Corporate Architecture:Visitenkarten aus Stein

Autokonzerne wie BMW oder Luxushersteller wie Prada lassen ihre Firmensitze oder Shops schon länger von namhaften Architekten entwerfen. Nach den Konzernen entdecken nun auch Mittelständler die "Corporate Architecture".

Gerhard Matzig

Autokonzerne wie BMW oder Luxushersteller wie Prada lassen ihre Firmensitze, Produktionsstätten oder Shops schon länger von namhaften Architekten entwerfen. Eine aussagekräftige "Corporate Architecture" soll die jeweilige Marke repräsentieren. Mittlerweile bemühen sich auch immer mehr mittelständisch geprägte Unternehmen um eine ansprechende Baukultur, um das Image zu fördern.

Corporate Architecture: Wertet Bilbao massiv auf: das Guggenheim-Museum, das sich hier im Nervion-Fluss spiegelt.

Wertet Bilbao massiv auf: das Guggenheim-Museum, das sich hier im Nervion-Fluss spiegelt.

(Foto: Foto: AP)

Durchdachte Architektur kann aber auch den Mitarbeitern dienen - und der Rendite: Studien zufolge lässt sich die Arbeitsproduktivität im Büro durch gut komponierte Räume deutlich steigern.

Seit Bilbao weiß man, welche vitalisierende Kraft in der Architektur stecken kann. Mit Hilfe eines einzigen Bauwerks hat die Hauptstadt der nordspanischen Provinz Biskaya ihr Aschenputtelsyndrom überwunden - und davon wollte die Wirtschaft lernen.

Bilbao? "Bilbao ist grau", heißt es. Etwa in einem alten Reisebericht: "Grau sind die Geschäftsstraßen, durch die der Verkehr braust, grau der Fluss, der sich lustlos durch die alte Industriemetropole schlängelt, grau die Mietskasernen, die sich an den Bergen hinaufziehen." So oder ähnlich wurde die Stadt im Baskenland oft beschrieben, und so sieht sie auch heute noch aus.

Zumindest auf den ersten Blick - denn plötzlich leuchtet etwas zwischen den Häuserzeilen hervor: die bizarren, vom Architekten Frank Gehry erdachten Formen des neuen Guggenheim-Museums. Der Titanmantel des spektakulären Baus überstrahlt die farblose Stadtlandschaft und übt eine magische Anziehungskraft aus.

Rund 1,3 Millionen Besucher sind allein im ersten Jahr nach der Eröffnung der Kunstkathedrale im Oktober 1997 gekommen. Die Zahlen haben alle Erwartungen übertroffen: Die Fluggesellschaften mussten die Frequenzen ihrer Flüge nach Bilbao aufstocken, die Hotels ihre Bettenzahl. Die Restaurants waren überfüllt, die Bars in der Nähe des Guggenheim-Museums überfordert.

Kein Wunder: Bilbao zählt 350.000 Einwohner, doch zweimal so viele Menschen kommen Jahr für Jahr nach Bilbao, nur um das neue Museum zu bestaunen. Nicht nur die darin enthaltene Kunst - sondern vor allem auch die Baukunst selbst.

Design weckt Emotionen

Bilbao ist überall, denn der Bilbao-Effekt wirkt immer dort, wo es gelingt, durch architektonische Zeichenhaftigkeit und baukulturelle Qualität einer Unternehmensphilosophie Ausdruck zu verleihen. Das nennt man Corporate Architecture.

Unternehmen nutzen diese Baukunst seit einiger Zeit bewusst, um nach innen ihren Mitarbeitern ein ideales Arbeitsumfeld zu bieten - und um nach außen ein bestimmtes Image auch mit baulichen Mitteln zu erzeugen, zu festigen oder zu ändern. Das architektonische Bemühen um die Marke - ein mit Stein, Glas und Stahl betriebenes Branding - ist die Übertragung des einst kulturell geprägten Bilbao-Effekts ins Reich der Ökonomie.

