Einige Monate lang schien sie tot zu sein; seit letzter Woche jedoch tobt innerhalb der Bundesregierung einmal mehr die sattsam bekannte Steuersenkungsdebatte. Der Erkenntnisgewinn ist gleich null - was vor allem daran liegt, dass alle Argumente hundert Mal ausgetauscht wurden und bisher niemand ein intelligentes, schlüssiges und bezahlbares Reformkonzept vorgelegt hat.
Finanzminister Wolfgang Schäuble will sich nun zumindest an einer Vereinfachung des Steuerrechts versuchen. Allerdings hat die 19-Punkte-Liste, die er den Ländern vorgelegt hat, bei den Verbänden und in der Finanzverwaltung vor allem Enttäuschung ausgelöst: Von Kleinkram ist die Rede, von Placebos, von einer Farce gar.
Die Reaktion scheint nachvollziehbar, denn die Liste mutet tatsächlich ebenso kleinmütig wie zusammengewürfelt an. Tatsächlich aber hat Schäubles Ministerium viele Vereinfachungsideen aus gutem Grund verworfen: Das Steuerrecht ist vor allem deshalb so kompliziert, weil es versucht, die Lebenswirklichkeit der Steuerzahler zu berücksichtigen.
Anders ausgedrückt: Man könnte zwar in der Tat viele komplizierte Individualansprüche durch Pauschalen ersetzen, dies hätte jedoch Folgen. So erhielten beispielsweise alle Arbeitnehmer die gleiche Pendlerpauschale - egal ob sie 40 Kilometer vom Büro entfernt wohnen oder gleich um die Ecke. Einfacher wäre das. Aber ist es auch erstrebenswert?
Das Beispiel zeigt, dass Bürokratieabbau im Steuerrecht zwar populär, aber oft wenig praxistauglich ist. Man könnte sogar sagen: Je einfacher das System, desto ungerechter wird es. Der Slogan "Einfach, niedrig und gerecht" ist ein Widerspruch in sich. Richtig müsste er lauten: einfach, niedrig - oder gerecht.hul
