Deutsche Bank: Spitzelaffäre:Größenwahn und Paranoia

In der Geschichte des Verrats sind weibliche Lockvögel gut bekannt: Die Deutsche Bank setzte offenbar attraktive Damen ein. Ihr Hauptziel war es, Leute zu erledigen, die unbequem geworden waren.

H. Leyendecker und K. Ott

Die Geschichte des Verrats ist voller weiblicher Lockvögel. Die bekannteste Spionin war die Nackttänzerin Mata Hari, die vor knapp hundert Jahren aufregende Geheimnisse an die Deutschen verriet und hingerichtet wurde. Solche Agentinnen, das war schon vor Mata Hari so, müssen gut aussehen und zu vielem bereit sein. So ließen externe Sicherheitsberater der Deutschen Bank im Sommer 2006 nach einer Juristin fahnden, die attraktiv und gewinnend sei. Sie sollte auf die Münchner Kanzlei Bub Gauweiler & Partner angesetzt werden.

Deutsche Bank: Spitzelaffäre: Die Deutsche Bank: Der Spitzel-Skandal des größten deutschen Geldhauses wird von der Öffentlichkeit immer noch als interne Firmenangelegenheit betrachtet.

Die Deutsche Bank: Der Spitzel-Skandal des größten deutschen Geldhauses wird von der Öffentlichkeit immer noch als interne Firmenangelegenheit betrachtet.

(Foto: SZ-Grafik)

Eine junge Dame stellte sich denn auch der am Promenadeplatz 9 zu München gelegenen Kanzlei vor. Der Anwalt Franz Enderle , Spezialist für Gesellschafts- und Bankrecht, suchte eine neue Assistentin. Der 48-jährige Jurist kümmert sich um das Mandat von Leo Kirch, der seit Jahren im heftigen Streit mit der Deutschen Bank liegt und von dem Geldhaus Schadenersatz in Milliardenhöhe verlangt. Bei Enderle mal zu stöbern, wäre für ein paar Leute bei der Deutschen Bank ein großes Vergnügen gewesen: Auf dem Schreibtisch der jungen Dame wären ganz bestimmt auch die Kirch-Akten gelandet.

Aufreizende Juristin

Die aufreizende Juristin kam dann doch nicht zum Einsatz, und die Kanzlei konnte, wie auch sonst, das Mandatsgeheimnis wahren. Strafrechtlich betrachtet hätte die Ausspähung der Daten vermutlich die Voraussetzungen des Paragrafen 203 des Strafgesetzbuches erfüllt: Verletzung von Privatgeheimnissen. Die Praktikantin wäre als berufsmäßig tätige Gehilfin einzustufen gewesen, selbst wenn sie sehr attraktiv ist. Der Versuch allein aber ist nicht strafbar.

Der frühere bayerische Staatsminister und heutige CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler, einer der Partner der Kanzlei, kommentiert den Vorgang so: "Was sich die Deutsche Bank geleistet hat, geht offensichtlich über den Fall Telekom hinaus." Diese Sicht ist - in Teilen zumindest - nachzuvollziehen.

Machtkampf an der Konzernspitze

In den vergangenen Monaten hat die Republik viele Ausspäh-Skandale erlebt, die von Größenwahn und Paranoia geprägt waren: Telekom, Bahn, Lidl sind nur einige Namen, und jede dieser Einrichtungen hatte ihr eigenes Milieu, ihr Aroma. Auffallend ist aber, dass der Spitzel-Skandal des größten deutschen Geldhauses von der Öffentlichkeit immer noch als eine Art interne Firmenangelegenheit betrachtet wird.

Das mag damit zusammenhängen, dass die Datenaffäre auch ein Instrument im Machtkampf an der Konzernspitze ist. Weil der umstrittene Aufsichtsratschef der Bank, Clemens Börsig, offenkundig zumindest bei einer der Späh-Aktionen eine Rolle spielte, wird mehr über den Kontrollfreak diskutiert als über den Skandal. Vorstandschef Josef Ackermann gibt übrigens den Aufklärer in dem Schmierenstück.

Auf der nächsten Seite: Der gedämpfte Ton, in dem die Spitzelaffäre behandelt wird, führrt leicht in die Irre: Die Manieren der Bank-Helfer waren wirklich mies.

Miese Manieren

Weibliche Spione

Nach derzeitigem Stand ist die Affäre der Deutschen Bank zahlenmäßig nicht mit den Skandalen der anderen Spitzel-Unternehmen zu vergleichen. Wie das Geldhaus mitteilte, hätten eingeschaltete Anwälte lediglich "vier Fälle mit Aktivitäten identifiziert, bei denen es Zweifel an der Rechtmäßigkeit" gegeben habe.

