Die Deutschen sind gut versichert. Aus Furcht vor dem Loch in der gesetzlichen Rentenkasse wird fleißig gespart. Zum Großteil landet das Geld auf dem Sparbuch, doch da zehrt die Inflation an der Rendite. Oder man kauft eine Lebensversicherung. Und dann noch eine: 95 Millionen Lebensversicherungspolicen gibt es hierzulande - mehr als Bundesbürger.
Bilanzexperten kritisieren die bisherige Praxis deutscher Lebensversicherer, ihren Kunden eine Garantieverzinsung anzubieten: "Wenn ein Unternehmen in Zeiten hoher Zinsen einen langfristigen Lebensversicherungsvertrag mit vier Prozent Garantie geschlossen hat, bekommt es ein Problem, wenn die Zinsen über Jahre hinweg kontinuierlich sinken, wie dies in Japan der Fall war", sagt Thomas Noack, Analyst der WestLB. Für eine graphische Darstellung der Bedeutung von Lebensversicherungen für deutsche Sparer und die Entwicklung des Garantiezinses, bitte auf die Collage klicken.
Die Verträge weisen jedes Jahr rund vier Prozent Rendite aus. Es gilt zwar nicht als sexy, auf diesem Weg fürs Alter zu sparen. Aber nach zwei Börsencrashs in zehn Jahren sind den Deutschen ihre Lebensversicherungen so heilig wie Sparbuch und Bausparvertrag. Doch mit der gepflegten Langeweile, die garantierte Zinsen bieten, dürfte bald Schluss sein.
Neue Bilanzierungsregeln für die Unternehmen bringen die Lebensversicherung, so wie die Deutschen sie heute kennen, in Gefahr. Groß sind die Klagen der Branche, die mit einer halben Million Beschäftigten und rund 200 Milliarden Euro jährlichem Umsatz zu den bedeutendsten Industriezweigen des Landes zählt.
"Keine langfristigen Zinsgarantien mehr"
"Wenn die neuen Bilanzvorschriften wie geplant kommen, werden klassische kapitalbildende Lebensversicherungen möglicherweise in Zukunft nicht mehr angeboten werden können", sagt Werner Görg, Vorstandschef der Gothaer Versicherung.
Ein ähnliches Schicksal drohe staatlich geförderten Riester-Policen. "Die kapitalgebundene Lebensversicherung ist tot", urteilt der Leiter der Finanzberichterstattung eines großen Konzerns. "Wenn der Vorschlag Gesetz wird, gibt es für unsere Kunden keine langfristigen Zinsgarantien mehr."
Heute ist es üblich, Anlegern für die gesamte Laufzeit eines Vertrages, oft sind das 30 Jahre und mehr, eine Mindestverzinsung zu garantieren. Derzeit versprechen die Unternehmen neuen Kunden 2,25 Prozent Zinsen auf ihre Sparbeiträge. Im Durchschnitt haben deutsche Versicherer den Anlegern 3,4 Prozent Zinsen zugesichert, bei manchen alten Verträgen sogar vier Prozent. Die Garantie ist eines der besten Verkaufsargumente für die Policen, sie wiegt angesichts niedriger Kapitalmarktzinsen umso schwerer.
Genau hier setzt die Kritik der Bilanzexperten an: "Wenn ein Unternehmen in Zeiten hoher Zinsen einen langfristigen Lebensversicherungsvertrag mit vier Prozent Garantie geschlossen hat, bekommt es ein Problem, wenn die Zinsen über Jahre hinweg kontinuierlich sinken, wie dies in Japan der Fall war", sagt Thomas Noack, Analyst der WestLB.