Deutsche Bank vor Razzia gewarnt:Wenn Vöglein zwitschern

Die Deutsche Bank wurde vor einer Razzia gewarnt. Abgehörte Telefonate lassen vermuten: Unter den Ermittlern der Sicherheitsbehörden gibt es Beamte, die sich der Bank verpflichtet fühlen.

Klaus Ott und Nicolas Richter

Am 27. April hält der Frühling Einzug in Hessen, und ein Angestellter der Deutschen Bank grillt am Abend mit seinen Nachbarn. Um halb neun ruft ihn sein Chef auf dem Handy an und erkundigt sich bei seinem Mitarbeiter, ob der gerade in einem ruhigen Eckchen stehe. Er wolle nur sagen, dass am nächsten Tag die Staatsanwaltschaft ins Büro in Frankfurt kommen könnte. Der Chef weiß auch schon, worum es geht: Um Kohlendioxid nämlich, also um den Handel mit Emissionsrechten. Man müsse aber gar nicht viel machen, wenn "die Typen" kämen. Nur die Hausjuristen rufen und dann eben die Ordner rausrücken.

Deutsche Bank vor Razzia gewarnt - Staatsanwaltschaft ermittelt

Es muss in den Finanzbehörden, bei der Polizei oder der Justiz also mindestens einen Eingeweihten gegeben haben, der die Deutsche Bank vor einer Razzia gewarnt hat.

(Foto: dpa)

Am nächsten Tag hat dann tatsächlich eine Razzia stattgefunden, Polizisten und Steuerfahnder durchsuchten Büros und Wohnungen in ganz Deutschland. Das ist in einem Großverfahren wie diesem nichts Besonderes; sehr eigentümlich ist es allerdings, wenn die Durchsuchten vorher Bescheid wissen und sich darauf einstellen können. Schließlich bringen Razzien ja gerade deswegen den Ermittlern Beweismaterial ein, weil die Aktionen für die Verdächtigen völlig überraschend geschehen. Es muss in den Finanzbehörden, bei der Polizei oder der Justiz also mindestens einen Eingeweihten gegeben haben, der das Institut gewarnt hat. Dies wäre eine Verletzung des Dienstgeheimnisses und damit eine Straftat. Die Justiz ermittelt bereits; sie sucht nach der undichten Stelle.

Der Vorfall verdeutlicht die besondere Rolle des Weltkonzerns Deutsche Bank in Hessen und darüber hinaus. Nicht, dass das Institut vor jedem staatlichen Zugriff geschützt wäre, schließlich gehen die Ermittler gerade in diesem Fall eifrig gegen die Bank vor. Wenn das Institut aber vor einer Razzia gewarnt wird, muss es im Kreise der Sicherheitsbehörden Beamte geben, die sich dem Geldhaus verpflichtet fühlen.

Das Gespräch am Grillabend zwischen dem Mitarbeiter der Deutschen Bank und seinem Chef haben die Ermittler abgehört und protokolliert. Die beiden Männer und weitere Kollegen innerhalb der Deutschen Bank sollen in großem Stil Steuerhinterziehung gefördert haben. Es war nicht das einzige verräterische Telefonat. Ebenfalls am 27. April, etwas früher gegen halb acht, unterhalten sich schon zwei andere Mitarbeiter des Finanzinstituts über die bevorstehende Razzia. Einer von ihnen sagt, er habe intern einen Tipp bekommen. Demnach werde eventuell am nächsten Tag das Landeskriminalamt auftauchen wegen der Prüfung zum Emissionshandel.

Einer von beiden ruft sogleich einen weiteren Kollegen an und fragt, wen er denn in der Bank einschalten müsse, wenn Fahnder kämen. Wieso, fragt der Kollege zurück, ob denn schon Besuch da sei. Der Anrufer antwortet, ein Vögelchen meine, es könne bald passieren. Abgehört werden an diesem Abend Telefonate zwischen insgesamt fünf Mitarbeitern der Deutschen Bank. Einer will gehört haben, am nächsten Tag würden auch die Commerzbank und die BHF-Bank durchsucht, was dann tatsächlich der Fall ist. Die Mitarbeiter der Deutschen Bank haben also sogar Hinweise auf Razzien bei der Konkurrenz.

Die Angestellten bereden noch mehr. Etwa, dass Durchsuchungen üblicherweise morgens um acht stattfinden, weil die Betroffenen dann nicht vorbereitet seien- was in diesem Fall besonders komisch klingt. Einer der Bank-Angestellten sagt auch, man solle auf keinen Fall den Eindruck erwecken, dass man mit dem Besuch gerechnet habe. Man solle den Ermittlern nicht sagen, dass man auf sie gewartet habe. Die Telefonate enthalten keinen Hinweis darauf, dass die Banker Aussagen abgesprochen oder gar verabredet hätten, Akten verschwinden zu lassen. Sie vereinbaren nur, auswärtige Termine abzusagen, um während der Razzia im Haus zu sein.

Das Telefonat beim Grillen immerhin erweckt den Eindruck, dass der Mitarbeiter und sein Chef kein ganz reines Gewissen hatten. Der Mitarbeiter hält die bevorstehende Razzia sogar für etwas Gutes, denn dann habe man es hinter sich gebracht, und die Ungewissheit sei weg. Der Chef sagt, er wisse nicht, was die Konsequenz sein werde, ob man jetzt nicht mehr mit Emissionsrechten handeln solle oder dürfe. Der Wortwechsel lässt vermuten, dass beiden schon länger ein bisschen mulmig war.

Man könnte spekulieren, dass die Behörden die Kunde von der bevorstehenden Durchsuchung absichtlich gestreut haben, um herauszufinden, wie die Verdächtigen bei den abgehörten Telefonaten darauf reagieren - und ob sie sich dabei vielleicht sogar selbst verraten. Aber für eine solche Taktik gibt es keinen konkreten Hinweis. Die Justiz vermutet ein Leck bei den Behörden.

Am Morgen des 28. April ruft einer der gut informierten Banker noch einen Kollegen an und warnt, "die" seien jetzt unterwegs. Der Kollege erwidert, sie seien schon da.

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