Börse: Dax mit positiver Jahresbilanz:Heimlicher Höhenflug

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Krise? Welche Krise? Trotz Euroschwäche und Schuldendilemma schlagen sich deutsche Aktien dieses Jahr wacker. Das könnte sogar noch eine Zeit lang so weitergehen.

Catherine Hoffmann

Deutsche Aktien zeigen sich in diesem Jahr von ihrer besten Seite. Trotz des Dämpfers am Montag, als der Leitindex rund zwei Prozent verlor, ist die Bilanz sehr positiv: Der Dax ist zeitweise auf mehr als 6800 Punkte gestiegen, also dorthin, wo er zuletzt im Sommer 2008 stand - kurz bevor die US-Bank Lehman Brothers zusammenbrach und die Finanzkrise die Märkte erschütterte. Die Anleger, so hat es den Anschein, haben die Krise abgehakt.

Mit mehr als 6800 Punkten hat der Dax zeitweise wieder seinen Stand vor der Lehman-Pleite erreicht. (Foto: dpa)

Die Finanznöte in Irland und die teuren Folgen der Schuldenkrise schütteln sie einfach ab. Zeitweise konnte man den unangenehmen Eindruck haben, die Börsianer feiern vor allem das billige Geld der amerikanischen und auch der europäischen Notenbank. Aber reicht das tatsächlich für ein solches Kursfeuerwerk? Immerhin ist der Dax - im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Aktienindizes - in diesem Jahr um rund 15 Prozent gestiegen. Seit dem Tief im März 2009 legte er sogar um beinahe 90 Prozent zu.

Fondsmanager haben bessere Argumente, Aktien zu kaufen, als nur die lockere Geldpolitik. "Deutschland ist im europäischen Vergleich sehr wettbewerbsfähig. Während in anderen Ländern in den vergangenen zehn Jahren die Reallöhne teils kräftig gestiegen sind, blieben sie in Deutschland konstant", sagt Stefan Dudacy, der den Metzler Aktienfonds Deutschland steuert. "Das hat den Unternehmen geholfen." Und noch eine langfristige Entwicklung war gewinnbringend für deutsche Unternehmen: Seit dem Jahr 2000 ist der durchschnittliche Steuersatz von rund 50 auf 30 Prozent gesunken. Die Aktionäre dürften sich darüber freuen, denn das war auch für sie bares Geld.

Solide Staatsfinanzen der Bundesrepublik

"Der Dax schlägt sich schon seit vielen Jahren besser als andere Industrieländerindizes", sagt Matthias Born von der Fondstochter der Allianz. Auch Born führt dafür strukturelle Gründe an. Neben den Wettbewerbsvorteilen deutscher Firmen nennt er die vergleichsweise soliden Staatsfinanzen der Bundesrepublik und die geringe Verschuldung der Verbraucher. Auch in diesen beiden Punkten unterscheidet sich Deutschland wohltuend von den Krisenländern. Das Wachstum in Staaten wie Griechenland, Irland, Portugal oder Spanien war in den guten Jahren nicht nachhaltig.

Unnatürlich niedrige Zinsen und überhöhte Immobilienpreise lösten einen Konsumboom aus. Nachdem die Blase geplatzt war, mussten die Regierungen ihre Banken retten und die Konjunktur stützen. Gleichzeitig brachen die Steuereinnahmen weg, Haushaltsdefizite, Schulden und Zinsen schnellten in die Höhe. Nun muss nach Kräften gespart werden, Gehälter werden gekürzt, Stellen gestrichen, Investitionsvorhaben begraben. Die Folge: Die Mittelmeerländer leiden unter einem Abschwung. Deutschland erlebt dagegen einen ungewohnt kraftvollen Aufschwung, niedrige Zinsen und einen robusten Arbeitsmarkt.

Was die Optimisten an der Börse aber am stärksten beeindruckt, sind die Gewinne der Unternehmen. Der Glaube an anhaltend hohe Profite wiegt derzeit schwerer als alle Zweifel der Pessimisten am Zusammenhalt der Eurozone. "Deutsche Unternehmen haben eine extrem gute Stellung im Export. Die Automobil- und Chemiebranche zum Beispiel profitieren vom Boom in Asien und anderen Schwellenländern", erklärt Fondsmanager Dudacy. "Die gute Umsatz- und Gewinnentwicklung spiegelt sich in den Aktienkursen wider." Dass nun der Euro infolge der Krise schwächelt, hilft den Verkäufern in den Unternehmen zusätzlich.

Vor allem aber punkten sie, weil Deutschland in den vergangenen Jahren seine Konkurrenzfähigkeit massiv verbessern konnte. Das zeigt sich auch an volkswirtschaftlichen Zahlen. In Deutschland liegt die Exportquote gemessen an der Wirtschaftsleistung bei rund 40 Prozent, wenn nur die Warenausfuhr, nicht aber Dienstleistungen betrachtet werden. Andere bedeutende Industrienationen haben eine viel geringere Quote: Frankreich kommt nur auf 21 Prozent, Italien auf rund 23, Großbritannien auf 17 - und die USA nur auf neun Prozent. Deshalb haben sie kaum am starken Wachstum in Asien und Südamerika teil.

"Deutsche Aktien haben weiter Potential"

Wenn also die Wirtschaft in den großen Schwellenländern Brasilien, Indien und China weiter gut läuft, wird auch Deutschland mitgezogen. Das gilt für die Konjunktur wie für die Börse, allzumal die Aktien vernünftig bewertet sind - von Übertreibung keine Spur. Ob eine Aktie billig oder teuer zu haben ist, lässt sich am Kurs-Buchwert-Verhältnis ablesen. Die Quote gibt an, wie weit ein Unternehmen unter oder über seinem bilanziellen Buchwert notiert.

Vereinfacht gesagt, drückt der Buchwert die Summe aller Vermögensgegenstände im Unternehmen abzüglich seiner Verbindlichkeiten aus. Im Durchschnitt der vergangenen 30 Jahre betrug das Kurs-Buchwert-Verhältnis deutscher Aktien 1,8, derzeit liegt es bei 1,4. Daraus errechnen sich Kurschancen von gut 25 Prozent, nur damit die Bewertung wieder den historischen Normalwert erreicht. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommen auch andere Bewertungsmodelle.

Metzler-Experte Dudacy ist deshalb überzeugt: "Deutsche Aktien haben weiter Potential, insbesondere im Vergleich zu den überteuerten deutschen Staatsanleihen. Die Unternehmensgewinne erreichen 2011 mit hoher Wahrscheinlichkeit das Vor-Krisen-Niveau von 2007. Damals stand der Dax bei 8000 Punkten. Dieses Niveau können wir in ein bis zwei Jahren wieder erreichen."

Auch Concentra-Manager Born ist zuversichtlich: "Ich gehe davon aus, dass sich Deutschland weiterhin positiv von anderen Industrieländern abhebt. Der große Schwung, den wir am Aktienmarkt gesehen haben, wird zwar nachlassen, aber es geht weiter aufwärts." Dafür gebe es zwei Gründe: Die Unternehmensgewinne sollen im nächsten Jahr höher sein als in diesem und der Dax sei günstig bewertet.

© SZ vom 30.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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