Süddeutsche Zeitung

Datenschützer im Visier der Steuerfahnder:Betzl meldet sich ab

Der bayerische Datenschutzbeauftragte Karl Michael Betzl lässt sein Amt ruhen: Grund ist der Verdacht auf Steuerhinterziehung. Landtagspräsident Glück: "Ich war verblüfft."

Kassian Stroh und Barbara Vorsamer

Karl Michael Betzl wird vorerst nicht als oberster bayerischer Datenschützer arbeiten. Landtagspräsident Alois Glück (CSU) teilte bei einer Pressekonferenz mit, Betzl werde nach seiner Krankheit die Amtsgeschäfte zunächst nicht aufnehmen. Der Jurist kann momentan aus gesundheitlichen Gründen seiner Arbeit nicht nachgehen.

Betzl selber nahm keine Stellung: "Ich kann zur Sache nichts sagen", sagte er Mittwoch der Süddeutschen Zeitung und bestätigte lediglich, dass am Vortag Steuerfahnder eine Hausdurchsuchung bei ihm daheim in München sowie in seinen Amtsräumen in der Münchner Wagmüllerstraße durchgeführt hätten. Landtagspräsident Glück sagte: "Wie für jeden Staatsbürger gilt auch für ihn in dieser Situation die Unschuldsvermutung."

Er äußerte Verständnis dafür, dass der Beschuldigte derzeit nicht an die Öffentlichkeit trete. Ihm gegenüber habe Betzl aber betont, dass er keine Grundlage für die Vorwürfe sehe. Das aber müsse nun rechtsstaatlich geklärt werden, sagte der Landtagspräsident - und zwar zweifelsfrei, um eine Beschädigung des Amtes des Datenschutzbeauftragten zu vermeiden.

Glück gab an, dass Betzl selbst ihn am Dienstag von den Durchsuchungen unterrichtet habe und sie übereinstimmend beschlossen hätten, dass dieser fortan sein Amt ruhen lässt. "Ich war verblüfft", sagte der Landtagspräsident auf die Frage, wie er auf die Nachricht reagiert habe.

Die Abendzeitung hatte berichtet, dass Steuerfahnder am Dienstag dessen Haus und Diensträume durchsucht hatten. Demnach soll Betzls Name auf der DVD aus Liechtenstein auftauchen, die Grundlage der Ermittlungen gegen deutsche Steuersünder ist und für die der Bundesnachrichtendienst (BND) 4,2 Millionen Euro bezahlt haben soll. Ebenfalls pikant: Betzls Frau soll Informationen der Abendzeitung zufolge ebendort, beim BND, unter dem Decknamen Melanie Rengstorf arbeiten.

Glück sagte, er sei sich mit Betzl einig, dass das Amt des Datenschützers nicht beschädigt werden dürfe. Auf Nachfrage versicherte Glück, dass das Amt voll arbeitsfähig sei, Vertretungsregeln für den Krankheits- und Urlaubsfalls seien wirksam.

Auf die Frage, ob er mit weiteren Verdachtsfällen im Landtag rechne, sagte Glück: "Dies ist kein Fall des Landtags, sondern der Fall einer bayerischen Behörde." Er habe keinen Grund zu vermuten, dass noch mehr Fälle auftauchen.

Die Ermittlungen in der Steueraffäre werden sämtlich von der Staatsanwaltschaft Bochum geführt. Die Behörde gab auf Anfrage keine Stellungnahme ab. Somit ist unklar, um welche Summen es geht, und ob ein formelles Ermittlungsverfahren gegen Betzl eingeleitet wurde.

Die Opposition im bayerischen Landtag äußerte sich besorgt über die Ermittlungen gegen Betzl. "Für uns ist es eine beunruhigende Information, dass höchste bayerische Beamte in die Affäre um Steuerhinterziehung in Liechtenstein verwickelt sein sollen", sagte Christine Stahl, die rechtspolitische Sprecherin der Grünen. Sie halte es für richtig, dass Herr Betzl bei so schweren Vorwürfen sein Amt ruhen lässt und fügte hinzu: "Endgültig können wir den Fall aber erst beurteilen, wenn die Ermittlungen abgeschlossen sind."

Auch Florian Ritter, Mitglied der SPD-Landtagsfraktion und des Verfassungsausschusses, nannte es "eine korrekte Entscheidung", das Amt ruhen zu lassen. Er betonte aber, dass man nun warten müsse, was an den Vorwürfen dran sei.

Seit knapp zwei Jahren im Amt

Im Februar 2006 wählte der Bayerische Landtag Karl Michael Betzl mit 108 von 147 Stimmen zum Bayerischen Landesbeauftragten für den Datenschutz. Als solcher genoss der promovierte Jurist und Diplomkaufmann einen ausgezeichneten Ruf, galt als patent und intelligent.

"Einen langen Atem und viel Fingerspitzengefühl" attestierte ihm die Bayerische Staatszeitung zu seinem Amtsantritt. Er selbst sagte damals: "Mit dem neuen Job kann man sich nicht sehr viele Freunde machen, aber vielleicht Respekt verschaffen."

Als Datenschützer legte er sich immer wieder mit der CSU-Staatsregierung an - etwa bei der Frage der Videoüberwachung in der Öffentlichkeit oder auch was deren Pläne betraf, die Daten der Lkw-Maut zu Fahndungszwecken zu nutzen, die er als "Einstiege in die generelle Überwachung" geißelte. Mit seiner Kritik wolle er der Gesellschaft den Spiegel vorhalten und sie fragen, welchen Preis sie zu zahlen bereit ist, um Kriminalität zu bekämpfen. Wenn man diese wirklich auslöschen wolte, "müsste man gegen ins Unendliche gehende Freiheitseinschränkungen hinnehmen".

Auch zum Steuerrecht äußerte sich der Datenschützer einmal: Vor einem Jahr hat er in einem Bericht eine Vereinfachung des deutschen Steuerrechts gefordert: "Je stärker auf die Einzelfallgerechtigkeit ausgerichtet das Rechtssystem ist, desto komplizierter wird es und desto mehr Kontrollen sind beispielsweise in den Bereichen Steuern, Abgaben und staatliche Leistungen erforderlich", schrieb er in einem Tätigkeitsbericht. Hier könnten mit Pauschalierung sehr viele Gängeleien verhindert werden, schrieb Betzl der Abendzeitung zufolge.

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