Deutsche Bank:Die vergiftete Zahl

Der künftige Deutsche-Bank-Chef Fitschen verabschiedet sich von dem 25-Prozent-Renditeziel, dass der noch amtierende Boss Josef Ackermann vorgelegt hatte. Oder etwa doch nicht so ganz?

Harald Freiberger

Es war ein ausgewählter Zirkel, vor dem Jürgen Fitschen am vergangenen Wochenende sprach. Im Berliner "Monetären Workshop" debattieren etwa 50 Fachleute zweimal im Jahr über Finanzfragen. Diesmal ging es um die Geschäftsmodelle der Zukunft für Banken. Fitschen, der ab Juni 2012 zusammen mit dem Inder Anshu Jain die Deutsche Bank führen wird, referierte über die Gewinnaussichten für Geldhäuser. "Wir treten in eine Periode niedrigerer Renditen ein", sagte er wörtlich.

Bankentag 2010 - Jürgen Fitschen

Jürgen Fitschen: "Wir treten in eine Periode niedrigerer Renditen ein."

(Foto: picture alliance / dpa)

So weit ist es unbestritten. Doch was er weiter sagte, darüber gehen die Meinungen auseinander. Teilnehmer haben gehört, dass Fitschen von einer "Größenordnung von rund 15 Prozent" als künftiger Zielmarke für die Eigenkapitalrendite des eigenen Instituts sprach. So schrieb es die Rheinische Post in der Montagausgabe. In den Nachrichtenagenturen hieß es dann in der Überschrift "Deutsche Bank senkt ihre Renditeziele". In diesem Moment schrillten bei der Frankfurter Großbank die Alarmglocken. Umgehend gab sie eine Richtigstellung heraus: Fitschen habe nicht von den Renditezielen der Deutschen Bank gesprochen, sondern gesagt: "Es gibt Mutmaßungen von Leuten, die von 10 bis 15 Prozent Eigenkapitalrendite bei Banken sprechen."

Ackermanns Lebenswerk

Was sich wie Wortklauberei anhört, hat für die Deutsche Bank einen ernsten Hintergrund, bei dem es letztlich um das Lebenswerk des im Mai ausscheidenden Vorstandschefs Josef Ackermann geht. Schon vor Jahren nannte er ein Renditeziel von 25 Prozent für seine Bank. Die Zahl hat eine große Eigendynamik entwickelt. Besonders nach Ausbruch der Finanzkrise wurde sie zum heftig kritisierten Symbol des Turbokapitalismus. Bei den jüngsten Demonstrationen der Occupy-Bewegung gab es viele Plakate, auf denen die Zahl 25 als Fetisch des Renditewahns gegeißelt wurde.

Ackermann fühlte sich missverstanden, wie es in seiner nun fast zehnjährigen Amtszeit als Deutsche-Bank-Chef auch bei anderen Gelegenheiten vorkam. Mehrfach betonte er, dass er das Renditeziel von 25 Prozent nicht absolut verstanden wissen will. Er habe nur gesagt, dass andere Großbanken, mit denen die Deutsche Bank in Konkurrenz stehe, die 25 Prozent erreichten, und "wir wollen bei den besten Banken dabei sein".

In der Tat kam die Deutsche Bank im Vorkrisenjahr 2008 auf 25 Prozent Eigenkapitalrendite vor Steuern. Schon im Februar dieses Jahres wies Ackermann aber darauf hin, dass die 25 Prozent auf absehbare Zeit nicht mehr erreichbar seien, weil die regulatorischen Vorschriften dies unmöglich machten. In der Tat kam die Deutsche Bank 2009 und 2010 nur auf 15 Prozent, ebenso wie andere Großbanken. Ganz verabschieden will sich Ackermann von dem Ziel aber nicht. "Ich bin der festen Meinung, dass wir in einigen Jahren wieder in der Größenordnung von 25 Prozent sein werden", sagte er im Februar.

Wenn sich Fitschen nun mit 15 Prozent zufriedengeben würde, würde er sich indirekt auch von der Zielvorgabe Ackermanns verabschieden. Das ist auch deshalb von Brisanz, weil dieser im letzten halben Jahr seiner Amtszeit nicht als "lahme Ente" gelten will. Deshalb verweist die Deutsche Bank mit Nachdruck darauf, Fitschen habe sich auf "Mutmaßungen von Leuten" bezogen, als er die Zahl 15 Prozent nannte, nicht aber auf das Renditeziel für die eigene Bank.

Der designierte Ko-Chef Fitschen aber hat einen Vorgeschmack darauf bekommen, was auf ihn zukommt und wie vergiftet Zahlen sein können.

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