Das Foyer:Eine Bühne für die Gäste

Es verlangt nach dem großen Auftritt, am besten mit geschwungenen Treppenanlagen, auf denen sich Besucher in Stars verwandeln.

Von Oliver Herwig

Die Bar leuchtet in mattem Rot. Zwei Konzertbesucher stärken sich mit Prosecco und Stullen für Schostakowitschs Achte Symphonie. Stammgäste offenbar, pardon: Abonnenten. Sie nehmen den Raum kaum mehr wahr. Dabei hat es der in sich. Hinter dem Barista stemmen vier Säulen eine Decke in die Höhe, die sich immer weiter ausfaltet. Wir stehen direkt unter den Sitzreihen der Berliner Philharmonie, die Hans Scharoun als großes Zelt entwickelte. Auf der Empore flammen Hunderte Glasbausteine in der Abendsonne und werfen rotes Licht auf Grüppchen, die auf- und abgehen oder einfach nur an der Balustrade lehnen und zusehen, wie sich das Konzerthaus füllt. Denn das ist die wohl nobelste Aufgabe eines Foyers: Es soll einen festlichen Rahmen bieten für alle Ankommenden.

Wer zum ersten Mal in einem Theater steht, einem Konzertsaal oder auch in einem Museum, mag das Foyer als eine solche Willkommensgeste wahrnehmen. Dabei hat es schlicht sachliche Gründe. Mit ihm öffnet sich das Haus für seine Besucher. Und diese Geste muss gar nicht dramatisch ausfallen wie in Berlin, sie muss auch nicht durch Größe protzen oder durch Materialien. Aber einige Grundregeln sollten schon befolgt werden.

Erstens: Ein Foyer ist keine Möbelausstellung. Wer Anregungen für einen neuen Sessel oder eine neue Couch sucht, wende sich bitte an Fachgeschäfte mit ihren kundigen Mitarbeitern. Zweitens: Ein Foyer ist kein Restaurant, auch wenn sich Sitzbereiche durchaus anschließen können. Eine gemütliche Lounge wäre demnach das genaue Gegenteil des Foyers - diese Kombination findet man nur im Hotel. Doch dazu später. Daraus folgt drittens: Das Foyer bietet an Funktionen nur das Notwendigste - eine Garderobe (auch wenn Mäntel, Jacken und Rucksäcke inzwischen oft in die Säle geschleift und auf dem Boden oder Nachbarsitz abgelegt werden), eine Bar mit Imbiss sowie Stehtische. Viertes: Ein Foyer muss nicht gemütlich sein, dafür luftig, gut belichtet (Kronleuchter, Spots) und großzügig. Keinesfalls darf es zugig sein oder Menschen einschüchtern - auch wenn das einige Konzerne billigend in Kauf nehmen. Und schließlich, fünftens: Jedes Foyer verlangt nach dem großen Auftritt, vorzugsweise nach geschwungenen Treppenanlagen, auf denen sich Gäste in Stars verwandeln, auch wenn der rote Teppich fehlt. Das Foyer ist vor allem eines: gebaute Kommunikation. Dafür braucht es eigentlich nicht viel. Glaubt man. Tatsächlich sind Foyers eine der anspruchsvollsten architektonischen Aufgaben.

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Prunkvoll und modern zugleich: Lobby des Luxushotels Fontainebleau Miami Beach. Es wurde vom amerikanischen Architekten Morris Lapidus entworfen und 1954 eröffnet, später umfassend renoviert.

(Foto: mauritius images)

Historisch entstanden sie als Eingangshallen großer öffentlicher Bauten und repräsentative Auftakte für Konzertsäle, Museen oder Theater. Praktisch: In der Pause wurden sie zur Wandelhalle, in denen sich Besucher bei einer kleinen Erfrischung über das Stück ausließen, die Besetzung und bevorzugt über die Menschen, den sie gerade begegneten. Diese zweite Bühne verlangte daher Bewegungsflächen. Farbe brachten nicht überbordende Kulissen, sondern die Menschen selbst.

Kein Wunder, dass das Foyer seinen Ausgang nahm am Hofe von Versailles. Noch bevor die Opéra royal du château de Versailles 1770 von Ange-Jacques Gabriel unter Ludwig XV. vollendet wurde, wuchs 1752 ein prunkvolles Foyer für die etwa 700 Gäste des königlichen Schauspiels. Der Hof machte Schule. Noch durch das ganze 19. Jahrhundert hindurch entstanden Foyers als gute Stube der besseren Gesellschaft, in der Töchter unter die Haube gebracht und Geschäfte besiegelt wurden. Kultur und Kommerz, Posieren und Pausengespräche - das Foyer, in dem sich einst nur frierende Schauspieler herumdrückten, hatte sich zum heimlichen Herrscher des Hauses entwickelt.

