Süddeutsche Zeitung

Deutsche Bank: Las Vegas:Kasino-Kapitalismus

Nach drei Jahren Krise endlich wieder eine Party: Die Deutsche Bank eröffnet ihr Luxusressort mit angeschlossener Spielhölle - mitten in Las Vegas.

Moritz Koch, Las Vegas

Der alltägliche Irrsinn gipfelt bei Anbruch der Dunkelheit. Vor dem Treasure Island donnern die Kanonen der Piratenschiffe. Auf den putzmittelblauen Kanälen des Venetian schmettern Gondolieri ihre Arien. Das Mirage buhlt mit einem Feuer spuckenden Vulkan um die Blicke der Passanten und nebenan tanzen die Wasserfontänen des Bellagio im Takt von Weihnachtsliedern.

Bei all dem Brimborium, umrahmt von den Freizeitpark-Kulissen, soll der Reiz des Neuen in schlichter Eleganz liegen - und, wie es scheint, in spießigen Details. Stiefmütterchen umsäumen das Palmenbeet, hinter dem die Zwillingstürme des Cosmopolitan in den Nachthimmel ragen. Nur ein paar blaue Halogenstreifen verzieren die Fassade aus Glas und Stahl. Zurückhaltung ist zur Attraktion geworden auf dem Strip, der Vergnügungsmeile von Las Vegas, die unaufhörlich blitzt und blinkt. Mit seinen strengen Kanten würde der Neubau auch ins Frankfurter Bankenviertel passen. Womit das Thema schon angeschnitten wäre. Das Cosmopolitan ist nicht irgendein Hotel. Es ist ein Luxusressort mit angeschlossener Spielhölle - und es gehört der Deutschen Bank, jenem Finanzkonzern, der sich gern als Inbegriff der Seriosität und Hort der Stabilität sieht.

Am Mittwoch wurde das Cosmopolitan eröffnet. Monatelang hatte die Stadt diesem Moment entgegengefiebert. Nach drei Jahren Krise endlich wieder eine Party. Nun hat Las Vegas 3000 Zimmer, 1500 einarmige Banditen, 13 Restaurants und ein Einkaufszentrum mehr. Und die Deutsche Bank hat im günstigsten Fall ein Image-Problem und wenn es schlecht läuft, ein Milliardenloch in der Bilanz. Mit aller Macht kämpft die Finanzbranche gegen ihren schlechten Ruf. Verzweifelt versuchen die Banken dem Eindruck entgegenzuwirken, sie seien Spielstätten für Milliarden-Zocker. Und was macht Deutschlands größtes Kreditinstitut? Es meißelt den Kasino-Kapitalismus in Stein.

Christine und Sheldon Smith interessiert nicht, welch feine Ironie in dem Luxusbau verewigt wurde, vor dem sie stehen. Das Rentnerpaar aus Las Vegas sammelt Kasino-Chips. Die Sonderprägungen des Eröffnungstages sind bei Kennern besonders begehrt. "Ich habe heute extra zwei Sparbücher leer geräumt, insgesamt 900 Dollar", sagt Sheldon. Ein paar Chips will er zu Hause einrahmen, den Rest verkaufen, wenn ihr Wert gestiegen ist. "Das ist wie bei einem Rolls Royce", glaubt Sheldon. Eine knappe Stunde warten die Smiths schon, Sheldon im Kapuzenpulli, Christine in Strickjacke, bestickt mit Cocktailgläsern. Endlich stoßen die Wachleute die Türen des Cosmopolitan auf. Drinnen dröhnen Elektrobeats. Überall funkelt es. Die Smiths drängen sich an Geschäften und Spieltischen vorbei zur Lobby. Hier hängt der große Hingucker des Hotels: ein Kronleuchter aus zwei Millionen Kristallen. Über zwei Stockwerke reicht er und in seiner Mitte stolzieren Kellnerinnen in schwarzen Miniröcken vor einer Bar umher. "Toll sieht es aus", sagt Christine. "So europäisch. Die Deutsche Bank kann stolz auf ihr Kasino sein."

