Deutsche Bank: Spitzelskandal:Ein unwürdiges Institut

Die Spitzelaffäre im Ackermann-Konzern offenbart eine Führungskrise: Die Deutsche Bank verniedlicht die Vorgänge, wäscht den Vorstand rein und bleibt Erklärungen schuldig.

Martin Hesse

Wenn die größte deutsche Bank Aufsichtsräte, Vorstandsmitglieder und Aktionäre ausforschen lässt, so ist das ein Skandal. Das könnte unter all dem Zuckerguss, den die Deutsche Bank über ihre Spitzelaffäre gießt, übersehen werden. Zwar handelt es sich nach den bisherigen Erkenntnissen, die die Bank jetzt veröffentlicht hat, nur um eine Handvoll Fälle im Laufe von zehn Jahren. Der Finanzkonzern sammelte anders als Telekom und Bahn nicht systematisch Informationen über Leute in und um das Unternehmen. Doch die Bank setzte offenbar in den wenigen Fällen drastische Mittel ein, ließ Bewegungsprofile erstellen und schickte Detektive los.

Deutsche Bank: Spitzelskandal: Die Deutsche Bank: Sie setzte offenbar drastische Mittel ein, ließ Bewegungsprofile erstellen und schickte Detektive los.

Die Deutsche Bank: Sie setzte offenbar drastische Mittel ein, ließ Bewegungsprofile erstellen und schickte Detektive los.

(Foto: Foto: dpa)

Fortsetzung des Machtkampfes

Vor allem aber hat die Bank bisher nicht geklärt, wer für die Vorgänge verantwortlich ist. Vielmehr setzt sie alles daran, den Vorstand des Konzerns reinzuwaschen. Zugleich deutet der Bericht der von der Deutschen Bank beauftragten Kanzlei eine Mitverantwortung des Aufsichtsratsvorsitzenden Clemens Börsig in einem der Fälle an. Ob dieser wirklich verantwortlich für die Bespitzelung des kritischen Aktionärs Michael Bohndorf ist, bleibt offen. Wenn es so sein sollte, müsste er zurücktreten. Aber selbst wenn diese Frage nicht zu klären ist, bleibt der Eindruck, dass es in der Spitzelaffäre um die Fortsetzung eines Machtkampfes mit anderen Mitteln geht.

Kurz bevor die Deutsche Bank mit ihrer Datenaffäre an die Öffentlichkeit ging, war Börsig mit dem Versuch gescheitert, Vorstandschef Josef Ackermann zu beerben. Statt einen Nachfolger aus dem Vorstand oder von außen zu präsentieren, wie es seine Aufgabe als Aufsichtsratschef gewesen wäre, brachte er sich selbst ins Spiel. Der Putsch endete mit der Vertragsverlängerung Ackermanns. Doch statt die Konsequenz zu ziehen und zurückzutreten, verharrte Börsig auf seinem Posten. In Vorstand und Aufsichtsrat ist er seither umstritten. Kaum vorstellbar, dass er noch einmal die Nachfolge Ackermanns regeln kann.

Fader Beigeschmack

Im günstigsten Fall ist es reiner Zufall, dass der Bankvorstand gerade in diesem Moment auf Verdachtsmomente stieß, die auf eine mögliche Spitzelaffäre hindeuteten. Dann ist das Management um Ackermann zu loben, dass es rasch an die Öffentlichkeit ging und die Finanzaufsicht informierte.

Doch eine sinnvolle Erklärung, warum Vorgänge aus den Jahren 2001, 2006 und 2007 erst jetzt das Misstrauen des Vorstandes weckten, ist die Deutsche Bank bisher schuldig geblieben. Der fade Beigeschmack, dass die Geschichte gezielt lanciert wurde, um Börsig wegen seines Putschversuches zu diskreditieren, wird durch die Art und Weise verstärkt, wie die Bank dies jetzt in ihrem Zwischenbericht kleinredet und die Verantwortlichkeiten dafür verteilt.

Auf der nächsten Seite: Warum es sich die Deutsche Bank vor allem mit der Reinwaschung des Vorstands zu einfach macht.

Spur in die Führungsetage

Verniedlichte Vorgänge

Es ist in Ordnung wenn die Bank darauf verweist, es handle sich um "isolierte Vorgänge" und es gebe kein "systematisches Fehlverhalten". Nach heutigem Erkenntnisstand ist das so. Doch sie verniedlicht die Vorgänge, indem sie betont, den Nachforschungen hätten legitime Absichten zugrunde gelegen, etwa der Sicherheitsschutz der Vorstände.

Vor allem aber mit der Reinwaschung des Vorstands macht es sich die Deutsche Bank zu leicht. Keiner soll von den Verstößen gewusst haben, zu rechtlich bedenklichen Aktivitäten kam es nur durch die beauftragten Dienstleister. Die einzige Spur in die Führungsetage führt zu Börsig. Er mag die Überwachung des Aktionärs Bohndorf veranlasst haben. Verantwortlich für die Konzernsicherheit war in den fraglichen Jahren nicht er, sondern sein Vorgänger Thomas Fischer und sein Nachfolger Hugo Bänziger.

Was bleibt, ist ein nicht erst durch die Spitzelaffäre desavouierter Aufsichtsratschef. Und ein Vorstand, der entweder Mitverantwortung für die Vorgänge trägt oder nicht weiß, was einige seiner hochrangigen Mitarbeiter und deren Dienstleister tun, und der den Eindruck erweckt, er wolle sich seines Chefkontrolleurs entledigen. Und es bleibt ein Bankchef Ackermann, der mächtiger ist als je zuvor und doch mitten in der Finanzkrise mit einem Führungsproblem zu kämpfen hat. Der einzigen international bedeutenden deutschen Bank ist all das unwürdig.

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