Süddeutsche Zeitung

DDR-Zeitzeugin Kerstin Gueffroy:"Mir fällt immer wieder meine Jugend auf die Füße"

Kerstin Gueffroy hat ihre Kindheit und Jugend in DDR-Heimen verbracht, erlebte Überwachung und Demütigung. Darunter leidet sie noch heute - auch wirtschaftlich.

Von Harald Freiberger und Lea Hampel

Noch immer fällt es ihr schwer, darüber zu reden. Für das Gespräch mit der SZ in München schlägt sie einen Tisch im ruhigen Hinterhof des Cafes vor, immer wieder macht sie eine Zigarettenpause. Kerstin Gueffroy, heute 47, hat ihre Jugend in unmenschlichen DDR-Kinderheimen verbracht.

Die DDR war in den Augen ihrer Verantwortlichen ein idealer Staat, und Kinder, die nicht "funktionierten", durfte es eigentlich nicht geben. Staatliche Erzieher brachen systematisch den Willen der ihnen anvertrauten Kinder. Jetzt hat Gueffroy ihre Geschichte in dem Buch "Die Hölle von Torgau" aufgeschrieben. In der Interview-Reihe "Reden wir über Geld" erzählt sie von ihren bedrückenden Erfahrungen.

"Alles war nur dazu da, uns zu brechen", sagt sie über die Erziehungsstätte in Torgau, ein Heim, das Margot Honecker persönlich eingerichtet hatte - für Jugendliche, die in anderen Heimen Fehlverhalten an den Tag legten. Gueffroy weiß noch genau die Tage ihres Aufenthalts in Torgau: Er dauerte vom 13. August bis zum 5. Dezember 1984. Schon die ersten drei Tage hätten ihre Persönlichkeit gebrochen. "Mir wurden die Haare abrasiert, ich musste mich nackt vor einem Erzieher ausziehen." Der Alltag sei permanente Überwachung gewesen, dazu 24 Stunden Sprechverbot. Für einen Fehler wurde die Gruppe bestraft. Nachts wurden die Schuldigen im Schlafsaal verprügelt. "Eine Mitinsassin wollte einmal die Sülze nicht essen. Sie bekam ein zweites Stück und musste beide essen. Als sie sich erbrach, musste sie alles zusammen essen."

Obwohl sie jahrelang Therapie machte, leidet Gueffroy noch heute unter ihren Erfahrungen - psychologisch und wirtschaftlich. Bis zum vergangenen Jahr bezog sie eine Rente, nun lebt sie von Hartz IV, gerade hat sie Insolvenz beantragt. "Mir fällt immer wieder meine Jugend auf die Füße", sagte sie.

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