Machtkampf bei der Deutschen Bank:Ackermann düpiert seinen Nachfolger

Auf einer Bankenkonferenz in London kündigt Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann an, dass sein Geldinstitut 500 Stellen streichen wird - im Investmentbanking. Ein Affront gegenüber seinem Nachfolger, dem Investmentbanker Anshu Jain - ausgerechnet in dessen Revier.

Harald Freiberger

Unter großem Getöse regelte die Deutsche Bank vor zwei Monaten die Nachfolge von Vorstandschef Josef Ackermann. Ab Mai 2012 übernehmen Investmentbanking-Chef Anshu Jain und Deutschland-Chef Jürgen Fitschen in einer Doppelspitze die Führung des größten deutschen Geldhauses. Ackermann selbst soll Aufsichtsratsvorsitzender werden, sofern die Aktionäre zustimmen. Er bleibt damit als oberster Kontrolleur in gewisser Weise der Vorgesetzte von Jain. Manche Beobachter sehen darin eine schwierige Machtbalance, da Ackermann Jain eigentlich verhindern wollte und darauf drang, ihm mit Fitschen einen Aufpasser zur Seite zu stellen.

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Ackermann rechtfertigt seine eigene Strategie - und will sie auch künftig weiterführen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Am Dienstag zeigte sich, dass der Machtkampf bei der Deutschen Bank im Hintergrund weitergeht. Ackermann düpierte Jain ausgerechnet auf einer Bankenkonferenz in London, eigentlich dessen Revier. Er kündigte an, dass die Bank im Investmentbanking 500 Stellen streichen wird. Gleichzeitig sagte er, dass das Ziel, in diesem Jahr operativ vor Steuern zehn Milliarden Euro Gewinn zu erzielen, "nicht mehr erreichbar" sei. Analysten zeigten sich davon nicht überrascht; die meisten hatten das wegen der Staatsschuldenkrise und des Börsencrashs der vergangenen Wochen schon erwartet.

Ausbalanciertes Geschäftsmodell

Konrad Becker, Analyst bei Merck Finck, hält auch den Abbau von 500 Stellen im Investmentbanking nicht für übermäßig hoch. Ende Juni waren in dem Bereich rund 10.500 Mitarbeiter tätig, der Abbau entspricht damit rund fünf Prozent. Andere Großbanken kappen das Investmentbanking viel stärker. Die Schweizer UBS streicht dort zum Beispiel 3500 Stellen. "Ich kann mir vorstellen, dass bei der Deutschen Bank in dem Bereich noch weiterer Stellenabbau nötig ist", sagt Becker. Eine Lösung der Staatsschuldenkrise sei nicht in Sicht, das Investmentbanking werde sein früheres hohes Niveau wohl lange nicht mehr erreichen. "Ich bin mir nicht sicher, ob wir den Tiefpunkt schon gesehen haben", sagt der Analyst.

Der Affront gegen Jain bestand auch darin, wie Ackermann den Schritt begründete. Im Kern war es eine Rechtfertigungsrede für die eigene Strategie - und die Ankündigung, dass er diese genau so weiterzuführen gedenkt. Ackermann wies darauf hin, er habe seit Ausbruch der Finanzkrise ein ausbalancierteres Geschäftsmodell geschaffen. Das riskante Investmentbanking sei zurückgefahren worden, das solidere Geschäft mit Privatkunden, Firmenkunden und Vermögensverwaltung habe er gestärkt, etwa durch die Übernahme von Postbank und Sal. Oppenheim.

"Unsere Risiken sind heute nur noch halb so hoch wie im Jahr 2008", sagte Ackermann - ein Seitenhieb gegen Jain, denn vor allem in dessen Geschäftsbereich wurden die Risiken abgebaut, häufig auch gegen seinen Willen. Zuletzt hatten Analysten kritisiert, Ackermann mache aus der Deutschen Bank einen Gemischtwarenladen. Mancher wünscht sich ein stärkeres Bekenntnis zum Investmentbanking und hofft, Jain werde die Strategie ändern. Ackermanns Londoner Rede war auch eine Antwort darauf. Erst vor vier Wochen hatte er in Frankfurt gemahnt, Banken müssten sich auf ihre Rolle als "Diener der realen Wirtschaft" konzentrieren.

Vor allem dem Investmentbanking ist es zuzuschreiben, dass die Deutsche Bank ihr Gewinnziel von zehn Milliarden Euro nicht mehr erreichen kann. Wegen der Staatsschuldenkrise erlebten die Börsen im August einen Crash, der Handel mit Staatsanleihen brach fast komplett zusammen. Weil die Unternehmen abwarten, gibt es keine Börsengänge, kaum Fusionen und Übernahmen. Dem Investmentbanking sind alle Einkunftsmöglichkeiten entzogen. Zudem schrieb die Deutsche Bank im dritten Quartal ihr Engagement in Griechenland um weitere 250 Millionen Euro ab, weil der Wert griechischer Anleihen erneut sank.

Das Risiko in Griechenland liegt nun noch bei 900 Millionen Euro. Als weitere hohe Verlustposition kommt eine Steuernachzahlung in dreistelliger Millionenhöhe dazu. Verantwortlich dafür sind Geschäfte mit CO2-Zertifikaten, bei denen massiv bei der Umsatzsteuer betrogen wurde; der Handel lief über die Deutsche Bank. In Frankfurt wird den Betrügern derzeit der Prozess gemacht. Zufällig läuft der Geschäftsbereich ebenfalls in Jains Investmentbanking-Sparte.

Die Aktie der Deutschen Bank verlor am Dienstag zeitweise um acht Prozent, am Ende betrug das Minus vier Prozent. "Ich verstehe das Ausmaß der Marktreaktion nicht", sagte Georg Kanders, Analyst bei der WestLB. "Dass die Bank ihr Gewinnziel verfehlen wird, war schon erwartet worden und dürfte niemanden überrascht haben." Allerdings standen Bankaktien europaweit unter Druck. Hauptgrund dafür war die belgisch-französische Dexia Bank, deren Krise sich weiter zuspitzte. Die Aktie brach um bis zu fast 40 Prozent ein.

Ein Krisenbarometer sind die Einlagen der Banken bei der Europäischen Zentralbank (EZB). Sie stiegen erstmals seit Juli 2010 über die Marke von 200 Milliarden Euro. Weil sich die Banken untereinander nicht mehr trauen, legen sie ihr Geld lieber bei der EZB an. Die Anleger zittern.

Der Deutche Aktienindex (Dax) fiel um drei Prozent, auch an der Wall Street ging es weiter nach unten. "Der Beginn des neuen Quartals hat keinen Stimmungswandel gebracht", sagte ein Analyst. Abergläubigen fiel auf, dass der US-Index S&P 500 am Montag bei 1099,23 Punkten schloss - exakt der gleiche Stand wie am 3. Oktober 2008 auf dem Höhepunkt der Lehman-Krise. Bis zum Jahresende fiel der Index damals um weitere 18 Prozent.

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