Süddeutsche Zeitung

Die großen Erbfälle: Geld - Macht - Hass:Liebe und 1,6 Milliarden Dollar

Anna Nicole Smith wollte nur geliebt werden. Seit Jahren gibt es Zoff um das Erbe ihres Mannes, dem greisen Milliardär. Der Streit geht auch nach ihrem Tod weiter.

Hannah Wilhelm

Der Streit ums Erbe hat viele der Beteiligten überlebt. Wahrscheinlich sogar die meisten der Beteiligten. Im Grunde: Fast alle.

Der schwerreiche Unternehmer Howard Marshall ist tot. Ebenso sein Sohn Pierce, der es bis zuletzt einfach nicht glauben wollte, dass sein alter Vater einer jungen kurvigen Blondine womöglich so viel Geld hinterlassen wollte. Und sie, die kurvige Blondine, sie ist auch tot.

Das Erbe für und von Anna Nicole Smith, Blondine, Landei, Stripperin, Playmate, Model, Mutter, beschäftigt die Gerichte seit Jahren. Und es wird sie wohl noch länger beschäftigen.

Doch von vorne. Anfang der 90er lernt der Öl-Unternehmer Howard Marshall in einem Club eine Stripperin kennen, die eigentlich mal Vickie Lynn hieß, sich aber immer irgendwie anders nennt, zum Beispiel Anna. Es ist Liebe. Sagen beide und heiraten. Sehr bald. Er ist 89. Sie 26. Gut 13 Monate später ist Howard tot.

Die Kurzzeitehe mit dem Milliardär - sie spuckt die Blondierte ins Scheinwerferlicht. Und da liegt sie nun. Unvorbereitet. Ungläubig. Überfordert.

Dabei war dieses Scheinwerferlicht doch genau das, was sie wollte. Raus, nur raus aus dem 700-Einwohner-Kaff Mexia, Texas, in dem sie geboren wurde. Vom Vater verlassen, von der Mutter vernachlässigt, in der Langeweile der Provinz groß geworden, vom Nachbarssohn Billy noch als Teenie geschwängert. Sie wollte da weg. Und geliebt werden wollte sie, gesehen werden, unbedingt und so sehr.

Frauen, die einen Körper haben wie Anna Nicole Smith, lernen früh im Leben: Die leichteste Weise, eine Art Liebe zu bekommen, ist Sex. Anfang der Neunziger fällt sie Ober-Playboy Hugh Hefner auf, da ist sie bereits an der Seite von Howard Marshall, der offenbar nichts gegen die Zurschau-Stellung seiner Frau hat. Bald wird sie Playmate of the Year beim Playboy. Sie modelt. Fast immer sind es erotische Bilder. Die H&M-Plakate, auf denen sie in Unterwäsche posiert, werden von den Bushaltestellen geklaut. Gaffende Autofahrer kollidieren. Sie hat es geschafft. Sie ist reich verheiratet und raus aus Mexia, Texas. Doch angekommen ist sie nirgendwo. Und ganz sicher nie bei sich selbst.

Smith wird im Testament nicht erwähnt

Als Howard Marshall stirbt, beginnt der ewige Streit ums Geld. Er habe ihr mehrere Hundert Millionen Dollar versprochen, wenn sie ihn heirate - behauptet Anna Nicole Smith. Von der Hälfte seines Vermögens sei sogar die Rede gewesen. Stimmt nicht - sagt der Sohnemann, der knapp 29 Jahre älter ist als seine dralle Stiefmutter. Außerdem habe sein Vater Smith ja während der gemeinsamen Zeit schon zahlreiche Geschenke überlassen, im Gesamtwert von mehrere Millionen US-Dollar. Eines ist auf jeden Fall ganz sicher: In seinem Testament hat Howard Marshall die Blondierte mit keinem Wort erwähnt.

Und so beginnt der Weg durch die Instanzen, der Kampf um 1,6 Milliarden Euro Gesamtvermögen, das Ringen um das Lebenswerk von Howard Marshall. Erst sieht es ganz gut aus für Anna Nicole Smith. 474 Millionen Dollar soll sie bekommen, doch es werden immer weniger und weniger Millionen, die ihr die Gerichte zusprechen. Zuletzt soll sie gar nichts mehr bekommen. Mehr noch: Sie soll die horrenden Anwaltskosten des verhassten Stiefsohnes zahlen. Eine Million Dollar.