Das ist sehr diplomatisch und geschäftsmäßig formuliert. Der gedämpfte Ton führt leicht in die Irre, denn die Manieren der Bank-Helfer waren wirklich mies. In keinem anderen Fall der jüngeren Zeit haben Sicherheitsleute so auf weibliche Spione gesetzt wie die von der Bank beauftragten Subunternehmer.

Aufmüpfiger Aktionär

Noch mehr als im Fall der bezaubernden Juristin ist dieses Vorgehen am Fall des auf Ibiza lebenden Anwalts Michael Bohndorf nachzuvollziehen, der immer wieder mal auf Hauptversammlungen der Deutschen Bank durch kritische Fragen auffiel. Bei der Hauptversammlung im Juni 2006 beispielsweise schob sich Bohndorf die Sonnenbrille ins Haar, um Platz für die Lesebrille zu schaffen. Dann wollte er durchsetzen, dass der neue Aufsichtsratschef Clemens Börsig als Versammlungsleiter abgewählt wird.

Sein Antrag erhielt nur die Zustimmung von 0,32 Prozent der Anwesenden, aber immerhin. Sicherheitsleute der Bank bekamen den Auftrag, sich um den aufmüpfigen Aktionär zu kümmern, und die schalteten dann wieder Detekteien ein: Die Methode Mata Hari kam erneut zum Zuge: Diesmal handelte es sich bei der Dame um eine 23 Jahre junge Brasilianerin, die in einem Café auf der Insel den damals 66 Jahre alten Bohndorf anmachte. Das kam dem Anwalt, dem wenig Menschliches fremd geblieben ist, zwar komisch vor, aber das Zusammensein daheim fand statt.

Hysterische und paranoide Züge

Seltsam nur, dass sie nebenbei so merkwürdige Fragen stellte. Später sollen sich die beiden noch einige Male getroffen haben. Auch sollen zwei Detektive als Touristen getarnt in seinem Anwesen auf Ibiza gewohnt haben. Bohndorf vermietet schon mal ein paar Zimmer.

Solcher Aufwand wegen eines kritischen Aktionärs zeigt, dass die Ausspähaffäre der Deutschen Bank voller hysterischer und paranoider Züge ist. Die Verfolgungswut war noch größer als bei den anderen Spitzel-Firmen, und die waren nicht zimperlich gewesen.

Auf der nächsten Seite: Wie die Spitzelskandale der jüngesten Zeit zeigen, dass große deutsche Unternehmen ein Schattenreich nach eigenem Recht geschaffen haben.

Es ging um Geld, viel Geld

Medien-Mogul Leo Kirch als Feind

Noch einmal zur Erinnerung: Die Deutsche Bahn spähte E-Mails und Kontoverbindungen von Mitarbeitern aus, um auf Korruptionsfälle zu stoßen oder um hausinterne Kritiker mundtot zu machen und kritische Journalisten draußen zu halten. Lidl überwachte Mitarbeiter ohne deren Wissen mit Kameras. Die Telekom ließ Verbindungsdaten prüfen, um Informationslecks zu entdecken, und stellte sogar Vorstandsmitgliedern nach. Die Fälle zeigen, dass große deutsche Unternehmen ein Schattenreich nach eigenem Recht geschaffen haben und sich über alle Maßen um ihre Geschäftsgeheimnisse sorgten.

Die Angriffe auf Gauweilers Kanzlei und auf den in Ibiza lebenden Aktionär dienten aber nicht nur der Absicherung der eigenen Macht, sondern waren Attacken im Wortsinn: der Gegner sollte erledigt werden. Der Feind war vor allem der einstige Medien-Mogul Leo Kirch, den die Gauweiler-Kanzlei seit Jahren vertritt. Einige Deutsch-Banker vermuten, trotz aller Dementis der Beteiligten, dass Kirchs Leute irgendwie mit Bohndorf unter einer Decke steckten. Es ging also um Geld, viel Geld. Damals arbeitete die Kanzlei daran, Kirchs Schadenersatzforderungen gegenüber der Deutschen Bank auf mehr als zwei Milliarden Euro zu erhöhen.

Ein "Störgefühl"

Aber die Bank gibt sich heute noch harmlos. Sie versucht gegenüber dem Regierungspräsidium Darmstadt, das sich um die Aufklärung der Datenaffäre bemüht, die Angelegenheit herunterzuspielen. Die Bank versicherte neulich, sie habe niemals versucht, die Polizei, das Landeskriminalamt oder gar den Verfassungsschutz anzuzapfen. In einem Fall habe man zwar mal mit der Polizei wegen eines bestimmten Fotos gesprochen, aber dann sei eine externe Firma beauftragt worden, das Bild zu beschaffen.

Auch sollen einige Bank-Manager das Vorhaben, eine Spionin bei der Kanzlei Gauweiler einzuschleusen, empört abgelehnt haben. Einer der Beteiligten erzählte später, er habe ein "Störgefühl" gehabt.

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