Er wirkt dort, wo man einen Standort, ein Produkt oder eine Dienstleistung mit Hilfe der Architektur mit zusätzlichen immateriellen Facetten ausstattet: zum Beispiel mit Aura, Emotion, Mythos, Image und Prestige, aber auch mit Seriosität, Präzision, Zuverlässigkeit und Genauigkeit.

Die großen Konzerne haben das schon längst begriffen - vor allem die Autohersteller: Architekten wie Zaha Hadid oder Wolf Prix von Coop-Himmelb(l)au haben deshalb für BMW in Leipzig und in München staunenswerte Bauten geschaffen. Ben van Berkel hat für Mercedes in Stuttgart gebaut. Und Allmann Sattler Wappner bauen für Audi in aller Welt.

Im Zuge dieser Entwicklung ist die Idee der Corporate Architecture auch für mittelständische Unternehmen interessant geworden.

Visitenkarten aus Stein

Das zeigt sich dem Betrachter etwa an der "Softwarescheune", dem Firmensitz der Ingenieursgesellschaft IGZ im oberpfälzischen Falkenberg. Die Softwarescheune tritt archaisch und robust in der Form auf. Sie besitzt ein weit ausladendes, granitenes Sockelgeschoss, das sich nach oben hin zu einer hölzernen Fassade verjüngt. Der Bau ist präzise im Detail und klug in der räumlichen Organisation, die Konzentration ebenso wie Kommunikation zulässt.

Zu diesem Zweck haben die Architekten türlose, aber dennoch räumlich gut abgeschirmte Arbeitsplätze um einen üppig dimensionierten Mittelgang herum angeordnet, der sich bis ins Obergeschoss erstreckt. Dieser Gang ist mehr als der übliche Büroflur: Er ist eine veritable, einladende Begegnungsstätte, die durch viel Glas mit den einzelnen Projektbüros immer wieder verbunden ist.

Das Idyll hat seinen Preis

Das Bauwerk ist eines der gelungensten Beispiele für Corporate Architecture: Es ist eine Mischung aus Stolz und Bescheidenheit, aus Vision und Bodenständigkeit - und spiegelt damit jene Züge, die vielleicht die Erfolgsformel der Firma IGZ sind.

Wolfgang Gropengießer und Johann Zrenner, die beiden Gründer, stehen in einer der großzügigen und behaglichen Loggien ihres neuen Firmengebäudes. Sie blicken hinaus auf Falkenberg, hinaus also auf Burg, Rathaus und Kirche. Und auf den "Roten Ochsen" natürlich: Das ist eine bewundernswert urtümlich gebliebene Wirtschaft mit Mauern, so dick, dass man sie mit Armen kaum umfassen kann. Aber das ist es dann auch schon: Das ist Falkenberg.

Eine Marktgemeinde, die sich zwar anmutig in die sanft modulierte Topographie der nördlichen Oberpfalz schmiegt, die aber dennoch nur der Lebensraum für wenige hundert Menschen ist. Ein sehr schönes Fleckchen Erde - aber ein Fleckchen. Das Idyll hat seinen Preis. Und man fragt sich, ob hier überhaupt noch die paar hundert Menschen leben würden, wenn die Falkenberger Brüder Gropengießer (der den Namen seiner Frau angenommen hat) und Zrenner nicht vor ein paar Jahren ihre Firma IGZ gegründet hätten.

Das Haus demonstriert Stolz

Man kann gut verstehen, dass sich in den Gesichtern der beiden Gründer, wie sie da von ihrem mit großem architektonischen Geschick erbauten Firmensitz auf die Vaterstadt blicken, so etwas wie Stolz zeigt. Stolz darauf, einigen Dutzend Menschen aus der wirtschaftlich nicht eben prosperierenden Grenzregion Arbeit zu bieten - und Zukunft. Denn die IGZ, die Logistikkonzepte für große Unternehmen wie Schenker oder auch für Mode-Firmen wie Boss erstellt, wächst jedes Jahr um erstaunliche Prozentsätze.

