Süddeutsche Zeitung

Deutsche Bundesbank:Wirbel um Weber

Geht er zur Deutschen Bank? Oder doch zur Europäischen Zentralbank? In kleiner Runde soll Bundesbank-Chef Weber jedenfalls seinen Rückzug angedeutet haben. Die Zentralbank schickt eilig Erklärungen raus - und der Euro hat einen kurzen Schwächeanfall.

Bundesbank-Präsident Axel Weber will sich möglicherweise 2012 aus der Notenbank verabschieden. Weber habe in einer vertraulichen Runde am Dienstagabend angedeutet, dass er "nicht unbedingt eine zweite Amtszeit" bei der Deutschen Bundesbank anstrebe, heißt es aus Bundesbank-Kreisen.

Schon lange wird spekuliert, dass Weber den Vorsitz bei der Europäischen Zentralbank übernehmen könnte - oder aber er Ackermann als Chef der Deutschen Bank beerben wird.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Weber haben angesichts der Spekulationen um die Zukunft des Notenbankers telefoniert. Es habe sich um ein vertrauliches Gespräch am späten Vormittag gehandelt, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Zu Inhalten wollte er sich nicht äußern. Wollte der impulsive Bundesbank-Chef einen Schlusstrich unter seine inoffizielle EZB-Kandidatur ziehen?

Die Deutsche Presse-Agentur spekulierte, Weber sei wegen mangelnder Unterstützung von Regierungschefin Angela Merkel amtsmüde.

Als möglich gilt, dass die Kanzlerin in dem kurzfristig anberaumten Gespräch Weber von einem sofortigen Rücktritt aus der Bundesbank abhielt und die Formel gefunden wurde, sich erst 2012 nach Auslaufen seiner Amtszeit in Frankfurt zurückzuziehen. Eine Fährte könnte zur Deutschen Bank führen. Weber gilt jetzt als einer von zwei externen Kandidaten für die Nachfolge von Josef Ackermann, der spätestens im Frühjahr 2013 als Boss von Deutschlands wichtigstem Geldhaus abtritt.

Der 53 Jahre alte Wirtschaftsprofessor führt die Notenbank seit Ende April 2004, seine Amtszeit beträgt acht Jahre. Eine persönliche Erklärung zu den Spekulationen wollte Weber am Mittwoch nicht abgeben.

Die Deutsche Bundesbank hat derweil zurückgewiesen, dass Weber seinen Verzicht auf eine Kandidatur für den Vorsitz der Europäischen Zentralbank ankündigen wolle.

Auch ist zu hören, dass es bislang keine Vereinbarung für einen Wechsel des Notenbankers zur Deutschen Bank gebe. "Ein externer Kandidat ist weiter sehr unwahrscheinlich", sagte eine Person, die mit der Nachfolgefrage bei dem privaten Geldhaus vertraut ist. Die Deutsche Bank lehnte eine Stellungnahme ab.

Überraschung am Markt

Die Bundesbank erklärte dazu lediglich: "Die Deutsche Bundesbank dementiert Gerüchte über eine bevorstehende Mitteilung zur beruflichen Zukunft von Bundesbankpräsident Axel Weber." In Kreisen der Notenbank hieß es, Weber habe in vertraulicher Runde angedeutet, dass er keine zweite Amtszeit bei der Bundesbank anstrebe.

Das Rennen um einen der wichtigsten Posten Europas dürfte also wieder völlig offen sein. Wie in der großen Politik üblich, hängt alles mit allem zusammen. Kein Geheimnis ist, dass Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy, dem die Unabhängigkeit der EZB ein Dorn im Auge ist, den strengen Notenbanker Weber nicht will. Sollte der 2004 von Rot-Grün geholte Weber aus dem Spiel sein, muss das aber nicht zwangsläufig bedeuten, dass die Deutschen leer ausgehen. "Aber natürlich kann der (EZB-Chef) auch deutsch sein", sagte Seibert. Großes Ansehen etwa hat sich Klaus Regling erarbeitet, der als Chef des 440-Milliarden-Euro-Rettungsschirms ESFS unaufgeregt die Feuerwehreinsätze zur Eindämmung der Schuldenkrise managt. Schon seit längerem war im politischen Berlin von Einflüsteren der Eindruck erweckt worden, das Verhältnis von Merkel zum 53-jährigen Ökonom Weber sei abgekühlt. Dessen Anhänger hielten dem entgegen, die Kanzlerin wolle ihn nur nicht zu früh ins EZB-Rennen schicken, um ihn nicht zu verheizen.

In der Schuldenkrise war Weber mit Alleingängen aufgefallen. Er stellte sich offen gegen den EZB-Rat und Trichet, weil er die umstrittenen Käufe von Staatsanleihen für einen Sündenfall hält. Für Unruhe in der Politik sorgten jüngst missverständliche Äußerungen zur Ausweitung des Euro-Rettungsfonds. Zweifel an Webers strategischem und diplomatischem Geschick waren im Vorjahr in der Sarrazin-Affäre aufgekommen.

Regierung und der damals frischgebackene Bundespräsident Christian Wulff waren von seinem Krisenmanagement ziemlich verstimmt. Dem Bundesbank-Präsidenten war Thilo Sarrazins öffentliche Polarisierung des Migration-Themas lange bekannt. Dass er nicht frühzeitig und diskret eine Lösung für sein widerborstiges Vorstandsmitglied fand, sondern den Fall mit ungewissem Ausgang nach Berlin abschob, wurde ihm in der politischen Spitze des Landes angelastet.

Weidmann auf Webers Spuren?

Zu erwarten ist, dass die Politik schon bald Klarheit über Webers Zukunft schafft. Eine lange Hängepartie ist den nervösen Märkten, der EZB und nicht zuletzt der Bundesbank kaum zuzumuten. Und wer führt dann die Bundesbank? Im Kanzleramt sitzt ein Mann, dem Beobachter den Spitzenjob zutrauen. Merkels Wirtschaftsberater Jens Weidmann gehört zum kleinen Zirkel von Spitzenbeamten, die sich in der schwersten Finanzkrise der Nachkriegszeit bewährt haben. Rein biografisch hätte diese Rochade einen besonderen Reiz: Der erst 42-jährige Weidmann studierte einst bei VWL-Professor Weber.

Finanzmarktexperten zeigten sich überrascht. Kornelius Purps von der Unicredit kommentierte: "Wenn Weber nicht für den EZB-Chefposten zur Verfügung steht, ist das eine absolute Überraschung. Ich hätte ihn auf jeden Fall zu den engsten Kandidaten gezählt. Die Auswirkungen auf den Euro dürften sich aber in Grenzen halten, da - egal wer die Leitung übernimmt - eine stabilitätsorientierte Geldpolitik der EZB garantiert sein dürfte. Weber wäre allerdings mit Sicherheit ein Garant für eine besonders stabilitätsorientierte Geldpolitik gewesen."

Am Devisenmarkt rutschte der Euro kurz ab: Die Gemeinschaftswährung fiel auf bis zu 1,3609 Dollar nach 1,3622 Dollar zum US-Vortagesschluss zurück.

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