Süddeutsche Zeitung

Deutsche Bank: Spitzelskandal:Eine verhängnisvolle Affäre

Neues vom Spitzelskandal bei der Deutschen Bank: Die mit der Aufklärung beauftragte Kanzlei soll von vier Fällen ausgehen. Die Rolle von Aufsichtsratschef Clemens Börsig ist unklar.

Martin Hesse

Als Michael Bohndorf am 1. Juni 2006 an das für die Aktionäre der Deutschen Bank vorgesehene Rednerpult in der Frankfurter Messehalle tritt, wird es unruhig im Publikum. Der Anwalt, der die Ferieninsel Ibiza als Wohnort gewählt hat, ist hier bekannt dafür, Dutzende unangenehme Fragen auf Vorstand und Aufsichtsrat der Bank abzufeuern.

Diesmal fordert er unverblümt, den Aufsichtsratschef Clemens Börsig als Versammlungsleiter abzuberufen. Der knorrige Banker blickt irritiert, der Antrag wird kurz darauf abgeschmettert. Doch damit ist der Fall nicht erledigt. Drei Jahre später holt Börsig die Episode ein, die Ausgangspunkt für die Spitzelaffäre bei der Deutschen Bank ist.

Das damalige Treffen war Börsigs erste Hauptversammlung als Aufsichtsratschef, wenige Wochen zuvor war er aus dem Vorstand an die Spitze des Kontrollgremiums gewechselt, was nach Ansicht Bohndorfs nicht sauber abgelaufen war.

Jede Verbindung stets bestritten

Kurz darauf besprach Börsig den Verlauf des Aktionärstreffens mit Mitarbeitern, unter anderem mit dem Chef der Abteilung Investor Relations, Wolfram Schmitt. Wer denn dieser Bohndorf sei, soll Börsig sinngemäß gefragt haben. Er wolle mehr über ihn wissen; etwa, ob es eine Verbindung zu den Anwälten des Medienunternehmers Leo Kirch gebe, die der Deutschen Bank seit Jahren ähnlich zusetzten wie Bohndorf.

Sowohl Bohndorf als auch die Kirch-Leute haben jede Verbindung stets bestritten. Was genau gab Börsig dem obersten Aktionärsbetreuer Schmitt mit auf den Weg? Beauftragte er ihn, Bohndorf zu bespitzeln? Oder schossen Schmitt und die von ihm beauftragte Detektei Bühner Private Risk Advisors, beziehungsweise als Subunternehmer eine weitere Detektei namens Desa, über das Ziel hinaus?

Am 22. Mai dieses Jahres machte die Deutsche Bank publik, dass sie eine Kanzlei sowie die Finanzaufsicht Bafin beauftragt habe, mögliche Verstöße gegen die Konzernsicherheit zu untersuchen.

Der Bericht der Kanzlei, es handelt sich um die amerikanische Sozietät Cleary, Gottlieb, Steen & Hamilton, soll in wenigen Tagen vorliegen. Schon jetzt kursieren in Finanzkreisen erste Ergebnisse. Demnach soll es um vier Verstöße in den vergangenen zehn Jahren gehen.

Verdacht erwies sich als falsch

Neben Bohndorf sollen Vorstandsmitglied Hermann-Josef Lamberti und eine Person im Umfeld des Vorstands bespitzelt worden sein sowie in früheren Jahren das ehemalige Aufsichtsratsmitglied Gerland Herrmann. Der Gewerkschafter war bespitzelt worden, weil die Bank den Verdacht hatte, Herrmann habe 2001 Quartalszahlen vorzeitig an die Öffentlichkeit gebracht.

Der Verdacht erwies sich als falsch. Unklar ist bislang, wer damals die Überprüfung Hermanns veranlasste. Noch dubioser klingt, was in Finanzkreisen über die Bespitzelung des IT-Vorstandes Lamberti zu hören ist. Die Detektei Desa soll beauftragt gewesen sein, dort einen Sicherheitstest zu machen. So hätten die Desa-Leute beispielsweise einen Peilsender an Lambertis Auto angebracht.

