Der Benzinpreis und die Branchen:"Die Schmerzgrenze ist erreicht"

Vom Pizzaservice bis zum Rettungsdienst: Die horrenden Benzinpreise sorgen bei vielen Unternehmen für Kopfschmerzen - einige allerdings profitieren von den hohen Spritkosten. Protokolle aus der Wirtschaft

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Vom Pizzaservice bis zum Rettungsdienst: Die horrenden Benzinpreise sorgen bei vielen Unternehmen für Kopfschmerzen - einige allerdings profitieren von den hohen Spritkosten. Protokolle aus der Wirtschaft.

Frank Sauer, Bereichsleiter Rettungsdienst, ASB-Frankfurt/Main:

Die gestiegenen Benzinpreise machen uns schwer zu schaffen. Denn im Rettungsdienst stellen wir am Anfang des Jahres mit den Kostenträgern eine Kalkulation auf, wie viel Treibstoffe kosten.

Für dieses Jahr rechnen wir mit 1,50 Euro - doch diese Schmerzgrenze haben wir längst überschritten. Nun müssen wir das Geld vorstrecken und am Ende des Jahres hoffen, dass uns die Ausfälle ersetzt werden.

Unsere Kunden merken die hohen Energiepreise vor allem dann, wenn sie die Rechnung selbst zahlen müssen - etwa beim Essen auf Rädern und anderen sozialen Diensten. Dort mussten wir bereits vor einigen Wochen die Preise erhöhen - das deckt allerdings nur die gestiegenen Kosten der letzten Jahre einigermaßen ab.

Den Rest tragen wir selbst, denn Essen auf Rädern soll schließlich kein Luxusgut werden. Daher müssen wir in anderen Bereichen sparen. Unsere 120 Mitarbeiter haben seit einigen Jahren keine Gehaltserhöhung mehr bekommen."

Foto: ASB/H. Sachs, Protokoll: tob

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Dietmar Possart, Betreiber von 25 freien Tankstellen in Südbayern:

"Seitdem die Benzinpreise im Mai und Juni so rasant gestiegen sind, haben wir fünf Prozent weniger Benzin abgesetzt. Unsere Pächter trifft der Preisanstieg ziemlich hart, denn auch im Shop-Geschäft, das die Hälfte zum Umsatz einer Station beiträgt, herrscht nun Flaute.

Ist doch klar: Wenn ein Kunde auf seiner Rechnung den Betrag von 70 oder 80 Euro für einmal Volltanken sieht, kauft der seinem Kind keinen Lutscher mehr. Die Pächter sparen schon, indem sie weniger 400-Euro-Kräfte einsetzen und dafür selbst noch länger an der Kasse stehen. Aber mehr Möglichkeiten gibt es nicht. Schließlich muss die Tankstelle ja weiter beleuchtet werden - und das, obwohl auch Strom immer teurer wird.

Es gibt nur eine Möglichkeit: Wie die Autofahrer müssen sich auch Tankstellenpächter von Benzin unabhängig machen - zum Beispiel mit Bioethanol oder anderen alternativen Kraftstoffen. Wir verkaufen derzeit bereits 20.000 bis 30.000 Liter Autogas pro Station und Monat."

Foto: Possart, Tankstelle in Sonthofen, Protokoll: tob

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Olaf Bienek, Geschäftsführender Gesellschafter der Spedition Kunzendorf in Berlin:

"Seit Anfang des Jahres sind unsere Ausgaben für Diesel um etwa 25 Prozent gestiegen, das ist eine Riesengefahr für unseren Betrieb. Denn wir müssen jeden Tag tanken, und wir müssen das in Deutschland tun.

Denn Tanktourismus lohnt sich nicht, dafür ist der Zeitplan der Fahrer zu eng. Umwege und eine Fahrt über die Grenze sind einfach nicht drin. Alle anderen Sparmaßnahmen sind bereits ausgeschöpft. Wir haben unsere Fahrer darin geschult, spritsparend zu fahren und auf den richtigen Reifendruck achten wir auch.

Es hilft nichts: Wir sind dem Kraftstoffpreis-Diktat völlig ausgeliefert. Daher verlangen wir von unseren Kunden einen Kraftstoffzuschlag, derzeit beträgt der fünf Prozent.

Die meisten Kunden haben dafür ein offenes Ohr. Wir wollen ja nur unsere Verluste damit ausgleichen und uns nicht die Taschen vollstopfen. Abgesprungen ist noch niemand. Denn auch die alternativen Verkehrswege werden nicht billiger."

Foto: AP, Protokoll: tob

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Günter Hofner, Gründer des Fahrradkurierdienstes "Transpedal" in München:

"Wir bekommen durch jede Benzinpreiserhöhung neue Kunden. Zum einen, weil wir im Stadtgebiet sehr günstig und schnell sind. Zum anderen wechseln viele Kunden aus gestiegenem Umweltbewusstsein zu uns: Jede Schlagzeile über gestiegene CO2-Werte oder die Klimakatastrophe ist Werbung für uns Fahrradkuriere.

