Die Einschätzung der Experten:Bulle, Bär oder eine andere Mär

Gerade wenn die Börse einbricht, ist es nicht leicht, ein Experte zu sein. Derzeit kommen die Ökonomen jedenfalls auf keinen gemeinsamen Nenner.

Anna Eckert

Bulle, Bär oder eine andere Mär

Wir haben die Aussagen zur aktuellen Börsenverfassung zusammengefasst - aufgeteilt nach pessimistischen, neutralen und optimistischen Aussagen.

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Die Pessimisten

Jörg Schneider, Finanzvorstand Münchener Rück

"Das Jahr wird schwierig. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der seit Jahren anhaltende Aufwärtstrend an den Börsen anhält." Die Entwarnung für Deutschland sei zu früh gekommen. Die Inflationsgefahr bei gleichzeitig schwachem Wachstum könnte weltweit ein beherrschendes Thema werden.

Gustav A. Horn, Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK)

"Der Aufschwung ist vorbei." Wegen der Krise an den Kapitalmärkten würden "dieses Jahr keine zusätzlichen Arbeitsplätze geschaffen, sondern eher welche wegfallen", prognostizierte Horn. "Firmen, deren Bonität tipptopp ist, dürfte das zwar kaum betreffen. Aber das Gros der Unternehmen, das nicht in diese Kategorie fällt, muss nun mit wachsendem Misstrauen bei den Banken kämpfen." Hinzu komme, dass der Kursrutsch auch den zweiten wichtigen Zugang zu frischem Kapital versperre: der Börse. "Kein Unternehmen wird es jetzt noch wagen, sich über die Ausgabe von Aktien Geld zu besorgen."

Dominique Strauss-Kahn, IWF-Chef

"Die Situation ist ernst. Die Börsen haben das Finanzpaket von US-Präsident George W. Bush offenbar nicht gut aufgenommen."

Klaus Kaldemorgen, Geschäftsführer DWS

"Die Aussichten sind trübe. Die US-Rezession wird die ganze Welt treffen. Schließlich sind die Vereinigten Staaten immer noch für 60 Prozent der globalen Nachfrage verantwortlich." Auch in China werde das Wachstum abflauen. "Deshalb werden wir in Asien und Europa in diesem Jahr niedrigere Aktienkurse sehen."

Wolfgang Gerke, Finanz- und Wirtschaftswissenschaftler

"Wir haben das Ende der Fahnenstange längst noch nicht erreicht. 2008 wird ein schlechtes Börsenjahr." Die Entwicklung nach unten werde noch das ganze Jahr lang andauern, erwartet Gerke. Zu lange hätten die Finanzmärkte lediglich auf Kosten und Gewinne der Unternehmen geachtet und die Auswirkungen der Finanzmarktkrise auf die Konjunktur ignoriert. "Man dachte, dass Deutschland ungeschoren davonkommt. Aber die Delle in der Konjunktur kommt", so Gerke - auch wenn davon bisher in den realwirtschaftlichen Daten kaum etwas zu sehen sei.

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Die Neutralen

Jürgen Stark, Mitglied des Direktoriums der Europäischen Zentralbank (EZB)

Stark sieht die Finanzmärkte in einer Korrekturphase. Diese werde noch einige Zeit dauern. "Wir werden genau beobachten, wie sich die Inflation entwickelt". Es sei eine deutliche Abschwächung des Wachstums in den USA zu erwarten. Die Fundamentaldaten in der Euro-Zone seien aber gesund. Stark erklärte, falls es nötig sein sollte, werde die EZB wieder Liquidität in den Markt geben.

Prof. Martin Weber, Wirtschaftswissenschaftler

"Das ist keine Information, die neu hereinkommt - das ist Meinung, Spekulation, Panik", sagt Weber. Ein Kurssturz von rund sieben Prozent dürfe "wahrscheinlichkeitsmäßig gar nicht passieren". Wie sich die Krise weiter entwickeln werde, sei völlig offen. "Das kann nur Frau Schlotterbeck erzählen, die Wahrsagerin im Buch 'Räuber Hotzenplotz'."

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Die Optimisten

Gottfried Heller, Chef der Fiduka Depotverwaltung

Der Börsenexperte Gottfried Heller sieht in dem massiven Einbruch an den Aktienmärkten das Platzen einer riesigen Kreditblase. "Das ist die Bereinigung einer schwülen, überhitzten Situation", sagt Heller. Anlass zu einer Abkehr von Aktienanlagen sieht Heller aber nicht - im Gegenteil: Gerade in der gegenwärtigen Situation seien viele Papiere so günstig zu haben wie schon lange nicht mehr.

Michael Heise, Chefvolkswirt der Allianz

Heise sieht den Dax trotz des aktuellen Einbruchs bis Ende des Jahres bei über 8000 Punkten. Der Kurseinbruch am Montag entbehre jeder Rechtfertigung. "Es gibt keine Neuigkeiten". Wenn kleine Meldungen wie die Krise bei der WestLB zu derartigen Reaktionen führten, müsse von Übertreibung gesprochen werden. Zunächst könnten die Kurse noch weiter nachgeben, so Heise. Das derzeit niedrige Zinsniveau, das nicht zu der hohen Inflation in Deutschland passe, spiegele die "Angst und totale Verunsicherung an den Märkten wieder".

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