Süddeutsche Zeitung

Concierge:Die Hüter

Sie haben in den besten Hotels der Welt für das Wohl der Gäste gesorgt. Heute kümmern sich Raffaele Sorrentino und John Brian Pheby um Bewohner luxuriöser Wohnhäuser.

Von Steffen Uhlmann

James Bond sagt im jüngsten Film: "Ich habe dieses Haus schon immer gehasst". Diesen Satz würde John Brian Pheby sicher nicht über die Lippen bringen. Schließlich ist er in seinem neuen Job so etwas wie ein umsichtiger Haushüter und kein Agent, der bei seiner Mission bisweilen ganze Gebäude in Schutt und Asche legt. Oder ist er vielleicht doch ein Spion? "Als ich vor einiger Zeit zu einem Forum geladen war, hatte man mich auf der Einladung nicht als Pheby, sondern als Philby angekündigt", erzählt er und muss heute noch darüber lachen. "Da war die Bude voll, weil alle spannende Agentengeschichten erwarteten." Was so verwunderlich nicht ist, gibt doch Stalins sagenumwobener Meisterspion Kim Philby viele Jahre nach seinem Tod immer noch große Rätsel auf. Aber auch Phebys Biografie, das gesteht er gern zu, hat Momente eines Spionagethrillers.

Sein Vater, ein britischer Sprachwissenschaftler, war ein Wandler zwischen den Welten, lebte mal in England, mal in der DDR und umgekehrt. Und mit ihm auch sein Sohn John, der 1967 in Ostberlin geboren wurde, in Glasgow, London und Yorkshire seine Kindheit verbrachte und als Jugendlicher mit seinen Eltern wieder nach Berlin in den Ostteil der Stadt zurückkehrte. "Da bin ich dann hängen geblieben", sagt der mittlerweile fast Fünfzigjährige - erst als Dolmetscher und Übersetzer, Rundfunkredakteur und Buchautor, später dann als Hotelpage und Concierge.

Früher war Sorrentino Chefconcierge im Adlon, heute hat er seine eigene Firma

Gerade in seinem vorläufig letzten Berufsabschnitt vom Hotelpagen zum Concierge und Operations Manager, wie er sich jetzt nennt, hat Pheby ein paar spannende berufliche Stationen hinter sich gebracht. Als die Wende kam, sich die Ostberliner nach dem Einzug der Marktwirtschaft neu aufstellen mussten, vollzog Pheby eine steile berufliche Wende. "Bevor der Sender abgeschaltet wurde, bin ich weg vom Radio und habe 1990 als Page im Palasthotel angefangen", sagt er und zuckt mit den Achseln. ".Ohne jegliche Vorkenntnisse."

Schon ein halbes Jahr später stand er dennoch an der Rezeption des Ostberliner Luxushotels. Und da blieb er viele Jahre. 1998 dann aber der Wechsel zum Hotel Park Inn am Berliner Alexanderplatz, wo er fast ein Jahrzehnt lang mit drei Kollegen eine Private Lounge betrieb. "Viel Arbeit, viel Stress und das häufig rund um die Uhr", sagt Pheby. "Irgendwann hatte ich davon genug und bin zurück als Concierge ins berühmte Westberliner Hotel Interconti. Aber auch das war wieder nur eine Zwischenstation für den Nomadenarbeiter, der bald erneut wechselte und diesmal in der Sicherheitsbranche landete. "Nur habe ich ziemlich schnell herausgefunden, dass das nun wirklich nicht meine Branche ist", gesteht er offen. "Gut, dass ich dann auf Raffaele getroffen bin."

Raffaele Sorrentino, 52, nickt. Die beiden gestandenen Männer wissen, was sie aneinander haben. Sorrentinos Biografie ist mindestens genauso schillernd wie die seines Operations Managers Pheby. 30 Jahre seines Lebens verbrachte der Sohn eines Schneidermeisters aus Neapel damit, die Gäste in den besten Hotels der Welt zu betreuen. Angefangen hat er damit schon mit 14, als der Vater schlichtweg pleiteging und sein Sohn fortan sehen musste, wie er allein klarkommt. "Mein erster Job war Page im feinen Hotel Villa d'Este am Comer See", sagt er. "Das war ein großes Glück, denn der Hoteldirektor dort wurde so etwas wie ein Lehrmeister für mich." Auf sein Anraten fing Sorrentino an, Sprachen zu lernen und sein Abitur nachzuholen. Was folgte, waren Jahre der Bildung und Wanderschaft mit Anstellungen in Luxushotels in Paris, London, St. Moritz, Barcelona, San Francisco und schließlich auch in München und Berlin.

"In Berlin bin ich schließlich geblieben", sagt Sorrentino. "Als Chefconcierge im Hotel Adlon." Dort bekam er es mit fast allen großen Häuptern der Welt zu tun, hatte Erfolg und war bald selbst unter Insidern seiner Branche berühmt. Und suchte dann doch eine neue Herausforderung. "2009 war Schluss mit diesem aufreibenden wie hyperspannenden Job", sagt er. "Da habe ich RAS gegründet und bin seitdem mein eigener Chef." Hinter dem Namenskürzel verbirgt sich ein Concierge Service & Empfangsdienst. "Ein Rund-um-die-Uhr-Service für den jeweiligen Kunden maßgeschneidert", erklärt Sorrentino. "Das ist unser Credo."