Und irgendwo auf den Weg durch die Instanzen, auf der ewigen Suche nach Geld und vor allem nach Liebe, da hat Anna Nicole Smith, geborene Vickie Lynn Hogan, sich dann selbst verloren. Sie rast von Gerichtsterminen zu Fernsehauftritten zu Partys. Wechselt dabei die Rollen. Mal sehr sexy, mal seriös. Mal schrill, mal traurig. Aber immer: verloren. "Ich bin einsam", sagt sie. Sie schreit es sogar in die Welt hinaus. Doch keiner hört es. Sie isst, wird immer mehr und mehr, bis sie irgendwann über 100 Kilo wiegt. Und will doch eigentlich nur, dass sie jemand liebt. Das will sie, verzweifelt. Also nimmt sie wieder ab, sie trinkt, sie zieht sich auf Partys einfach aus, sie nimmt Tabletten, sie hat Affären, hält mit ihrem Anwalt Howard K. Stern eine Ehe-Zeremonie auf einem Boot ab. Irgendwo dort draußen, verdammt, muss sie doch sein, die Liebe.

Statt Liebe finde die verzweifelt Suchende den Tod. Sie stirbt. Am 8. Februar 2007 in einem Hotelzimmer bei Miami. Sie ist 39 Jahre als, voller Medikamente, voller Drogen, voller Sehnsucht.

Und da gibt es noch ein Kind

Kurze Zeit vorher ist ihr 20-jähriger Sohn Daniel an einer Überdosis Methadon gestorben. Daniel ist der gemeinsame Sohn mit Billy, ja, dem Nachbarsjungen aus Mexia, Texas. Daniel wäre laut dem 2001 verfassten Testament der Erbe von Anna Nicole Smith. Doch er ist nicht mehr da. Aus Smiths Testament folgt, dass auch mögliche weitere Kinder erben. Und es gibt noch ein Kind: Ihr Baby Dannielynn Hope, entstanden bei einer der zahlreichen Affären. Aber auch bei diesem Erbfall geht es nicht ohne Streit ab. Alles wird vor Gericht ausgebreitet. Wo Anna Nicole Smith begraben werden soll, wer wohl der Vater des kleinen Mädchens ist, wie viel Tabletten und Drogen Smith in den letzten Monaten ihres Lebens konsumiert hat und wer Schuld hat, an ihrem Ende. Ein Vaterschaftstest ergibt letztendlich: Vater ist der Fotograf Larry Birkhead.

Er erstreitet das Sorgerecht für das Mädchen Dannielynn. Und damit verwaltet er die 700.000 US-Dollar, die das Model der Tochter hinterlassen hat. Und er kann nun stellvertretend für die kleine Tochter um das Erbe von Howard Marshall kämpfen. Und das tut er auch, natürlich. An seiner Seite: Smiths Anwalt und Liebhaber und Boots-Ehemann Howard K. Stern. Bisher streiten die beiden jedoch ohne Erfolg. Im Frühjahr diesen Jahres entscheidet ein Berufungsgericht in San Francisco, das Vermögen von Smiths früherem Ehemann Howard Marshall stehe ausschließlich der Familie seines Sohnes Pierce zu. Für den kommt dieser Erfolg jedoch viel zu spät. Er ist 2006 im Alter von nur 67 Jahren gestorben.

Dannielynn Hope, vier Jahre alt, sie ist wirklich beinah Überlebende in diesem endlosen Erbstreit. Howard Marshall ist tot, ebenso sein Sohn Pierce und seine Frau Anna Nicole Smith. Jetzt kämpfen Smiths Anwalt und Dannielynns Vater, der Fotograf, für die Vierjährige um das Erbe. Ihr Gegner ist Pierce Marshalls Frau. Es geht um 1,6 Milliarden Dollar. Liebe dagegen ist keine mehr übrig.

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Quelle:
SZ vom 18.09.2010/bbr/hgn
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