Die Kunden bekommen neuerdings Urkunden von uns, auf denen vermerkt ist, wie viel CO2 sie durch ihre Aufträge an uns eingespart haben. Ein Auto produziert pro Kilometer etwa 200 Gramm CO2. Auf einer Strecke von fünf Kilometern, also von Haidhausen nach Schwabing, ist das schon ein Kilo. Alle unsere Radkuriere sorgen an einem Tag für einige hundert Kilo CO2-Ersparnis.

Und wir dehnen unser Einsatzgebiet ständig aus. Unschlagbar sind wir zum Beispiel auf der Linie entlang der S-Bahn-Stammstrecke. Wir haben sechs Fahrer, die mit Klapprädern ausgestattet sind und damit die S-Bahn entern können. Jeden Tag sind 25 Radkuriere unterwegs, die insgesamt 300 bis 350 Aufträge abarbeiten.

Seit der Euro-Einführung haben wir dieselben Preise. Demnächst werden wir zwar um fünf bis sechs Prozent erhöhen - aber nicht wegen des Benzinpreises, sondern weil die Lebensmittelpreise ebenfalls steigen. Der Kraftstoff des Radfahrers ist eben die Banane und die wird auch immer teurer."

Foto/Protokoll: jkr

Foto: Selmer Reisen

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Stefan Bülskämper, Geschäftsführer und Inhaber des Busunternehmens "Selmer Reisen" im nordrhein-westfälischen Selm:

"Unsere Flotte von 35 Bussen verbraucht pro Jahr etwa 530.000 Liter Diesel. Der Dieselpreis hat innerhalb eines Jahres um 30 Prozent zugelegt - das bedeutet für uns geschätzte 160.000 Euro Mehrkosten, die wir an die Kunden allenfalls in sehr geringem Maß weitergeben können.

Vor allem im öffentlichen Nahverkehr schnüren uns die langfristigen Verträge die Luft ab. Hier soll es jetzt Verhandlungen geben - doch die Auftraggeber stehen vor demselben Dilemma: Die öffentliche Hand schießt denen für den Nahverkehr keine Mittel zu. Das heißt: Wir sind das letzte Glied in einer Kette - und den Letzten beißen die Hunde.

Selbst im Bustourismus kann man so etwas wie einen Kerosinzuschlag nicht durchsetzen - da sagen Schulklassen den Ausflug eben ab. Der Rest der Fahrten sind Einzelreisen, da ist unser Katalog für dieses Jahr im Oktober 2007 verschickt worden - mit Preisen, die sich überhaupt nicht mehr rechnen.

In der momentanen Situation muss man sich auf Insolvenzen in der Branche einstellen, wenn sich nichts ändert. Die deutschen Benzinsteuern müssen angepasst werden und zwar schnell. Wenn das zwei Jahre dauert, wird es für viele zu spät sein."

Foto: Selmer Reisen, Protokoll: jkr

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Ulrich Kowalewski, Direktor von Mercedes-Benz München:

Wir stellen nicht fest, dass Kunden häufiger als früher nach Kraftstoff-Verbrauchswerten fragen. Sich ein Fahrzeug der Marke Mercedes-Benz anzuschaffen, ist keine alltägliche Entscheidung. Entsprechend gut sind unsere Kunden im Vorfeld ihrer Kaufentscheidung informiert.

Und trotz der Annäherung des Dieselpreises an den Benzinpreis ist auch die Nachfrage nach unseren Diesel-Modellen ungebrochen: Über die letzten Jahre ist der Diesel-Anteil bei unseren Fahrzeugen weiter gestiegen - im ersten Halbjahr 2008 lag er in Deutschland bei rund 50 Prozent.

Foto: oH, Protokoll: hgn

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Elyasa Bayram, Geschäftsführer von "Taxi am Westkreuz" GmbH in München:

"Vor ein paar Monaten konnten wir noch für 82 Euro volltanken, heute bezahlen wir 100 Euro. Je nach Fahrtstrecken müssen unsere Fahrer im Schnitt vielleicht alle zwei bis drei Tage tanken, da kommt im Monat einiges zusammen.

Und die Rechnung ist ganz einfach: Bislang geht alles zu unseren Lasten. Wir sind mit unseren Preisen an die Taxitarifordnung gebunden. Und die wurde im laufenden Jahr noch nicht verändert.

Ich hatte schon zu Beginn des Jahres mit der Taxigenossenschaft telefoniert - die verhandelt bei der Taxitarifordnung mit. Doch es hieß, die Preis könnten nicht heraufgesetzt werden. Begründung: Die Fahrgäste dürfen nicht mehr zahlen. Doch auch die Münchner Verkehrsbetriebe setzen ihre Tarife herauf - warum können wir dann nicht erhöhen?

Vor kurzem habe ich ein weiteres Mal mit der Genossenschaft telefoniert und jetzt heißt es: Wir warten noch bis Herbst und werden dann vielleicht doch eine Tariferhöhung einbringen. Aber jetzt kommt erst mal das Sommerloch und die Zeit bis zum Herbst, bis zum Oktoberfest, werden wir mit unseren Reserven überbrücken müssen.

