Dachreinigung:Schaden oder Nutzen

Siehst Du das Gesicht?

Ob und wie ein Dach geputzt werden muss, sollten Fachleute entscheiden.

(Foto: Martin Schutt/dpa)

Moos, Algen und Vogelkot können ein Dach stark verschmutzen. Die Funktion und Lebensdauer von Ziegeln beeinträchtigt das aber eher selten. Wann die Reinigung sinnvoll ist und was Hausbesitzer beachten sollten.

Von Stephanie Hoenig

Auf Steildächern siedeln sich im Lauf der Jahre Algen, Flechten und Moose an. Diese Patina empfinden manche Hausbesitzer nicht nur als unschön, sie befürchten auch Schäden am Dach. Deshalb wollen sie es mit Dampf- oder Wasserstrahlgeräten reinigen lassen. Ein anschließender Anstrich soll die Dachziegel versiegeln, sodass weder Schmutz noch Wasser eindringen kann, versprechen zumindest Anbieter. Die Beschichtung der Ziegel mit Farbe könne so ein teures Neueindecken mit Dachsteinen und -ziegeln hinauszögern. Fachleute sehen das aber anders: Solche Reinigungsarbeiten könnten mehr schaden als Moos, Algen und Vogelkot.

Der Nutzen einer Dachreinigung und anschließenden Beschichtung wird in Fachkreisen denn auch kontrovers diskutiert. "Steildächer benötigen in der Regel keine Reinigung", betont Josef Rühle, Geschäftsführer Technik beim Zentralverband Deutsches Dachdeckerhandwerk in Köln. "Weder Algen, Flechten noch Vogelkot oder andere Schmutzablagerungen beeinträchtigen die Schutzfunktion des Daches. Das sind lediglich optische Beeinträchtigungen." Kritisch ist auch Tristan Jorde, Umweltreferent bei der Verbraucherzentrale: "Flechten und Moos beeinträchtigen die Funktion und Lebensdauer der Dachdeckung nicht." Erst wenn der Bewuchs zu dick geworden sei, könne er mit Abschaben entfernt werden. "Reinigungsmittel, die Biozide enthalten, sollten nicht verwendet werden", rät Jode.

Auf die hohe Lebensdauer von Dächern verweist die Architektin Eva Reinhold-Postina. "Dachziegel aus Ton können 100 Jahre und noch älter werden", sagt die Expertin des Verbandes privater Bauherren in Berlin. Dies zeigten eindrucksvoll denkmalgeschützte Häuser. Üppiger Moos- und Algenbefall schade dem Dach nur, wenn Regenwasser nicht mehr richtig abfließe. Sei dies der Fall, speichere sich in den bewachsenen Stellen Wasser. Im schlimmsten Fall dringe das Wasser im Laufe der Zeit unter die Dachschindeln. Entfernt werden sollten Moose und Flechten auch dann, wenn sie in die Dachpfannen hineinwachsen. Bei Frost könne sonst das Wasser im Moos gefrieren und die Dachziegel oder -steine sprengen. Wie stark der Bewuchs auf einem Dach sei, hänge auch vom Standort ab: Auf der Nordseite und unter großen Bäumen wachsen Flechten und Moose besser als auf Süddächern.

"Wer sich am Bewuchs stört, kann ihn beseitigen lassen", rät Rühle. Diese Arbeit sollte der Hausbesitzer aber lieber an Dachdecker-Innungsbetriebe vergeben. In Kehlen, hinter Kaminen und Fenstern seien in der Regel besonders viele Pflanzenreste zu finden, die den Wasserfluss beeinträchtigen. Am besten sei es, die Schmutzschicht mit einer Zungen- oder Firstkelle vorsichtig herauszuhebeln. "Nicht vergessen werden sollte nach einer Dachreinigung, die Regenrinne zu reinigen", ergänzt Reinhold-Postina. Auf keinen Fall sollten Heimwerker selbst aufs Dach steigen, warnt Rühle.

"Ganz gefährlich ist der Einsatz von Hochdruckreinigern."