Aber ist sie es auch? Es ist auffällig, dass kein hochrangiger Banker sich am Mittwoch in Las Vegas blicken lässt. Ebenso bezeichnend ist die knappe Pressemitteilung, in der sich die Deutsche Bank verschämt als "ein finanzieller Investor in dem Projekt" bezeichnet. Dabei ist sie der alleinige Eigentümer. Die 5000 Angestellten des Cosmopolitan - vom Pagen bis zum Hotelmanager - sind Teil der Frankfurter Firmenfamilie. "Was in Vegas passiert, bleibt in Vegas", heißt es. Künftig lässt es sich an den Kursausschlägen der Deutsche-Bank-Aktie ablesen. Schon scherzen die Investmentbanker bei der Deutschen Bank in New York, dass ihre Gehaltsprämien bald in Kasino-Chips ausgezahlt werden.

Zur Korrektur gezwungen

Auch für Las Vegas ist die Eröffnung des Cosmopolitan ein Einschnitt. Das Hotel könnte ein neues Kapitel in der Geschichte der Laster-Oase einleiten. Einst regierte hier die Mafia. Dann übernahmen Großunternehmen wie MGM Mirage und Las Vegas Sands das Geschäft. Nun versucht die Hochfinanz ihr Glück in der Wüste von Nevada.Die Deutsche Bank spielt mit hohem Einsatz. Vier Milliarden Dollar hat sie in den Bau des Cosmopolitan gesteckt. Genug, um Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann und seine Führungsriege in arge Verlegenheit zu bringen, sollte das Investment scheitern. Als hätten die Frankfurter nicht schon genug Sorgen. Da ist die Krise der Eurozone, die Sorge um die Stabilität des gesamten europäischen Bankensystems. Da sind die neuen Kapitalvorschriften und Finanzgesetze, die die Branche zur Korrektur ihres Geschäftsmodells zwingen. Ausgerechnet in einer so ernsten Lage stellt sich heraus, dass die Deutsche Bank eine Milliardenwette auf die Spielerstadt Las Vegas abgeschlossen hat.

Hohn und Spott sind den Frankfurtern gewiss. Man sagt ja ohnehin, dass sich die Handelssäle der Finanzkonzerne in Wettbüros verwandelt haben. Wenn man auf die Preise von Öl, Gold, Weizen setzen kann, warum nicht auf Rot, Schwarz oder drei Sonnen? Zyniker haben am Cosmopolitan ihre helle Freude. Wie ein Gelegenheitszocker, der schleichend der Spielsucht verfällt, rutsche der Finanzkonzern in sein Vegas-Wagnis hinein. Anfangs tat die Bank nur das, was Banken tun sollen: Sie vergab einen Kredit und ging ein kalkulierbares Risiko ein. Der Gläubiger war der Bauunternehmer Ian Bruce Eichner, 60 Millionen Dollar lieh er sich zunächst. Doch Las Vegas boomte. Jahr für Jahr lockten die Kasinos mehr Spieler an. Der Preis für den Bau des Cosmopolitan stieg, und mit ihm die Kredite, die die Deutschen Bank gewährte. Keinesfalls wollten die Frankfurter die Wüsten-Party verpassen.

Niemand glaubte, dass die Glückssträhne jemals enden würde. 100 Jahre ungebrochenes Wachstum hatte die Kasinobranche hinter sich, und warum sollte es jemals anders sein? Die banale Erkenntnis, dass die Vergangenheit die Zukunft nicht bestimmen kann, wurde für Las Vegas zu einer bitteren Lektion. Die Krise hat das Stadtbild vernarbt und die Arbeitslosenquote auf Depressionsniveau geschickt. Halbfertige Hotels und verwaiste Baustellen zeugen davon, wie schnell sich das Glück wendete, als die ersten Bauherren Pleite gingen.

2008 erklärte auch Ian Eichner seinen Bankrott, doch da hatte er sich bereits fast eine Milliarde Dollar von der Deutschen Bank geliehen. Die Frankfurter standen vor einer Entscheidung: aufhören und abschreiben oder weiterspielen und Daumen drücken? Schließlich taten sie, was viele Spieler in Las Vegas tun und die meisten nachher bereuen. Sie verdoppelten ihren Einsatz. Und als das nicht reichte, verdreifachten sie ihn.

