Die großen Erbfälle:Picasso, ein Villen- und Frauensammler

Pablo Picasso war der reichste Künstler aller Zeiten. Um sein Erbe stritten all die Frauen und Kinder, die er um sich versammelt hatte. Doch schon zu Lebzeiten manipulierte der Exzentriker sein Umfeld.

Alexander Hagelüken

Er ist einer der bekanntesten Künstler aller Zeiten. Er erfand die Malerei neu wie kaum einer vor ihm. Er war der reichste Künstler aller Zeiten. Viele Frauen liebten ihn, und kaum eine schaffte es, ihn zu verlassen, egal, wie schlecht er sie behandelte. Das alles macht Pablo Picasso zu einer faszinierenden Person. Und zu einem der bizarrsten Erbfälle, die das 20. Jahrhundert sah.

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Pablo Picasso 1971: Und ewig streiten die Erben.

(Foto: AFP)

Picasso kommt 1881 stumm auf die Welt, das Baby schweigt, bis ihm ein Onkel Zigarrenrauch ins Gesicht bläst. Schon als Jugendlicher zeichnet er so gut, dass sein Vater, selbst Maler, den Pinsel frustriert für immer aus der Hand legt. Mit 18 zieht er in ein Bordell und skizziert Erotisches.

Dann geht er nach Paris und entwickelt seine Kunst, im unbeheizten Zimmer eines verfallenden Hauses. Malt Gaukler, die so hungrig sind wie er. Seine berühmte "blaue Periode" soll dem Umstand zu verdanken sein, dass die blaue Farbe am billigsten zu erwerben war.

Picasso schafft alles neu, er zerhackt das Gegenständliche und setzt die Einzelteile von Lebewesen neu zusammen. Am Ende hat sich der Blick der Menschheit auf Bilder verändert. Bis sich seine Werke gut verkaufen, dauert es ein paar Jahre. Mit 40 aber ist er reich, fängt an, Villa um Villa zu kaufen.

Frauen beginnt er schon vorher zu sammeln. In seinen Beziehungen ist er dominant, manipulativ, besitzergreifend; los lässt er nicht mehr. Kaum eine, die er erst anbetet und dann anherrscht, kann sich je seinem Sog entziehen, seiner Mischung aus Sanftheit und Strenge.

Kampf um das Erbe

Aus diesem Liebeswirrwarr all der Frauen und Kinder kommen die Auseinandersetzungen, die nach seinem Tod 1973 um das Erbe entspringen. Picasso hinterlässt ein Vermögen im Wert von ein paar hundert Millionen, es sind außer ein paar Immobilien vor allem Werke: 2000 Gemälde, 1300 Skulpturen, mehr als 12.000 Skizzen.

Jetzt kommen Animositäten, Verletzungen und Ansprüche hoch, es sind vor allem vier Frauen beziehungsweise ihre Nachkommen, die um das Erbe des 91-jährigen Jahrhundertkünstlers kämpfen.

Da ist Picassos Sohn Paulo, Sohn von Olga Koklowa, der nie einen Platz im Leben neben seinem übermächtigen Vater gefunden hat, der trinkt, seit er erwachsen ist. Picasso hatte die russische Tänzerin Olga 1917 in Rom kennengelernt, er holt sie nach Paris.

Das fehlende Testament

Bald zeigt sich die Macht Olgas über Picasso, der Frauen bisher gewonnen und abgelegt hat. Die Frauen, die er malt, werden groß und größer, riesenhaft, bedrohlich, "kolossale Imponiergestalten", wie der Autor Emanuel Eckardt schreibt. Picasso löst sich von Olga, in dem er eine Affäre mit Marie-Therese Walter beginnt. "Mein Fräulein", spricht er die 17-Jährige vor dem Kaufhaus Galeries Lafayette an, "Sie haben ein interessantes Gesicht, ich möchte Sie malen."

Picasso malt alle seine Frauen, aber keine sooft wie Marie-Therese. Hundertfach porträtiert er ihr zartes Gesicht, hält die Liaison aber fünf Jahre geheim. Dann trennt er sich von Olga und Paulo, der im Schatten des Vaters nie einen Lebensinhalt findet. Olga beobachtet Picasso weiter aus der Nähe, und er gestattet, dass sie ihm überallhin folgen darf.

