Debatte um Zwangskapitalisierung von Banken:Ackermann lehnt Staatsgeld ab

Die Lobby wehrt sich - und Erinnerungen an die Krise 2008 werden wach: Deutsche-Bank-Chef Ackermann weist die Forderungen nach Rekapitalisierung der Finanzinstitute zurück. Sein Haus habe sowieso kein frisches Geld nötig. Außerdem sollten die Staaten sich nicht bei den Banken einkaufen, sondern sich besser darum kümmern, die Vertrauenskrise zu beenden.

Ein Schuldenschnitt Griechenlands wird immer wahrscheinlicher, die Löcher, die er in die Bilanzen der Banken reißen wird, müssen gestopft werden. Größer als die Angst der Banker vor einem noch höherem Wertverlust ihrer griechischen Staatsanleihen ist offenbar die vor einem erzwungenen Einstieg der Staaten bei den Geldhäusern. Die Lobbyoffensive der Banken läuft, allen voran der Wortführer der Finanzwelt, Josef Ackermann: Der scheidende Deutsche-Bank-Chef wehrt sich gegen staatliche Interventionen - die Politik sieht er dennoch in der Pflicht, die Krise zu lösen.

Unternehmerkongress der Deutschen Bank

Verbittet sich staatliche Interventionen: Vorstandsvorsitzender Josef Ackermann beim Unternehmerkongress der Deutschen Bank in Berlin.

(Foto: dapd)

Staatlich verordnete Kapitalspritzen für die Finanzbranche lehnt Ackermann ab. "Die aktuelle Rekapitalisierungsdebatte ist kontraproduktiv", sagte der Schweizer in Berlin. Denn sie signalisiere den Märkten, dass ein Schuldenschnitt in Griechenland wahrscheinlicher werde. Ackermann gab allerdings zu, dass es für Banken derzeit praktisch unmöglich sei, sich frisches Kapital von privater Seite zu besorgen. Daher laufe alles auf weitere Staatshilfen hinaus, was den Ländern neue Schulden aufbürden werde. "Die Deutsche Bank wird alles tun, um eine Zwangskapitalisierung zu vermeiden", betonte Ackermann, der die Deutsche Bank im kommenden Jahr verlassen wird.

Hintergrund ist die Angst der Banker, bei einer Zwangskapitalisierung die Kontrolle über ihre Institute zu verlieren. Im Gegenzug für Kapitalspritzen müssten sie den Regierungen Mitspracherechte einräumen, ihr Geschäft würde eingeschränkt. Zum Beispiel könnten Regierungen ihnen untersagen, Dividenden oder Boni auszuzahlen. Schon 2008 hatten Regierungen Anteile an Krisenbanken übernommen.

Ohnehin brauche sein Haus kein Staatsgeld, sagte Ackermann. Das größte deutsche Geldhaus verfüge über ausreichend eigene Mittel, um eine neue Krise zu meistern. Die Europäische Union will die Kapitalausstattung der Banken stärken, um sie krisenfest zu machen.

Ackermann sieht das eigentliche Problem nicht in der Kapitalausstattung der Banken. Es gehe vielmehr darum, dass Staatsanleihen wegen der aktuellen Debatte über eine Pleite Griechenlands nicht mehr als risikofreie Anlage gelten, wie es immer der Fall gewesen sei.

Auch mit den europäischen Politikern rechnete er ab: Ackermann warnte wegen ohnehin hoher Belastungen durch die Schuldenkrise vor weiteren Regulierungen. Eine Finanztransaktionssteuer, wie sie auch die Bundesregierung plant, verbiete sich. Er mahnte die Politik, die verbreitete Unsicherheit nicht durch "unbedachte und vielstimmige Äußerungen" zu vergrößern.

Hintergrund ist eine drohende Pleite Griechenlands und deren Folgen für andere Euro-Krisenländer. An den Märkten wird befürchtet, dass einige Banken als große Gläubiger dieser Staaten dann ebenfalls ins Taumeln geraten könnten.