Lesen Sie auf der zweiten Seite, welche Konsequenzen die Deutsche Bank bisher gezogen hat.

Ob die Detektive in den Fällen Lamberti und Bohndorf zu weit gegangen sind, prüft nun die hessische Datenschutzbehörde beim Regierungspräsidium in Darmstadt. Sie erhielt von der Deutschen Bank einen neunseitigen Zwischenbericht. Sie geht dem Verdacht nach, es könnten Ordnungswidrigkeiten vorliegen und hat die Staatsanwaltschaft aufgefordert zu prüfen, ob diese beiden Fälle auch strafrechtlich relevant sein könnten.

Sollten die Staatsanwälte Ermittlungen aufnehmen, würden diese sich zunächst gegen Mitarbeiter der beiden Sicherheitsfirmen richten, die möglicherweise gegen Datenschutzgesetze verstoßen haben. Anschließend könnte sich für die Ermittler aber auch die Frage stellen, ob der Sicherheitschef der Deutschen Bank für Deutschland, Rafael Schenz, die Detektive zu ihren Taten angestiftet oder Beihilfe geleistet hat.

Die Frage nach dem Bauernopfer

Die Deutsche Bank hat erste Konsequenzen gezogen, auch wenn die juristischen Fragen noch ungeklärt sind. Zwar äußert sich das Institut zu dem Thema nicht. In Finanzkreisen heißt es jedoch, sie habe Schenz und auch IR-Chef Wolfram Schmitt entlassen.

Die Bank wirft den beiden Managern offenbar vor, sie hätten zumindest Berichtspflichten verletzt und den Vorstand nicht über die Ausspähaktionen informiert. Vor allem die Entlassung Schmitts sorgt in der Finanzwelt für Wirbel. Er pflegte viele Jahre lang den Kontakt zu den Aktionären der Bank und galt bei Anteilseignern und Analysten als beliebt. "Natürlich wirft das die Frage auf, ob Schmitt ein Bauernopfer ist", sagt ein Analyst.

Ein Bauernopfer für wen? Hier schließt sich der Kreis zu Clemens Börsig und dem Juni 2006. Die Kanzlei Cleary Gottlieb ist offenbar in ihrem Bericht zu keinem klaren Ergebnis gekommen, ob Börsig Schmitt mit der Bespitzelung Bohndorfs beauftragt hat.

Es heißt, beide interpretierten den Verlauf ihres Gesprächs nach der Hauptversammlung 2006 unterschiedlich. Weiterhin ist in Finanzkreisen zu hören, Börsig habe sich später einmal über die Ergebnisse der Ermittlungen Schmitts unterrichten lassen. Ob er von den Methoden der Detektive wusste, ist nicht bekannt. Bohndorf sagte dem Spiegel, die Bank habe eine 23-jährige Brasilianerin als Lockvogel auf ihn angesetzt. In dem Bericht der Kanzlei soll bisher dagegen nur die Rede von männlichen Ermittlern sein.

Weiter unter Druck

Mit den übrigen Spitzelfällen soll Börsig gar nichts zu tun haben. Doch die Causa Bohndorf reicht, um ihn weiter unter Druck zu setzen. In Finanzkreisen wird eine Verbindung zwischen dem Bekanntwerden der Spitzelaffäre gesehen und dem Versuch Börsigs, Josef Ackermann als Vorstandschef zu beerben. Börsig war damit an Widerständen aus dem Aufsichtsrat gescheitert.

Es heißt, mancher Vorstand und Teile des Aufsichtsrates sähen gerne einen Rücktritt Börsigs, auch wenn das Kontrollgremium ihm bei der letzten Hauptversammlung Ende Mai das Vertrauen aussprach. Der Vorstand, der Schmitt und Schenz entließ, könnte gegen den Aufsichtsrat nicht vorgehen, selbst wenn er es wollte.

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SZ vom 22.07.2009/pak
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