Unsere einzige Chance, um von den Spritpreisen etwas unabhängiger zu werden, ist das Umrüsten von Fahrzeugen. Wir haben bereits ein Auto, das mit Gas fährt. Die Verbreitung von Autogastankstellen nimmt stetig zu. Speziell für das Taxigewerbe scheint das die sinnvollste Möglichkeit zu sein, um gegen die ständigen Preiserhöhungen immun zu werden."

Foto: AP, Protokoll: hgn

Foto: Pizza Avanti

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Michael Görg vom "Pizza Avanti" Heimservice in München:

"Bei uns als Pizzaservice sorgen die gestiegenen Energiepreise schon vor der Auslieferung für Mehrkosten. Wir zahlen zum Beispiel für jede Salatschale, die aus ölbasiertem Kunststoff besteht, sieben bis neun Prozent mehr.

Pro Tag hat jede Filiale je nach Auftragslage drei bis vier Fahrer pro Schicht im Einsatz. Jedes Fahrzeug fährt bis zu 50.000 Kilometer im Jahr. Unsere ohnehin schon spritsparenden Peugeots verbrauchen im Lieferverkehr etwa sieben Liter. Damit führt der hohe Benzinpreis bei jeder Filiale jährlich zu mehreren tausend Euro Mehrkosten.

Um das zu kompensieren, fahren wir die Pizzen auf kurzen Strecken vermehrt auf Motorrollern aus - einige Filialen nutzen Fahrräder. Außerdem testen wir ein LPG-Gas-Auto. Gas ist zwar auch teurer geworden, wird aber nicht so stark besteuert wie Benzin.

Aber irgendwann werden wir die Preise auf der Speisekarte wohl um zehn bis fünfzehn Prozent erhöhen müssen. Und unsere durchschnittliche Lieferzeit von 30 Minuten könnte sich verlängern - denn wir versuchen jetzt verstärkt, mehrere Fahrten zusammenzufassen.

Die Filialen im Umland werden auf lange Sicht den Mindestbestellwert anpassen müssen. Innerhalb Münchens liegt der bei neun Euro - wenn man aber weite Strecken fahren muss, müssen wir einen Benzinaufschlag nachdenken."

Bild: Pizza Avanti, Protokoll: jkr

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Jochen Hempelmann, Mitglied der Geschäftsführung bei Wittemöller Mineralöle im ostwestfälischen Lübbecke:

"Unser Heizölabsatz ist bereits im Jahr 2007 um etwa 35 Prozent zurückgegangen. Das Einkaufsverhalten der Kunden hat sich drastisch verändert, seit der Ölpreis so extrem gestiegen ist. Viele Verbraucher haben zunächst die Vorräte in ihren Heizöltanks verbraucht - in der Hoffnung, dass die Preise wieder sinken.

Anders als in der Vergangenheit kaufen viele Heizölkunden zurzeit nur Kleinmengen ein, um ihr Haushaltsbudget nicht zu sehr zu belasten. Das führt dazu, dass wir momentan mehrmals im Jahr kleinere Mengen von 1000 bis 2000 Liter anliefern müssen.

Verhängnisvoll ist auch die Mehrwertsteuer, die neben dem stark gestiegenen Produktpreis die Gesamtkosten für den Endverbraucher weiter nach oben treibt. Wir stellen uns auf einen dauerhaft verändertes Kaufverhalten unserer Kunden ein. In bestehenden Gebäuden ist jedoch ein Wechsel von Heizöl auf eine andere Brennstoffart, wie zum Beispiel Gas oder Pellets die teuerste Variante.

Wir empfehlen unseren Kunden, durch Modernisierung der vorhandenen Heizungsanlage, wie zum Beispiel Öl-Brennwerttechnik und zusätzliche Gebäudedämmung, den Verbrauch und damit die Heizkosten zu senken.

Dass der hohe Ölpreis nicht von uns, dem Handel gemacht wird, ist unseren Kunden aufgrund der täglichen Berichterstattung über die ständig steigenden Rohölpreise bewusst.

Als freier Mineralölhändler spekulieren wir nicht, sondern versorgen uns täglich entsprechend unserer Verkäufe mit Ware. Deshalb verdienen wir nicht zusätzlich an den steigenden Preisen."

Foto: Grangemouth Ölraffinerie in Großbritannien, AFP, Text: jkr

Pulau Tiga, Malaysia, AP

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Horst Leibacher, Geschäftsführer des Fernreiseanbieters Lotus Travel aus München:

"Für uns macht sich der steigende Benzinpreis vor allem bei den Flugpreisen bemerkbar, die um über 30 Prozent gestiegen sind. Wir veröffentlichen einige Programme jetzt ohne Flugpreise, da wir die Kataloge ansonsten fast täglich überarbeiten müssten.

Früher war eine zweiwöchige Fernreise billiger als eine Reise innerhalb Europas, das hat sich natürlich geändert. Bislang haben wir aber noch keine Buchungsrückgänge zu verzeichnen, die erste Jahreshälfte lief sogar besser als im Vorjahr."

Foto: AP, Protokoll: jpm

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