Debatte um EU-Wirtschaftsregierung:Teilerfolg für Merkel und Sarkozy

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Der Vorstoß der Kanzlerin und des französischen Premier sorgte für heftige Diskussionen, am Ende stand ein Etappensieg: Die EU-Staaten in Brüssel einigten sich auf eine engere Abstimmung in der Wirtschaftspolitik.

Cerstin Gammelin

Die Euroländer haben sich grundsätzlich darauf verständigt, wirtschaftspolitisch enger zusammenzuarbeiten. Auf dem EU-Gipfel am Freitag in Brüssel wurden allerdings noch keine Details besprochen. Die Länder beauftragen Ratspräsident Herman Van Rompuy, bis Anfang März in Gesprächen mit allen EU-Regierungen auszuloten, wie eine solche Zusammenarbeit aussehen kann, die Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrem "Pakt für Wettbewerbsfähigkeit" beschreibt und die Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy eine Wirtschaftsregierung nennt. Die Euroländer wollen sich Anfang März zu einem Sondergipfel treffen, um die Details festzulegen. Ende März sollen dann in einem dritten Schritt auch Nicht-Euroländer eingeladen werden, an der verstärkten Kooperation teilzunehmen. "Mir geht es darum, dass wir einen qualitativ neuen Schritt in der Zusammenarbeit machen und politisch enger zusammenrücken", sagte Merkel nach dem Treffen. Sarkozy betonte, "wir haben noch viel Arbeit vor uns".

Der Euro als Währung und politisches Projekt: Frankreichs Premier Nicolas Sarkozy mit Kanzlerin Angela Merkel. (Foto: AP)

Das von Merkel und Sarkozy vorgestellte Prinzip für eine engere wirtschaftspolitische Zusammenarbeit war unter den Kollegen heftig diskutiert worden. Merkel warb um Zustimmung. "Der Euro ist unsere Währung und unser politisches Projekt", sagte sie. "Wir wollen gestärkt aus der Krise gehen und den Wohlstand der Menschen in unseren Ländern sichern", sagte sie. Sarkozy trat Gerüchten entgegen, Paris folge nur zögerlich der deutschen Linie. Man gehe "Hand in Hand" versicherte er.

Der Vorstoß von Merkel und Sarkozy stieß in anderen Ländern auf ein geteiltes Echo. Grundsätzlich zeigten sich alle einverstanden mit dem großen Ziel, die Währungsgemeinschaft zu stabilisieren. Aber im Kleingedruckten ist man sich längst nicht einig. Luxemburgs Premier versicherte zwar, sich einer verstärkten Zusammenarbeit "nicht in den Weg zu stellen". Schließlich habe er jahrelang dafür geworben. Er könne jedoch nicht sagen, was er von dem deutsch-französischen Konzept halte, "weil noch unklar ist, woraus es besteht". Allerdings sei klar, dass er dagegen sei, die automatische Kopplung der Löhne an die Inflation aufzuheben. "Das können sie vergessen", sagte er. Luxemburg zeige, dass dieses Prinzip funktioniere. Zugleich forderte er Berlin und Paris auf, grundsätzlich über Löhne und Lebensarbeitszeiten nachzudenken. "Wenn wir schon über Löhne reden, müssen wir uns auch über Mindestlöhne unterhalten und darüber, wie wir die unterschiedlichen Lebensarbeitszeiten angleichen".

Auch Belgien ist gegen die Aufhebung der Lohnindexierung. "Wir werden es nicht hinnehmen, dass unser Modell der Sozialpartnerschaft aufgelöst wird", sagte Belgiens amtierender Premier Yves Leterme. Ähnlich äußerte sich der niederländische Premier Mark Rutte. Bedenken kommen auch aus Luxemburg und der Slowakei. Der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann hält es für falsch, künftig in nationale Lohnverhandlungen eingreifen zu wollen. Es sei auch nicht möglich, dass die EU das Pensionsalter festlege, sagte Faymann in Brüssel.

Auch anderswo gibt es noch Unstimmigkeiten. Der Präsident des EU-Parlaments, Jerzy Buzek, betonte wie schon Kommissionspräsident José Manuel Barroso, dass die Wirtschaftspolitik der Euroländer nur im Rahmen der EU-Verträge koordiniert werden dürfe. Kanzlerin Merkel beharrt dagegen darauf, die Lohn-, Sozial-, Steuer- oder Arbeitsmarktpolitik ausschließlich unter den Regierungschefs zu besprechen. In einem Papier der Bundesregierung heißt es, dass die Wettbewerbsfähigkeit der Euroländer "auf der Basis konkreter Verpflichtungen" erhöht werden soll. Die Partner sollen sich "an den jeweils besten Praktiken" orientieren.

Das bezieht sich auf Arbeits- und Lohnkosten, auf öffentliche Ausgaben und Investitionen in Forschung, Bildung und Infrastruktur. Geht es nach Merkel und Sarkozy, sollen die Euroländer innerhalb von zwölf Monaten ein "Sechs-Punkte-Programm für mehr Wettbewerbsfähigkeit" umsetzen. Strafen gegen Länder, die Maßnahmen nicht umsetzen, kann es aber zunächst nicht geben - weil alle Absprachen außerhalb der EU-Verträge erfolgen. In der Bundesregierung hieß es, sie gehe davon aus, dass der wirtschaftliche Druck die Länder zu den Reformen motiviere. Sollte dies nicht passieren, müsse man "neu nachdenken".

In das große Euro-Reformpaket, das Ende März beschlossen werden soll, könnten mindestens fünf Instrumente gepackt werden. Dazu zählen eine Bewertung der ökonomischen und finanziellen Situation in Griechenland und Irland sowie mögliche Umschuldungspläne für diese Länder. Auch gefährdete Länder wie Spanien und Portugal sollen eingehend bewertet werden. Zudem soll bis dahin feststehen, wie der gegenwärtige, bis 2013 befristete Rettungsschirm für klamme Euroländer verbessert werden kann. Geplant ist, dass die Euroländer die von ihnen garantierte Summe von 440 Milliarden Euro auch tatsächlich als Kredite vergeben können. Bisher dient knapp die Hälfte davon als Garantie für hohe Bonitätsbewertungen. Einige Euroländer fordern zudem, die Aufgaben des Fonds auszuweiten. Beispielsweise könnte er Staatsanleihen von Euroländern aufkaufen. Bisher lehnt Berlin dies strikt ab.

Im Paket steckt auch das Konzept für einen ständigen Krisenschirm, der ab 2013 aufgespannt werden soll und im außerordentlichen Notfall hoch verschuldete Partner retten soll. Wie groß die garantierte Summe sein soll, welche zusätzlichen Aufgaben der Fonds übernimmt und wie weit private Gläubiger an Rettungsaktionen beteiligt werden, ist noch umstritten. Schließlich wollen Merkel und Sarkozy auch den "Pakt für Wettbewerbsfähigkeit" in das Paket packen.

© SZ vom 05.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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