Die großen Erbfälle: Geld - Macht - Hass:Alles für ein Linsengericht

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Zum Hautpgang eine Portion List: Wie Jakob seinem Bruder Esau das Erbe und seinem Vater den Segen abluchste.

Hermann Unterstöger

Der Spruch "Sterben macht Erben" klingt in seiner gereimten Bündigkeit einigermaßen lustig, doch weiß man aus Erfahrung oder jedenfalls vom Hörensagen, dass danach manchmal schnell Schluss mit lustig ist. Oft schon wurde um das, was nach dem Sterben übrig war, vor Gericht so lange gestritten, bis sich alles in Luft aufgelöst hatte. Abzüglich der Honorare für die jeweiligen Anwälte, versteht sich. Immerhin entsteht aus solchen Zwistigkeiten in aller Regel kein Schaden für Dritte.

Ein Essen, das über das Erbe entscheidet - so wie in der Geschicht von Jakob und Esau. (Foto: ag.ddp)

Früher war das oft anders, beispielsweise wenn es in einem Herrscherhaus zum Erbfall kam und andere Herrscherhäuser ebenfalls Lust auf ein Stück vom Kuchen hatten. Exemplarisch passierte das, als Herzog Georg der Reiche von Bayern-Landshut ohne männlichen Erben starb.

Vorher hatte er noch seine Tochter zur Erbin eingesetzt, was dem Wittelsbacher Hausvertrag widersprach und den nach diesem Vertrag erbberechtigten Albrecht IV. von Bayern-München auf den Plan rief. Es kam zum Landshuter Erbfolgekrieg, der Elend und Verwüstung übers Land brachte. Der kleinste Schaden war noch der, dass Götz von Berlichingen, der auf Herzog Albrechts Seite focht, seine rechte Hand verlor, wahrscheinlich durch einen Fehlschuss der eigenen Artillerie.

Drei Weltreligionen und eine kulinarischen Banalität

Je weiter wir in der Zeit zurückgehen, desto gewichtigere Folgen können Erbauseinandersetzungen haben. Es muss dabei gar nicht um materielle Werte gehen. Vielmehr sieht es ganz danach aus, als seien es Streitigkeiten um ideelle, abstrakte Güter, aus denen Ereignisse von geschichtsbildender, ja weltbewegender Kraft erwachsen.

In der Bibel gibt es dafür ein gutes, dank der Durchtriebenheit der handelnden Personen ebenfalls fast erheiterndes Beispiel. Erheiternd nicht zuletzt deswegen, weil sich die Heilsgeschichte dreier Weltreligionen in einer kulinarischen Banalität bündelt: einem Linsengericht.

Die Konstellation ist die, dass Isaak, Abrahams Sohn, seinerseits zwei Söhne hat, nämlich die Zwillinge Esau und Jakob. Isaaks Zuneigung gilt dem Erstgeborenen, da dieser ihn mit dem geliebten Wildbret versorgt, wohingegen die Mutter Rebekka den frommen Stubenhocker Jakob vorzieht.

Die Geschichte mit dem Linsengericht wird im ersten Buch Mose in lapidarer Kürze berichtet. Sie geht so: Als Esau eines Tages hungrig vom Feld heimkam, gelüstete es ihn nach dem von Jakob gekochten Linsengericht, das dieser aber nur gegen den Preis des Erstgeburtsrechts herausgab. Esau in seiner derben Art war's zufrieden, verzehrte die Linsen, "stund auff", wie Luther den Urtext wiedergibt, "vnd gieng davon / also verachtet Esau seine erstgeburt".

Esaus Einstellung zum Erstgeburtsrecht ist insofern sehr modern, als dieses im heutigen Erbrecht keine Rolle mehr spielt. Erbberechtigte erster Ordnung sind bei gesetzlicher Erbfolge die Abkömmlinge des Erblassers in gerader absteigender Linie, also zunächst die Kinder, und zwar unabhängig davon, ob sie ehelich sind oder unehelich - mit einem Linsengericht oder sonst einem Bestechungsmittel wäre da nichts zu beeinflussen.