Gegründet wurde die IGZ in einem Keller, und jetzt muss man auch den neuen Firmensitz schon bald wieder erweitern. Gut also, dass sich um das Gebäude herum eine Wiese an die andere reiht. Stolz ist man darauf, ein in Deutschland anerkanntes, sogar weit darüber hinaus nachgefragtes Logistik-Unternehmen wie aus dem Nichts heraus erschaffen zu haben.

Visitenkarten aus Stein

Wenn der Firmensitz all das widerspiegelt, dann hat die Architektur einen gehörigen Anteil daran. Denn der Bau - entworfen vom namhaften, überregional bekannten, aber so eigensinnig wie souverän der Nachbarstadt Tirschenreuth verhafteten Architekturbüro Brückner & Brückner - ist der Raum gewordene, sinnlich nachvollziehbare und somit glaubhafte Abdruck des IGZ-Anspruchs.

Selbst im Gewerbebau, ja, vielleicht sogar in besonderer Weise dort, wo oft Begriffe wie "Kistenarchitektur" publizistisch negativ im Einsatz sind, spielt der bewusste Einsatz von sehenswerter Architektur eine immer wichtigere Rolle. Das architektonisch gestützte Branding, das, wo immer möglich, Unterscheidbarkeit bieten, also auch konkurrenzfähig machen soll, gilt nicht nur dem Kunden gegenüber - sondern auch für Mitarbeiter. Und hier zeigt sich: Der bewusste Einsatz von Architektur ist eine gute Investition.

In der "Bosti-Studie", die vor einigen Jahren in 70 Firmen in den USA durchgeführt wurde, sollte die Bedeutung von Architektur für die Produktivität untersucht werden - vor allem in Büros, aber auch in Werkräumen. Konkret ging es dabei um die Effektivität von architekturpsychologisch gesteuerten Gestaltungsveränderungen und Umfeldoptimierungen am Arbeitsplatz.

Architektur steigert die Produktivität

Das Ergebnis: Nach fünf Jahren hatten die Angestellten ihre Leistung um bis zu 17 Prozent gesteigert. Auch die Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation haben in der Langzeitstudie "Office Excellence Check" einen Zusammenhang zwischen Raumqualität und Arbeitsproduktivität nachgewiesen. Dabei kamen ungenutzte Produktivitäts-Potentiale in deutschen Büros an den Tag: Mit dem richtigen Office-Design ließe sich demnach die Leistung der Mitarbeiter um bis zu 36 Prozent steigern. Andere Studien gehen sogar von 50 Prozent aus.

Gewerbestätten, die auch unter dem Gesichtspunkt des gestalterischen Mehrwerts erbaut wurden, können also nach außen demonstrieren, dass sie sich auch als Repräsentanten ihrer Inhalte verstehen: Zeige mir dein Büro, und ich sage dir, wer du bist. Nach innen aber steigert die Architektur die Produktivität.

Als Folge solcher Erkenntnisse finden sich immer öfter herausragende Beispiele moderner Baukunst auch auf jenem Terrain, das bisher frei davon schien: Supermärkte, Fahnenmastfabriken, Betriebshöfe, Lagergebäude und Bürogebäude. Oder Scheunen, die in Wahrheit moderne Arbeitsstätten sind - wie die Softwarescheune, die Brückner & Brückner entworfen haben: Dort gibt es Besprechungszimmer, die Glaswände haben und transparent wirken.

Billig war das nicht. Zum gleichen Preis hätte man auch Holzvertäfelungen bekommen. Das wäre auch schön gewesen. "Aber", sagt Wolfgang Gropengießer, "dann würde man sich fühlen wie in einer Anwaltskanzlei. Das sind wir nicht. Das wäre irgendwie verkehrt."

Die beiden Brüderpaare - die Bauherren Gropengießer und Zrenner sowie die Architekten Brückner & Brückner - haben sich das genau überlegt. Sie haben sich nicht getäuscht. Das bestätigen nicht nur die Kunden und Mitarbeiter, sondern auch die Zahlen.

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