Deutsche Krankenkassen:Es war einmal ein Zusatzbeitrag

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Spätestens im Frühjahr wird wohl keine Krankenkasse mehr Zusatzbeiträge einfordern. Denn die Finanzlage im Gesundheitswesen ist gut und vor der Bundestagswahl 2013 wird ohnehin niemand das Thema anschneiden. Zum Ärger einiger Kassen, die auf den Beitrag gesetzt hatten.

Guido Bohsem

Der Zusatzbeitrag der gesetzlichen Krankenkassen ist am Ende - und der ehemalige Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) hat ihn auf dem Gewissen. 2012 wird es wohl keine Kasse mehr geben, die noch zusätzliches Geld von ihren Mitgliedern einfordern wird; spätestens im Frühjahr dürfte sich das Thema erledigt haben. Bis dahin brauchen die Kassen noch, um das Einverständnis des Bundesversicherungsamtes zu erlangen, die Satzung zu ändern und den Versicherten die frohe Botschaft zu übermitteln.

2012 wird es wohl keine gesetzliche Krankenkasse mehr geben, die noch einen Zusatzbeitrag von ihren Mitgliedern einfordern wird. (Foto: picture-alliance/ dpa)

Vieles spricht dafür, dass die Krankenkassen auch 2013 frei von Zusatzbeiträgen bleiben werden. Da ist zum Beispiel das politische Umfeld - weder die Union noch die FDP dürfte unmittelbar vor der nächsten Bundestagswahl an Schlagzeilen Gefallen finden, die von neuen Zusatzbeiträgen künden. Wo die Verantwortung liegen würde, wäre klar: Immerhin war es die schwarz-gelbe Koalition, die in der jüngsten Gesundheitsreform das Konzept der Zusatzbeiträge grundlegend überarbeitet hat.

Auch die Kassen selbst würden der Politik die Verantwortung zuschieben. Unterstützung gäbe es allenfalls von den Arbeitgebern, die den Zusatzbeitrag nicht zahlen müssten - ob deren Stimme im Wahljahr Gehör findet, sei einmal dahingestellt.

Gegen Zusatzbeiträge im kommenden Jahr spricht auch die unglaublich positive Finanzlage im Gesundheitswesen. Mehr als 16 Milliarden Euro werden sich Ende des Jahres auf den Konten des Gesundheitsfonds und der Krankenkassen angesammelt haben. Weil eine nachlassende Konjunktur die Sozialeinnahmen erst verzögert einbrechen lässt, dürfte es Ende 2012 keinesfalls schlechter aussehen. Notwendig ist lediglich eine kleine Gesetzesänderung, mit der es dem Fonds erlaubt wird, konjunkturelle Schwankungen auszugleichen. Hinter vorgehaltener Hand bestätigen Koalitionspolitiker längst, dass sie genau das vorhaben.

2014 dann gibt es eine neue Bundesregierung. Sollte die SPD an die Macht kommen - egal ob mit Grünen oder der Union - wird das System der Zusatzbeiträge ohnehin wieder auf den Prüfstand gestellt. Das jedenfalls haben in der SPD sowohl Gesundheitsexperte Karl Lauterbach als auch Generalsekretärin Andrea Nahles avisiert. Natürlich können sich die Umfragen noch ändern, derzeit aber dürfte der nächste Gesundheitsminister wohl nicht mehr aus der FDP kommen.

Gigantische Überschüsse

Weshalb nun die Rede auf FDP-Chef Rösler und seine Reform im Jahr 2010 kommen muss. Sein Ziel als Gesundheitsminister war es, die Zusatzbeiträge in eine Art Kopfpauschale zu verwandeln, bei der jeder einen festen Euro-Beitrag zahlen muss, unabhängig vom Verdienst. Gleichzeitig sah er sich auch gezwungen, das gigantische Finanzdefizit von elf Milliarden Euro abzuwenden, das ihm die Kassen für 2011 prophezeit hatten.

Rösler erhöhte die Beiträge, schob den Ausgaben für Ärzte und Krankenhäusern einen Riegel vor und verlangte von der Pharmaindustrie höhere Abgaben. Zusammen mit der guten Konjunktur entstanden daraus gigantische Überschüsse. Darüber freuten sich die Kassen, die bis dato noch keinen Zusatzbeitrag erhoben hatten. Für sie war klar, sie würden dies nun auch nicht tun müssen.

Die etwa zehn Kassen mit Zusatzbeitrag hingegen fühlten sich betrogen, hatten sie doch darauf gesetzt, dass die Politik die Finanzmittel knapp halten würde, was weitere Kassen dazu gezwungen hätte, ebenfalls einen Zusatzbeitrag zu erheben. Das geschah nicht. Im Endeffekt litten betroffenen Kassen um so mehr. Die DAK zum Beispiel verlor eine halbe Million Versicherte, weil sie zu der Preiserhöhung gezwungen war. Kleinere Kassen verkrafteten diesen Aderlass nicht. Sie hatten nur die Wahl zu fusionieren oder dicht zu machen.

Eine einzige Möglichkeit für einen Zusatzbeitrag gibt es noch: Die Ausgaben müssen 2012 so sehr steigen, dass die Kassen nicht mehr mit dem Geld aus dem Gesundheitsfonds hinkommen. Doch das hat Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) bereits ausgeschlossen.

© SZ vom 22.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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