DaimlerChrysler-Hauptversammlung III:"Versaubeutelt, verkoppert und verschremppt"

Professor Wenger erklärt den Daimler-Kopper-Faktor und prügelt auf die "Blindgänger der Deutschen Bank" ein. Unser Reporter Thorsten Denkler berichtet live aus Berlin.

19:35 Uhr Hatten wir nicht vor einer Stunde gesagt, nur noch knapp eine Stunde? Nun, die Aktionäre, vor allem die kritischen, wissen offenbar, dass es auch noch bis Mitternacht gehen kann. Sie melden sich immer wieder. Was davon jetzt noch zu erwarten ist, lässt allerdings keinen weiteren Erkenntnisgewinn erhoffen. Darum: sueddeutsche.de beantragt das Ende der Debatte. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Das Abstimmungergebnis werden wir Ihnen nicht vorenthalten. Sie finden es an auf unserer Seite, sobald ein Ergebnis vorliegt.

18:49 Uhr Harte Kritik an der Presse von Ekkehard Wenger, dem Würzburger BWL-Professor und erbitterten Konzernkritiker. Laut Wenger habe der scheidende Aufsichtsratsvorsitzende Kopper beteuert, kein Geld vernichtet zu haben. "Und die Presse ist auch noch bescheuert genug und druckt das ab!" Die Presse sei immer "der schlimmste Feind des Aktionärs gewesen". Die Aktiengesellschaft könne ihrerseits offenbar vor allem eins: "die Presse richtig einseifen". Dazu der Kommentar von Wenger: "Das ist eine Schönschreiberei zu Lasten der Gesellschaft." Das als Schluss-Spurt.

18:45 Uhr Wenger sorgt für weitere Aufklärung. Weil der Vorstand ja keine Antwort gegeben habe, präsentiert der Kritiker und Aktionär seinen Daimler-Kopper-Faktor. Dieser Faktor liege bei exakt 3,1, hat der Professor ausgerechnet. Nach Wengers Angaben hat ein BMW-Aktionär nach 17 Jahren Kopper an der Spitze des Daimler-Aufsichtsrates 3,1 mal mehr Geld in der Tasche als ein DaimlerChrysler-Aktionär - bei gleichem Kapitaleinsatz. Das sei eine "nackte Katastrophe".

18:40 Uhr Noch einmal etwas für Feinschmecker: Professor Wenger geht zum zweiten Mal ans Pult. Er hat sich offenbar die Mühe gemacht, die aktuellen Kurse aus dem Internet zu fischen. Ergebnis: Bei freundlichem Markt sei DaimlerChrysler mit einem Prozent im Minus, während BMW bei zwei Prozent im Plus liege. Wengers messerscharfe Analyse: "Das jämmerliche Schauspiel dieser Hauptversammlung ist nicht goutiert worden. Die Anleger wenden sich einer Firma zu, die besser geführt ist, nämlich BMW." Und was machen die Vorstände? Wenger weiß es: "Sie sitzen hier herum in ihrer bornierten Arroganz. Das ist wirklich erschreckend! Jeden Studenten würde man durch die Zwischenprüfung rasseln lassen, wenn er so rechnen würde wie sie!"

17:55 Uhr Jürgen Grässlin vom Verband der Kritischen Aktionäre droht, auch noch fünf Mal ans Pult zu treten, wenn er keine Antwort auf seine Fragen nach den Graumarktgeschäften bekommt. Diese Fragen hatte der Vorstand immer abgewehrt mit dem Hinweis, dass der Vorstand sich dazu nicht äußere. Grässlin wirft dem Konzern vor, unangenehmen Graumarkthändlern die Hölle heiß zu machen, genehmen Graumarkthändlern aber den Roten Teppich auszurollen. Obwohl solche Geschäfte verboten sind. Wenn Gässler Ernst macht, dann kann das noch eine unangenehmes Spiel auf Zeit werden heute abend. Dann hält er werbewirksam sein neues Buch in die Kamera "Abgewirtschaftet?! Das Daimler-Desaster geht weiter". Eine Hauptversammlung als Werbeplattform in eigener Sache.

17:50 Uhr Juchee, die Debatte geht in die zweite Runde. Keine Sorge: Nur fünf Redner wollen nochmal ans Mikro. Wenn von ihnen niemand mehr noch ein drittes Mal will, dauert diese letzte Rede-Etappe noch etwas mehr als eine Stunde. Dann kommt die Abstimmung. Und dann muss das Ende kommen.

17:40 Uhr Endlich scheint es, als stünde die Wohnmobilfrage kurz vor der Klärung. Das war die Sache mit dem Antriebsstrang, der immer vibriert. Doch wider Erwarten ist Dieter Zetsche, der Vorstandsvorsitzende der DaimlerChrysler AG, überfragt. Ihm liege das Wohnmobil des Aktionärs dennoch "am Herzen", gibt Zetsche zu. Darum wird sich der Antriebsstrang- und Reisemobilexperte der DaimlerChrysler AG mit dem Aktionär in Verbundung setzen. Na, das ist Aktionässervice.

17:11 Uhr In der Reihe 21 im Saal 1 des ICC Berlin sitzt eine Frau und hat eine DVD bei sich. Auf der DVD ist zu sehen, wie ein amerikanischer Chrysler-Händler mit Rodeo-Szenen für seine Fahrzeuge wirbt. Das gehe natürlich nicht, sagt die Frau. "Wenn das der kleine Knut wäre, der da qequält wird, wäre längst etwas geschehen", sagt sie. Und: "Wieviel Tiere müssen noch sterben, damit DaimlerChrysler seine Autos verkaufen kann?" Leider kann die Frau ihr Anliegen vor nur noch halb gefüllter Halle vortragen.

