Deutsche Bank:Der verdächtige Herr Pincombe

Die Deutsche Bank bespitzelte auf der Suche nach Informationslecks auch Spitzenmanager - etwa den späteren Kommunikationschef.

Hans Leyendecker und Klaus Ott

Die Szene der Pressesprecher großer deutscher Unternehmen ist sehr bunt, und eine der buntesten Gestalten war der Brite Simon Pincombe, der fünf Jahre lang bis 2007 Kommunikationschef der Deutschen Bank war.

Deutsche Bank, ddp

Die Strafverfolger ermitteln in der Spitzelaffäre bei der Deutschen Telekom gegen den früheren Telekom-Sicherheitschef Harald Steininger - und bei einer Durchsuchung fanden sie die Deutsche-Bank-Dateien. Von 1999 bis 2002 war Steininger bei dem Frankfurter Institut beschäftigt.

(Foto: Foto: ddp)

Der frühere enge Vertraute Josef Ackermanns hatte ein Büro in London, ein Büro in Frankfurt und ein paar Besonderheiten: Er war schwer erreichbar, saß entweder gerade "im Flieger" oder war bei einem "Business Meeting". Große globale Welt eben. Selbst beim Small Talk sprach er meist Englisch. Ein feiner, vornehmer Mann, der am Ende doch ein Paradiesvogel in der deutschen Medienwelt blieb.

"Pincombe Telefonbewertung"

Ausgerechnet der nette Brite ist, wie sich jetzt herausstellt, von den Sicherheitsleuten der Deutschen Bank bei der Suche nach einer undichten Stelle im Geldhaus in den Jahren 2000 bis 2002 ganz genau unter die Lupe genommen worden.

Damals war er in Sachen Kommunikation noch nicht für den gesamten Konzern, sondern nur für den Investmentbereich zuständig. "Pincombe Telefonbewertung" lautet der Name einer Geheimdatei, die von den Sicherheitsleuten im Haus angelegt wurde. Auch in der Datei "cambridge.schluss" finden sich seine Telefonate. Von Interesse war, wem Pincombe Faxe schickte und mit wem er telefonierte; dabei war es egal, ob er das Handy oder einen Büroanschluss nutzte.

Interessant ist, dass auch die Verbindungsdaten von vier weiteren hochrangigen Bankmanagern, darunter der damalige sogenannte Chief Credit Officer Hugo Bänziger, penibel aufgelistet wurden. Der Schweizer arbeitet seit 1996 bei der Deutschen Bank.

Warum wollte die Sicherheitsabteilung wissen, mit wem Bänziger und andere Führungskräfte telefonierten oder wem sie Faxe schickten? Das Finanzinstitut suchte nach Lecks, aus denen Informationen an die Medien flossen.

Im August 2001 wurden die dienstlichen Telefon- und Faxlisten nach Kontakten zum Verlag Gruner + Jahr (Stern), zu Spiegel, Handelsblatt und anderen Medien gefilzt. Anfang 2002 ging es, ein weiteres Beispiel, um mögliche Verbindungen zur Nachrichtenagentur Reuters. In all diesen Fällen seien, wie die Bank betont, Gespräche weder abgehört noch mitgeschnitten worden. Die Sicherheitsleute legten aber zumindest bei Pincombe ein Papier mit "Feststellungen" und "Bewertungen" der Gespräche an.

"Rechtlich zulässig" und "sogar erforderlich"

Die Erkenntnis, wie sehr sich die Bank für Pincombe interessierte, ist der Staatsanwaltschaft Bonn und dem Telekom-Verfahren zu verdanken. Die Strafverfolger ermitteln in der Spitzelaffäre bei der Deutschen Telekom unter anderem wegen des Verdachts der Verletzung des Post- und Fernmeldegeheimnisses gegen den früheren Telekom-Sicherheitschef Harald Steininger - und bei einer Durchsuchung fanden sie die Deutsche-Bank-Dateien. Von 1999 bis 2002 war Steininger bei der Bank als "Head of Corporate Security" beschäftigt. Auf Anfrage wollten sich er und sein Anwalt zu dem Sachverhalt nicht äußern.

Die Bank erklärt auf Nachfrage, die Konzernsicherheit habe "in den Jahren 2000 bis 2002 nur in wenigen begründeten Einzelfällen bei konkretem Verdacht auf Verstöße gegen Richtlinien oder Vorschriften oder zum Ausschluss eines Verdachts anlassbezogen Telefon-Verbindungsdaten der Bank geprüft".

Die "eingeschränkte und zielgerichtete Auswertung von dienstlichen Verbindungsdaten" sei "rechtlich zulässig" und könne "sogar erforderlich" sein, um Schaden von der Bank abzuwehren. In "unabhängigen Untersuchungen" werde derzeit die Aktion mit den Verbindungsdaten geprüft. Auch laufe noch eine Untersuchung der Finanzaufsichtsbehörde Bafin, hieß es. Dabei geht es vor allem um Spitzeleien aus jüngerer Zeit, die in den vergangenen Monaten bekannt geworden waren und die Bank in Bedrängnis brachten.

Die dienstinterne Ausforschung Anfang des Jahrzehnts wirkt mit zeitlichem Abstand skurril. So wurde bei Steininger auch eine Datei "Bin Laden" gefunden. Das Dokument befasst sich mit einer Spiegel-Geschichte. Das Magazin schilderte zwei Wochen nach den Anschlägen vom 11. September den finanziellen Hintergrund des Terroristen Osama bin Laden.

In dem ellenlangen Stück findet sich der kleine Hinweis, die Deutsche Bank habe "bereits drei Tage nach dem Anschlag zwei verdächtige Kontoverbindungen an das Bundeskriminalamt weitergereicht". Geheimnis, Geheimnis. Die Sicherheitsleute der Bank spekulierten sofort, wie diese Information, die ein paar Hundert Leute kannten, an die Öffentlichkeit gelangen konnte. Der Titel der Spiegel-Geschichte war: "Vielköpfige Hydra".

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