Debatte um Währungssystem:Attacken auf den Dollar

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Russlands Präsident Medwedew fordert eine neue Leitwährung. Wie zuvor schon die Chinesen will er das IWF-Kunstgeld ausbauen und Rohstoffe und Gold decken.

Simone Boehringer

Im Kampf um Konzepte zur Lösung der Finanzkrise wird der Ton immer schärfer - und die internationalen Gegensätze größer. Während die Amerikaner und Europäer versuchen, in erster Linie über eine schärfere und einheitliche Regulierung für die Geldbranche Vertrauen in die bestehende Finanzordnung wiederherzustellen, fordern Chinesen und Russen immer vehementer eine Abkehr vom bisherigen Währungssystem.

Der Dollar war als Leitwährung einst unangefochten. Jetzt schwächelt er, und Länder wie Russland und China stellen seinen Status als Leitwährung in Frage. (Foto: Foto: Getty)

"Wir müssen das internationale Währungssystem stärken, nicht nur mittels einer Konsolidierung des Dollars, sondern über die Schaffung neuer Reservewährungen", sagte der russische Präsident Dimitri Medwedew am Dienstag auf einer Konferenz mehrerer asiatischer Staaten in Jekaterinburg.

Sein Wirtschaftsberater Arkadi Dworkowitsch kündigte an, Moskau werde einen Teil seiner Reserven in Brasilien, China und Indien anlegen. Die Börsen reagierten prompt: Die Kurse amerikanischer Staatsanleihen sanken, der Dollar geriet unter Druck.

Deutlicher Aufruf

Medwedews Vorstoß ist der jüngste und bisher deutlichste Aufruf an die westlichen Industriestaaten, sich an einer Diskussion über eine neue Weltfinanzordnung zu beteiligen, die bislang vorwiegend in Asien, dem Nahen Osten und Teilen Südamerikas geführt wird. Es geht darum, den Dollar als bislang unangefochtene Leitwährung im Welthandel und als Reservewährung allmählich abzulösen, weil dies immer weniger den tatsächlichen Machtverhältnissen auf den Weltmärkten entspricht.

Der Dollar hatte nach dem Zweiten Weltkrieg das britische Pfund als wichtigste Währung abgelöst. Die Vereinigten Staaten waren damals die mit Abstand reichste und wachstumsstärkste Wirtschaftsmacht. Auf der Währungskonferenz von Bretton Woods im Jahr 1944 war entsprechend eine Geldordnung beschlossen worden, die den Dollar auch nominell zur wichtigsten Währung machte. Andere Devisen wurden in ein festes Verhältnis zur US-Währung gesetzt.

Jeder Dollar-Schein enthielt das Versprechen, jederzeit bei der US-Zentralbank in Gold eingelöst werden zu können. Für 35 Dollar gab es eine Unze (31,1 Gramm) des Edelmetalls. Der Geldpolitik der Federal Reserve waren damit Grenzen gesetzt. Der Dollar entwickelte sich zum beliebtesten Zahlungs- und Wertaufbewahrungsmittel der Welt.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, welche Interessen China und Russland als größte Gläubiger der USA vertreten - und warum sie vorerst dennoch zum Dollar als Leitwährung stehen.

Dies galt auch noch, als Richard Nixon 1971 die Goldeinlöseverpflichtung einseitig aufkündigte, nachdem die Amerikaner der Vietnam-Krieg viel teurer kam als gedacht und die Edelmetallvorräte für eine goldgedeckte Finanzierung nicht ausgereicht hätten. Zwar gab es immer wieder Krisen, in denen der Wert des Dollars im Vergleich zu anderen Währungen stark schwankte. Aber die Amerikaner haben es meistens geschafft, auf kurz oder lang die Balance wiederherzustellen - auch dank ihrer vielen Gläubiger.

Wieviel Prozent der weltweiten Währungsreserven auf den Dollar entfallen, sehen Sie in dieser Grafik. (Foto: Grafik: SZ)

Denn statt Gold in Tresoren zu bunkern hatten viele Staaten und Notenbanken ihre Reserven verstärkt in Dollar angelegt. Die Dominanz der US-Währung hat sich bis heute gehalten (siehe Grafik). Zu den größten Gläubigern gehören nun mit China und Russland just jene Staaten, die das Dollar-basierte Währungssystem am stärksten kritisieren. Fällt der Dollarkurs, verringert sich der Wert ihrer Reserven.

Gleichzeitig schützen diese Länder ihre eigene Wirtschaft, indem sie die Wechselkurse ihrer Währungen kontrollieren statt sie wie die meisten anderen Länder an den Devisenmärkten frei dem Spiel von Angebot und Nachfrage zu überlassen. Als am meisten unterbewertet gilt der chinesische Yuan, was den Chinesen ermöglicht, konkurrenzlos billig für den Weltmarkt zu produzieren.

Großer Renditeabstand

Vorbereitet hatten Russen und Chinesen die jüngste Dollar-Attacke schon vergangene Woche, als Zentralbank- und Regierungsvertreter beider Länder ankündigten, ihren Anteil an US-Staatsanleihen an den Währungsreserven abzubauen.

Der Dollar gab daraufhin zum Euro auf fast 1,42 Dollar nach und die Rendite der marktbeherrschenden zehnjährigen US-Treasuries zog zwischenzeitlich auf satte vier Prozent an - angesichts eines Leitzinses nahe Null ist das ein relativ großer Renditeabstand für ein Land, dessen Kreditwürdigkeit derzeit von den internationalen Ratingagenturen noch mit der Bestnote von AAA bewertet wird.

Experten wie Bill Gross, Chefinvestor der renommierten US-Anlagegesellschaft Pimco hatten davor gewarnt, dass die Vereinigten Staaten diese Einstufung bald verlieren könnten, nachdem sich die Schuldenlast des Staates auf 45 Prozent der Wirtschaftsleistung aufsummiere.

Beruhigung der Märkte

Am Montag ließen die Russen ihren Finanzminister Alexej Kudrin dann erklären, dass man noch zum Dollar stehe, weil es "zum aktuellen Zeitpunkt keine Alternative" für ihn als Reservewährung gebe. Prompt beruhigten sich die Märkte wieder und der Dollar zog im Wert an.

Solche Reigen an widersprüchlichen Aussagen, um die Marktmacht zu testen, waren seither eher von China bekannt. So hatte Notenbankpräsident Zhou Xiaochuan vor dem G20-Gipfel im April vorgeschlagen, die Sonderziehungsrechte des IWF, eine Kunstwährung basierend auf der Wertentwicklung von Dollar, Yen, Euro und britischem Pfund, zu einer Leitwährung auszubauen. Nach dem Gipfel ließ China wissen, dass man bis auf weiteres Dollar-Anleihen kaufe.

Den Vorschlag mit der Kunstwährung des IWF griff am Dienstag nun auch Russlands Regierung wieder auf: Im Hinblick auf eine neue Reservewährung in Form eines Währungskorbs im Sinne der IWF-Sonderziehungsrechte sollte dieser auch den Rubel, den chinesischen Yuan sowie Rohstoff-Komponenten und Goldreserven enthalten, sagte der Wirtschaftsberater Medwedews.

© SZ vom 17.06.2009/kaf/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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