17:02 Uhr Manche Aktionäre haben besondere Sorgen. Ein Fall zur Veranschaulichung - Also, im Antriebsstrang vibriert etwas. Der Antriebsstrang steckt im Wohnmobil eines Aktionärs. Das Wohnmobil ist ein Mercedes. Da passt es gut, dass der Aktionär jetzt mal Gelegenheit hat, auf der Hauptversammlung vor über 8000 Aktionären diese Problem zu schildern. Herr Zetsche, wie ist das mit dem Antriebssträngen in den Wohnmobilen Ihrer Aktionäre? Wir warten auf Ihre Antwort.

16:55 Uhr Wenn man den Aktionären glaubt, ist der DaimlerChrysler-Konzern ein einziger Sumpf der Kriminalität. Beispiel: Ein Redner stellt dar, dass ein Logistikunternehmer, obwohl dieser in U-Haft sitze, von DaimlerChrysler nach wie vor mit Fahrzeugen beliefert werde. Einem anderen Logistiker, der auch in U-Haft gesessen habe, seien dagegen alle Verträge gekündigt worden. Der Unterschied: Letzter wurde freigesprochen. Ersterer "wird es mit Sicherhei nicht", sagt der Mann. Dieter Zetsche, schließt der Mann, wate immer noch im Schmutz der Vergangenheit. "Sie haben Leichen im Keller, da wird einem rechtschaffenen Stuttgarter schlecht."

16:43 Uhr Es ist schon erstaunlich, mit welcher Ruhe die Daimler-Manager die Tiraden der Aktionäre über sich ergehen lassen. Finanzvorstand Bodo Uebber klärt sachlich über Wertschöpfungsberichte, Kenngrößen, Bilanzsummen, fremdfinanzierte Finanzdienstleistungen und effektive Stückaktien auf. Dieter Zetsche spricht über innerstädtische Verkehrskonzepte und die Vorzüge des Smart in denselben. Nur auf die Attacken von Wegner gehen beide nicht ein. Müssen sie auch nicht. Beantwortet werden nur Fragen. Und ob Wenger eine Frage gestellt hat, konnte auch der sueddeutsche.de-Reporter nach Rückfrage mit sich selbst nicht abschließend klären.

15:35 Uhr Wenger zetert weiter: Kopper war es ja nicht alleine, sagt er. Es war auch und vor allem Jürgen E. Schrempp, der 2005 vom Posten des Vorstandsvorsitzenden zurückgetreten ist. "Schrempp, schon der Name klingt wie ein Rohrkrepierer", ruft Wenger. Und fragt das Spitzenmanagement, ob es "nach dem Abtreten von Herrn Schrempp das Verschremppen unseres Kapitals fortsetzen wolle". Aber: Was hier "versaubeutelt, verkoppert und verschremppt wurde, dass war nur Dank der Blindgänger in der Deutschen Bank möglich." Also: überall Schuldige. Auch die Presse, alles "Blindschleichen", die Kopper dieser Tage mit freundlichen Portraits würdigen.

Kopper bleibt die Ruhe selbst. Nach Wengers Breitseite geht er cool zur Tagesordnung über und ruft den nächsten Redner auf. Schlimmer kann es heute nicht werden.

15:29 Uhr Wenger spricht und bringt Stimmung in den Saal, wie immer. Der Würzburger Professor hat ja einen Ruf zu verteidigen - als gefürchteter Kämpfer gegen Vorstände und Aufsichtsräte. Hören wir also, was er zu sagen hat: Kopper sei "eine Altlast die uns jetzt endlich erlassen wird". Wenger will deshalb vom Vorstand den "Daimler-Kopper-Faktor" errechnen lassen. Der sei eine Maßgröße für die Kapitalvernichtung des "Dauerversagers Kopper". Konkret ist der Betrag gemeint, den Aktionäre gewonnen hätten, wenn sie bei Amtsantritt Koppers vor 17 Jahren auf BMW-Aktien umgesattelt hätten. Noch schlimmer als der "Daimler-Kopper-Faktor" falle wohl nur der "Deutsche Bank-Kopper-Faktor" aus, sagt Wenger: "Wer mit seinem Unternehmen eine schlechte Performance angestrebe, der war mit Herrn Kopper immer gut bedient."

15:22 Uhr Zur Auflockerung hier einen der Hauptversammlungssprüche: "Das DaimlerChrysler-Management ist ein gutes Beispiel für eine Blue-Jeans: An den wichtigsten Stellen sitzen die größten Nieten." Dieser Spruch stammt diesmal von Leonhard Knoll, der gemeinsam mit seinem Würzburger Professorenkollegen Ekkehard Wenger für die Verdoppelung der Tagesordnung dieser Hauptversammlung gesorgt hat. Und gleich kommt Wenger.

15:05 Uhr Clemens Börsig bekommt eine Konkurrentin für den ihm zugedachten Posten im Aufsichtsrat: Hilmar Kopper verkündet überraschend, dass die Kandidatin der Kritischen Aktionäre, Marion Struck-Garbe, aufgestellt werden kann. Struck Garbe ist 59 Jahre alt, Diplom-Sozialwirtin, und Referentin für Frieden und Umwelt bei Greenpeace. Ein Kampfkandidatur wird es dennoch nicht: Es ist kaum zu erwarten, dass das versammelte Kapital mehrheitlich den Vorschlag des Aufsichtsrats missachtet. Und der heißt Börsig.

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