Ackermann ist nicht allein mit seiner Argumentation. Auch andere Bankenvertreter halten nichts von einer Rekapitalisierung: Auch Sparkassen-Präsident Heinrich Haasis kritisiert die von EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso am Mittwoch vorgestellten Pläne scharf. Die Ursache der aktuellen Krise liege nicht bei den Banken, sondern darin, dass viele Regierungen zu viele Schulden aufgenommen hätten. "Es ist doch eigentlich Unsinn, wenn man nun sagt, die Staaten zahlen ihre Schulden nicht zurück und deshalb geben die Staaten den Banken Geld, damit sie das verkraften können", sagte Haasis im Deutschlandfunk.

Der Kapitalbedarf für die einzelnen Häuser soll in einem Blitz-Stresstest ermittelt werden. Darin unterstellt die Europäische Bankenaufsicht EU-Kreisen zufolge, dass alle Staatsanleihen der Euro-Krisenländer zu aktuellen Marktpreisen bewertet werden. Alle Institute, die unter diesen Bedingungen nicht mindestens eine harte Kernkapitalquote von neun Prozent erreichen, müssen sich den Plänen zufolge frisches Kapital besorgen, wie mehrere Insider bestätigten.

Für die Deutsche Bank soll sich auf Basis dieser theoretischen Berechnungen ein Bedarf von neun Milliarden Euro ergeben, bei der Commerzbank kommen viele Experten auf eine noch größere Zahl. Europaweit fehlen nach Schätzungen der Bank Credit Suisse 220 Milliarden Euro und verteilt auf gut zwei Drittel der etwa 90 größten Geldhäuser. Die größte Lücke sehen die Analysten bei der teilverstaatlichten Royal Bank of Scotland aus Großbritannien - hier kommen sie auf fast 20 Milliarden Euro.

Zentralbank springt den Banken bei

Die EU-Kommission gab am Donnerstag bekannt, dass Banken mit riskanten Staatsanleihen-Portfolios nur maximal sechs Monate Zeit haben, sich privat neues Kapital zu besorgen oder Risikopositionen abzubauen. Sollten sie das nicht schaffen, dürfte das Geld größtenteils vom Staat kommen. Auf welcher rechtlichen Grundlage Regierungen jedoch frisches Kapital in die Banken pumpen können, ist noch völlig offen. Banker haben hinter den Kulissen bereits juristische Schritte angekündigt. Ihre Begründung: Anders als bei den Rettungsaktionen nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers 2008 gebe es keine Notlage für die Geldhäuser. Dementsprechend kämen auch staatliche Zwangsmaßnahmen nicht in Frage.

Nach einer Banken-Rekapitalisierung wollen die EU-Staaten die Institute stärker an dem neuen Hilfspaket für Griechenland beteiligen. Im Gespräch ist nun nach Angaben von EU-Kreisen, dass die Banken nicht nur auf 21 Prozent, sondern auf 30 bis 50 Prozent ihrer Forderungen gegenüber dem Mittelmeerland verzichten. Das würde entsprechend die Finanzinstitute deutlich mehr belasten als geplant.

Nach Angaben des Welt-Bankenverbands IIF, dem Ackermann vorsteht, liegt der tatsächliche Wertberichtigungsbedarf für die Branche wegen der Zinsentwicklungen in Griechenland mittlerweile ohnehin bei 39 Prozent. Damit wäre das auf dem Brüsseler Euro-Gipfel im Juli vereinbarte Minimum von 21 Prozent Makulatur.

Unterstützung bekommen die Banken von der Europäischen Zentralbank: Ihrem aktuellen Monatsbericht zufolge rechnet sie damit, dass eine Einbeziehung des privaten Sektors die Zahlungsfähigkeit der Banken in dem betroffenen Schuldenland gefährde. Außerdem seien die Bilanzen von Finanzinstituten in anderen Euroländern wegen der dort deponierten Bestände an Staatsanleihen betroffen. Bei einem Schuldenschnitt könnten "umfangreiche Rekapitalisierungsmaßnahmen" nötig werden.

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