Zu Zeiten der sogenannten Erzväter war das anders. Da hatte der Erstgeborene (der des Vaters wohlgemerkt, nicht der der Mutter) Anspruch auf den Doppelanteil am väterlichen Erbe, womit auch die vielfältigen Pflichten abgegolten wurden, die ihm beim Tod des Vaters exklusiv zuwuchsen.

Nun war also Jakob der Erstgeborene, und man möchte meinen, damit hätte es sein Bewenden haben können. Doch weit gefehlt. Als nämlich Isaak alt und gebrechlich und überdies blind wurde und sich zum Sterben rüstete, war auch die Zeit gekommen, dass er seinen väterlichen Segen gab. Den sollte Esau bekommen, und Isaak wünschte sich zu diesem Ritual ein vom Sohn erjagtes und zubereitetes Stück Wild.

Da nun Rebekka dies erlauscht hatte, ging sie zu ihrem Herzenskind Jakob und stiftete ihn an, von der Herde zwei Böcklein zu holen, auf dass sie, die Mutter, davon ein Essen für den Alten bereite. Und als Jakob einwandte, dass ihn der blinde Vater ja womöglich an seiner glatten Haut erkennen könne, sagte sie, er solle sich nicht so anstellen und der Fluch solle im Fall des Falles über sie kommen.

Kein Erbe aber drei Frauen

Man liest von der Spitzbüberei nicht ohne Erheiterung. Rebekka briet also die Böcklein und überdeckte Jakobs Glätte mit deren Fell, und so geschah es, dass Isaak zwar von Jakobs Stimme irritiert war, aber Esaus raue Haut zu ertasten meinte und seinen Segen nicht länger zurückhielt. Und er segnete ihn mit der Fülle der Erde und mit dem höchsten Rang unter den Völkern und Stämmen, und wer ihm fluche, solle selbst verflucht sein. Kaum war das vorbei, als Esau mit seinem Wildgericht beim Vater eintrat, und da gab es nun für beide ein böses Erwachen.

Isaak konnte nichts mehr machen, denn wer gesegnet wurde, der bleibt es. Esau aber heulte mit großem Geschrei, und als er den Vater fragte, ob nicht doch noch ein Segen für ihn übrig sei, lief es auf die Vision Isaaks hinaus, dass Esau vom Schwert leben und dem Bruder dienen werde, dass er dieses Joch aber eines Tages werde abschütteln können. Und da Esau den Bruder hasste und töten wollte, wich Jakob aus nach Haran zu Onkel Laban, dem Bruder seiner überaus listigen Mutter.

Die Sache ging übrigens für alle Beteiligten gut aus. Jakob wurde ein großer Mann und hat im Stammbaum Jesu sein sicheres Plätzchen. Doch auch Esau hatte durch den Verlust von Erstgeburt und väterlichem Segen keine größeren Nachteile, sieht man davon ab, dass er nicht zu den Vorfahren Jesu gehört. Er nahm sich drei Frauen und zeugte mit ihnen viele Kinder, und wie Jakob wurde er ein reicher Herr, so reich, dass das Land beide Herden nicht mehr trug und er wegziehen musste. Er schlug seine Zelte im Gebirge Seïr auf und wurde zum Stammvater der Edomiter.

Erfreulicherweise kam es später zur Versöhnung der Brüder, bei der Esau zu Jakob sagte: "Wir stolzieren zwar nicht einher, den Segen ums Haupt, und verdrehen die Augen, aber wir leben auch und auf unsere Art recht lustig, das glaube du mir!" Und weiterhin: "Glaubst du, der Fluch, den ich dir verdanke, du allerliebster Spitzbube, habe mich zum grindigen Bettler gemacht und zum Hungerleider in Edom? Das wäre! Ein Herr bin ich dort und groß unter den Söhnen Seïrs." So Esau in Thomas Manns Josephs-Roman; in der Bibel liest sich das etwas anders.

© SZ vom 03./04.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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