Der Mann mit der Aura eines Opernsängers hat mit der Gründung seines Unternehmens einen Service aufgegriffen, der in London oder Paris, New York oder Rio de Janeiro zumindest für Nobelapartmenthäuser ganz selbstverständlich ist: der "Doorman", Concierge oder schlicht der dienstbare Haushüter. "Die Deutschen ziehen schon seit einiger Zeit nach", erklärt Sorrentino. "Und Berlin liegt dabei vorn - gut für mich und mein Geschäft." Dass so ein Concierge-Service den Haus- und Gebäudeeigentümern eine Wertsteigerung ihrer Immobilie verschafft, war dem RAS-Gründer von vornherein bewusst. Mehr Sicherheit, mehr Service im Alltag, mehr Freundlichkeit durch dienstbare Geister, das mache schließlich bei der Immobilie den Unterschied und sei international inzwischen Standard, sagt er. "Auf diesen Trend habe ich gesetzt."

"Wir sind keine Hausmeister, wir sind Kümmerer."

Angefangen hat Sorrentino im Alleingang. "Es gab sieben Kunden und mich", erzählt er. "Der wichtigste hatte ein großes Objekt am Potsdamer Platz." Das Gebäude in der Mitte von Berlin wurde zum eigentlichen Startplatz für sein Unternehmen, das heute mit knapp 130 Beschäftigten etwa 40 Häuser, Gebäude und Großbüros betreut. Seine Kunden sind Haus- und Wohnungseigentümer, Projektentwickler, Bürogemeinschaften oder Hausverwalter. Das Gros davon sitzt in Berlin, aber auch in München, Stuttgart, Hamburg ist Sorrentino mittlerweile mit RAS aktiv. "Demnächst kommt Dresden hinzu", sagt er. "Aber dort geht es bei Weitem nicht nur um Luxusimmobilien."

Wieder so ein Trend, dem sich Sorrentino stellt. Auch immer mehr Wohnungsgesellschaften entdecken für ihre großen Wohnhäuser den Concierge-Dienst für sich. Dank der Präsenz eines Haushüters, so ihre Erfahrung, geht plötzlich weniger kaputt, bleiben mehr Fenster heil und Aufzüge länger intakt. Anonymität schwindet, Sicherheits- und Wohngefühl steigen genauso wie Wert und Attraktivität des Gebäudes. Die Mieter zahlen diesen Service gern, der je nach Wohnungsgröße anteilig auf die Betriebskosten aufgeschlagen wird.

"Wir sind keine Hausmeister, keine Portiers, wir sind Kümmerer", sagt Pheby, der vor den Festtagen als Concierge für einen krank gewordenen Kollegen eingesprungen ist. "In einem ganz besonderen Haus", wie er glaubt. Stimmt, nicht umsonst heißt der Elf-Geschosser auf der Ostberliner Halbinsel Stralau "Spreegold". Zwar rührt diese Namensgebung noch aus DDR-Zeiten, als hinter der goldgelb eloxierten Fassade Mitarbeiter des volkseigenen Kosmetikinstituts über der Entwicklung neuer Lippenstifte brüteten. Doch auch nach Umbau und Sanierung durch die Berliner Streletzki-Gruppe trägt das Gebäude dieses Etikett zu Recht. Schließlich ist aus dem "goldenen Haus" ein Luxustempel mit mehr als 100 Wohnungen, mit Tiefgarage sowie Fitness- und Wellness-Bereich im Erdgeschoss entstanden. Gleich daneben im sieben Meter hohen und standesgemäß in Goldtönen gehaltenen Foyer hat Pheby jetzt alle Hände voll zu tun. Es ist später Nachmittag, die Bewohner kommen von der Arbeit. Im Raum hinter dem Tresen stapeln sich Pakete, hängt gut geschützt gereinigte Kleidung, sind an der Pinnwand abgearbeitete Aufträge notiert - von der Schuhreparatur bis zur Tischbestellung im Restaurant. Und Pheby ist für alle da. "Zuhören und improvisieren muss man können", sagt er. "Auch findig sein und vor allem diskret."

Sein Chef Sorrentino hat eine ganze Kladde mit Schulungs- und Erziehungsmaßnahmen zusammengestellt. Sein Ehrgeiz ist es, mit dem bestgeschulten Personal gegen die wachsende Konkurrenz anzutreten. "Dazu gehört viel Training", ist er überzeugt. Aber auch eine gute Vorauswahl beim künftigen Personal. Entscheidend seien Empathie, Einfühlungsvermögen, Menschenkenntnis und der natürliche Wunsch, Menschen zu Diensten zu sein. Das "Nein" sei aus dem Wortschatz seiner Mitarbeiter so gut wie gestrichen, wenn es um eine Dienstleistung oder einen Kundenwunsch gehe. "Schließlich bin ja auch noch ich da", erklärt er und zitiert dabei sich selbst, als er noch Chefconcierge im Adlon war: "Geben Sie mir zwei Stunden - ich besorge Ihnen, was Sie wollen."

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Quelle:
SZ vom 24.12.2015
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