Dächer, auf denen Solarmodule montiert sind, brauchen besondere Pflege. Hier muss regelmäßig überprüft werden, ob diese Module verschmutzt sind, denn die Verschmutzungen reduzieren die Leistung der Solaranlage. Auch hier sollte der Hausherr nicht selbst aufs Dach steigen: "Die Gefahr, sich zu verletzen oder durch Unachtsamkeit die Module und angrenzende Dachbereiche zu beschädigen, ist einfach zu groß."

Nicht alle Dächer dürfen beschichtet werden: Grundsätzlich beschichtet werden dürften Dachpfannen aus Ziegel und Beton sowie Dachplatten aus Faserzement, heißt es etwa bei der Firma Rathscheck Schiefer- und Dachsysteme in Mayen-Katzenberg (Rheinland-Pfalz). Dagegen eignen sich Schieferdächer für eine Beschichtung nicht. Sie dürfen nur gereinigt werden. Asbesthaltige Eindeckungen dürften aufgrund ihrer Schadstoffbelastung nicht gereinigt und nur von lizenzierten Betrieben behandelt werden. "Ganz gefährlich ist der Einsatz von Hochdruckreinigern", betont Rühle. "Je nach Deckwerkstoff können gesundheitsschädliche Fasern freigesetzt werden. Durch den starken Wasserstrahl kann in die Überdeckungen Wasser eindringen, sodass die darunterliegende Wärmedämmschicht durchfeuchtet oder gar zerstört wird."

Auch der Dachpfannenhersteller Braas aus Oberursel (Hessen) warnt ausdrücklich vor einer Hochdruckreinigung und Beschichtung. Denn oft entstünden durch eine unsachgemäße Ausführung Schäden und nachträgliche Kosten für den Hausbesitzer. Werde Schmutz mit hohem Druck zwischen die Pfannen gedrückt, könne das Dach Schaden nehmen und sogar undicht werden. Außerdem könnten Dachpfannen bei unsachgemäßer Begehung kaputt gehen. Eine vollständige Reinigung des Daches mit Hochdruck ist nach Angaben der Bremer Umweltberatung ohnehin nicht möglich, weil sich die Dachziegel überlappen. In diesem Bereich bleibe dadurch immer ein Schmutzrest. Nach der Reinigung erfolge eine Grundierung, damit die Acrylschicht haften könne. Den Grundierungen seien oft Algen- und Pilzgifte zugesetzt. Nach einer Untersuchung des Landesumweltamtes Nordrhein-Westfalen werden diese Biozide ausgewaschen und gelangten in die Umwelt. Im nächsten Schritt werde die Farbe aufgetragen. Ob neben den relativ unkritischen Acrylteilchen auch Konservierungsmittel oder schädliche Farbpigmente in den Farben enthalten seien, werde nicht auf jedem Etikett deklariert. Reinigung und Beschichtung werden oft von reisenden Betrieben als Haustürgeschäft angeboten. Manche stellten leichte Alterungsspuren an den Dächern übertrieben dar und empfählen einen Anstrich - angeblich zu einem besonders günstigen Preis, berichtet Reinhold-Postina. "Treten später Schäden durch die Beschichtung am Dach auf, sind solche reisenden Firmen aber oft nicht mehr auffindbar und können nicht haftbar gemacht werden", warnt Reinhold-Postina. "Fachbetriebe am Ort sind schon wegen der Nähe und der durchzusetzenden Gewährleistungsansprüche immer die bessere Wahl", rät die Architektin. Und noch ein Tipp: Die Handwerksleistungen können in der Steuererklärung als haushaltsnahe Dienstleistung geltend gemacht werden. Aber nur, wenn die Rechnung überwiesen worden sei. Die von reisenden Handwerkern oft verlangte Barzahlung werde vom Finanzamt dagegen nicht anerkannt.

Statt einer Reinigung und einer neuen Beschichtung kann im Einzelfall eine Dachdeckung die bessere Lösung sein. Hausbesitzer sollten sich dafür von mehreren Dachdeckermeisterbetrieben beraten lassen, rät Reinhold-Postina. Und: "Viel wichtiger als eine Reinigung ist die Reparatur von Schäden, die im Herbst und Winter entstanden sind", fügt Rühle hinzu. Denn Dächer seien immer wieder heftigen Natureinflüssen wie Starkregen, Hagel oder Stürmen ausgesetzt.

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