Marie-Therese muss den Maler nicht nur mit Olga teilen, sondern auch mit der franko-kroatischen Fotografin Dora Maar, mit der er jeden Tag zu Mittag isst, kurz nachdem er aufgestanden ist. Picasso mag solche Verbindungen, er stellt seine Frauen einander vor, scheint ihre Unsicherheit über die eigene Position zu schätzen, Hauptsache, er hat die Kontrolle. 1943 ändert sich sein Beziehungsuniversum wieder.

Der mittlerweile 62-Jährige lernt in einem Café die 21-jährige Malschülerin Françoise Gilot kennen, bald zieht sie bei ihm, bekommt zwei Kinder mit ihm. Sie beheizt das Haus, regelt seine Finanzen, betreut die Kinder. Sie soll immer um ihn sein, aber schweigen, wenn sie nicht gefragt wird.

Picasso erwählt zusätzlich einen stinkenden Ziegenbock zum Hausgefährten, liest Françoise aktuelle Liebesbriefe seiner Verflossenen vor, duldet, dass Olga sie körperlich attackiert. Nach zehn Jahren verlässt Françoise den über 70-Jährigen, "Scheiße" schreit er ihrem Taxi nach, als sie wegfährt. Sie ist die einzige, die sich je von ihm lösen kann.

Und dann kommt Jacqueline ins Spiel, die letzte Frau in seinem Leben, so genau weiß man das zwar nicht, es melden sich später noch andere, aber sie ist jedenfalls die letzte, die er heiratet. Als er sie kennenlernt, ist er 72, sie 27. Er malt sie als Sphinx vor hoffnungsfroh blauem Himmel, widmet ihr das Bild mit der Zeile "Für Jacqueline Picasso", als ob er ihr jetzt schon versprechen wolle, sie zu heiraten, jetzt schon.

Als sie geheiratet haben, nennt sie ihn König von Spanien, nennt ihn Gott. Er verbietet ihr, krank zu sein oder zu zeigen, dass sie müde ist, sie passt ihr Leben ganz an seines an. Dann stirbt er. Und jetzt?

Vier Jahre für eine Lösung

Jacqueline beansprucht das Erbe, aber sie ist nicht die einzige. Die Kinder von Françoise Gilot wollen ebenfalls ans Geld, Picasso hat sie aus seiner Nähe verstoßen, nachdem ihre Mutter ein Buch über das demütigende Leben mit dem Genie veröffentlicht hatte, nun wollen sie Ansprüche durchsetzen.

Dann ist da noch Picassos Tochter aus der Verbindung zu Marie Therese, der Sanften, Traurigen, die sich später an einem Garagentor erhängt. Und dann ist da noch Picassos erster Sohn Paulo, Olgas Sohn, der Trinker, auch er will erben, auch er bekommt etwas, glücklich macht es ihn nicht; sein Körper gibt kurz nach Picassos Tod auf, da ist er erst 54.

So viele Frauen und Kinder streiten ums Erbe, das aus Zehntausenden Werken besteht, die erst geschätzt werden müssen. Picasso hatte kein Testament gemacht, obwohl ihn sein Anwalt dazu drängte. Der französische Staat lässt sich die Erbschaftsteuer in Gemälden auszahlen. Die Verletzungen all der Frauen und Kinder, die gegenseitigen Hassgefühle brechen auf.

"Ich komme jeden Tag hierher, um zu weinen"

Picasso hat ein Netzwerk von Menschen um sich versammelt, die meist wenig glücklich geworden sind. Anwälte beschäftigen sich vier Jahre mit dem Fall, am Ende finden sie eine Lösung und verdienen daran 25 Millionen Euro.

Und die Erben? Olgas Sohn Paulo stirbt wie gesagt bald, Marie Therese erhängt sich. Françoise, die sich von Picasso löste, hat ein eigenes Leben begonnen. Bleibt Jacqueline, die letzte Frau, die ihn Gott nannte. Sieben Jahre nach seinem Tod empfängt sie eine Reporterin der New York Times in ihrer Villa, in die sie sich zurückgezogen hat, die Jalousien vor ihrem Schlafzimmer geschlossen, seit Picasso sieben Jahre zuvor starb.

Sie erzählt, dass sie Pablo häufig sieht, und nicht weiß, ob er sie wirklich liebte. Zeigt der Reporterin einen Raum voller Porträts, die Picasso von ihr gemalt hatte, zu sehen war ein schutzloses Wesen, dem Picasso seine eigenen dunklen, obsessiven Augen gegeben hatte. "Ich komme jeden Tag hierher, um zu weinen", sagte Jacqueline, damals Anfang 50. Ein paar Jahre später bringt sie sich um.

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