Foyer, Lobby, Vestibül

Sie alle bezeichnen den Eingangsbereich: Foyer, Lobby oder Vestibül. Aber niemand spricht heute noch von Vestibül, und selbst Hans Koepf handelt es in seinem "Bildwörterbuch der Architektur" mit einem Satz ab: "Vorhalle eines Hauses, meist mit Garderobe." Nun deutet vestibulum auf römische Wurzeln, genauer: den (geschmückten) Übergang zwischen Straße und Haustür bei entsprechend repräsentativen Anlagen. Aus der Vorhalle entwickelte sich die noble Eingangshalle der Neuzeit, gern mit großartiger Treppenanlage. Das Foyer hingegen war immer an ein Gebäude von öffentlichem Rang gebunden, etwa an Theater und Opernhäuser, und diente als Empfangshalle mit Garderobe sowie zwischen den Akten als Wandelhalle. Pausengespräche sind auch Kennzeichen der Lobby im amerikanischen oder britischen Parlament. Dort treffen Wähler (eher selten) oder Interessenvertreter (eher häufig) auf ihre Abgeordneten. So entstand ein weiterer Begriff: Lobbyismus als besonders heikle Form der Kommunikation. ohe

Einen Einblick in das bunte Treiben bietet der Schriftsteller Theodor Fontane, wenn er etwa in einem Gedicht 1851 einen Ball in Paris seziert: "Drin wogt es schon; auf Klängen der Musik / Wiegt sich der Glanz der neuen Republik: / Die Abenteurer und die Schleppenträger, / Die Vettern all und all die Stellenjäger / (Auf deren Brust das Kreuz der Ehre blitzt, / Weil nichts von Ehre drin im Herzen sitzt) / All sind sie da, und leichter schwebt ihr Fuß, / Trifft sie des Kaiserneffen flüchtger Gruß." Das Foyer als ein Stück gebauter Kommunikation - hier traf sich, wer sehen und gesehen werden wollte.

"Und wieder nutze ich die alten Tricks aus meiner Wundertüte."

Parallel zu großen öffentlichen Bauten entwickelte sich in den Hauptstädten der Alten Welt, in Paris, London, Wien und Berlin, sowie in den Vereinigten Staaten eine andere Tradition. Im Grand Hotel regierte die Lobby. Und die verlangte nach anderen Regeln. Keiner kannte sie besser als der geniale Morris Lapidus, der mit dem Hotel Fontainebleau in Miami Beach den Inbegriff modernen Luxus schuf. "Es gab Wochen, in denen ich dachte, ich wäre pausenlos auf der Bühne", schrieb Lapidus, der selbst eine Ausbildung zum Schauspieler genossen hatte, über die Arbeit an seiner Luxusunterkunft - das als Kulisse für den James-Bond-Film "Goldfinger" weltberühmt wurde mit einer Sequenz, die vom Hubschrauber aus bis in den Pool taucht. Im Foyer entfaltet der Architekt sein ganzes Können und pulverisierte die Ansicht durch prachtvolle Kronleuchter, von oben beleuchtete, stilisierte griechische Säulen. Und weil Lapidus wusste, dass er hier nur Kulissenarchitektur schuf, blickten all die Sitzgruppen wie zufällig auf eine geschwungene Wand mit Piranesi-Motiven und eine ebenfalls geschwungene Treppe, die ins Nichts führte. Lapidus hatte hier ein geniales Foyer-Theater geschaffen, mit übergroßem Mobiliar und protzigen Kronleuchtern, Marmor und Bronze. Wer es hierhin geschafft hatte, konnte sicher sein für den Augenblick. Wenn auch vielleicht nicht vor der Steuer.

So kommen im kleinen, großen Theater des Hotels alle Sehnsüchte und Wünsche zusammen. Deshalb darf hier auch getrickst und gelogen werden. Bei Lapidus durchstoßen Säulen schon mal die Decke, und Marmor fließt über den Boden. Der Architekt selbst sah das gelassen, ja ironisch: "Und wieder nutze ich die alten Tricks aus meiner Wundertüte", sagt er über die Lobby von Sussex Hall, "weiche Kurven, Käselöcher in abgesenkten Decken und gerundeten Wänden. Es gab eine große Wendeltreppe - alles nur, um einen Überfluss an Bewegung zu erzeugen." Vielleicht macht eine gute Hotel-Lobby auch deshalb so viel Spaß. Man sitzt mitten in der Bewegung und hält sich für den Nabel der Welt. Zumindest für einige Stunden.

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