammenhänge nicht und bringen nicht die Geduld auf zu warten, bis Entscheidungen ihre Wirkung entfalten."

Beide Seiten haben mit ihren Klagen nicht gänzlich Unrecht. Was jedoch keiner der Beteiligten laut sagt, ist, dass das eigentliche Problem ein ganz anderes ist: Anders als von manchen "Experten" behauptet, gibt es nämlich schlichtweg keine Patentlösung, die die Regierungen der Eurozone wie die Finanzmärkte gleichermaßen zufrieden stellen würde. Jedes einzelne Rezept ist entweder politisch nicht durchsetzbar, verstößt gegen geltendes Recht oder wirkt viel zu spät.

Beispiel Anleihekauf: Schon seit Monaten stützt die Europäische Zentralbank (EZB) den Rentenmarkt, indem sie Schuldverschreibungen einzelner, besonders unter Druck stehender Euro-Länder kauft. Das hat aber nicht verhindern können, dass nach Griechenland nun auch Irland unter den Rettungsschirm der EU-Staaten und des Internationalen Währungsfonds (IWF) schlüpfen musste. Vielmehr wird bereits gegen die nächsten Pleitekandidaten, allen voran Portugal und Spanien, spekuliert. Weitet die EZB ihre Käufe nun massiv aus, würden zwar die Anleihekurse stabilisiert. Die eigentliche Aufgabe der Notenbank, die Bekämpfung der Inflation, geriete aber immer weiter aus dem Blickfeld.

Die zweite Möglichkeit wäre eine Erweiterung des Rettungsschirms, wie sie Bundesbankchef Axel Weber ins Spiel gebracht hat. Die Euro-Regierungen, die EU-Kommission und auch der IWF wären wohl notfalls bereit, den Hilfsfonds deutlich über die derzeitige Summe von 750 Milliarden Euro hinaus aufzustocken. Ob aber auch die nationalen Parlamente mitspielen würden, ist fraglich.

Eine dritte Variante hat EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso ins Spiel gebracht: die Emission von gemeinsamen Anleihen aller 16 Euro-Staaten. Für Länder wie Deutschland und Frankreich hieße das, dass ihre Kreditwürdigkeit mit der Bonität von Krisenstaaten wie Griechenland, Irland und Portugal vermischt würde. Das Ergebnis wäre ein deutlicher Anstieg der Zinskosten - weshalb die Verantwortlichen in Berlin und Paris Barrosos Idee strikt ablehnen.

Bleibt der Vorschlag einer europaweit einheitlichen Haushaltspolitik, wie sie etwa EZB-Präsident Jean-Claude Trichet verlangt. Das Fehlen einer solchen gemeinsamen Budgetpolitik hat nach Meinung vieler Fachleute die Spannungen innerhalb der Eurozone erst ermöglicht. Allerdings dürften die Parlamente in vielen EU-Staaten kaum bereit sein, ihr Königsrecht, die Haushaltsaufstellung, an eine namenlose Brüsseler Behörde abzugeben. Politisch wäre dieser Weg deshalb kaum durchsetzbar. Eine Umsetzung würde zudem lange dauern - zu lange jedenfalls, um die aktuelle Krise zu lösen.

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SZ vom 03.12.2010/mel
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