Kein anderer Investor war auch annähernd so kühn. Nicht einmal der Milliardär Carl Icahn, der für seine riskanten Geschäfte berüchtigt ist. Icahn kaufte vor einem Jahr das beinahe fertig gestellte Hotel und Kasino Fontainebleau, nicht weit vom Cosmopolitan entfernt. Die Schicksale von Fontainebleau und Cosmopolitan könnten unterschiedlicher kaum sein - und gerade das sollte Deutsche-Bank-Aktionären zu denken geben. Icahn kennt sich aus im Glücksspielgeschäft. Die Deutsche Bank nicht. 150 Millionen Dollar zahlte er, doch statt den Rohbau zu vollenden, schlachtete Icahn ihn aus. Selbst die bereits eingebauten Toiletten verscherbelte er.

Die Deutsche Bank hingegen entschied sich, das halbfertige Cosmopolitan von Eichner zu übernehmen. Die ursprünglichen Pläne für rockende Riesenroboter in der Eingangshalle verwarfen die Frankfurter und heuerten den Innenarchitekten David Rockwell an, um das Ressort in einen Luxustempel zu verwandeln, in ein Kasino à la Ackermann.

Eine Milliarde Dollar schon abgeschrieben

Dank der Kapitaltransfers aus Frankfurt darf Las Vegas mit dem Cosmopolitan einen stadtplanerischen Wandel fortschreiben, den es vor einem Jahr mit dem "City Center" begonnen hat. Der Hochhauskomplex sollte der Kulissenlandschaft am Strip einen urbanen Kontrast entgegensetzen. Stararchitekten wie Norman Foster, Daniel Libeskind und Helmut Jahn wurden damit beauftragt, um der Partymeile Prestige und Seriosität zu verleihen. Doch auch das half nichts gegen die Krise. Das City Center verdient gerade genug, um die Personalkosten und die Rechnungen für Strom, Wasser und Klimaanlagen zu begleichen. Gewinnaussichten? Fehlanzeige. Nicht mal für die Schuldentilgung reicht es. Vom Pool des Cosmopolitan hat man einen herrlichen Blick auf das halbleere Menetekel. 8,5 Milliarden Dollar haben MGM und Dubai World in das City Center gesteckt. Nur noch ein Bruchteil dessen ist der Komplex heute wert. Die Deutsche Bank ahnt offenbar, wie waghalsig ihr Investment ist. "Wir sind zuversichtlich, dass das von uns zusammengestellte Managementteam Erfolg haben und unseren Aktionären dienen wird so gut es kann", lässt das Institut verlauten. Zuversicht klingt anders. Eine Milliarde Dollar hat die Bank auf ihr Kasino bereits abgeschrieben. Selbst wenn das Hotel den gleichen Geldfluss generiert wie das größere Bellagio dürfte es 15 Jahre dauern, bis die Frankfurter ihren Einsatz wieder eingespielt haben.

"Das Timing ist unglücklich", sagt Chris Colwell, "aber es könnte schlechter sein. Das Kasinogeschäft in Vegas hat sich in den Monaten vor der Eröffnung stabilisiert." Colwell arbeitet für die Glückspielberatung Fine Point Group. Er kennt das Geschäft, hat selbst schon ein Kasino geleitet. Colwell redet viel und schnell. Er preist die Lage direkt am Strip, rühmt die Balkone der Hotelzimmer und lobt die Kooperation mit der Marriott-Hotelgruppe. Doch auf einmal gerät Colwell ins Stocken. "Würde ich darauf wetten, dass die Deutsche Bank ihr Geld zurückbekommt?" Colwell wiederholt die Frage, um Zeit zu gewinnen. Zweimal setzt er an, spannt die Lippen, aber bringt kein Wort heraus. "Ich hoffe es. Wir alle hoffen es. Aber darauf wetten, ich weiß es nicht."

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SZ vom 17.12.2010/mel
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