Commerzbank: Zoff um Übernahme:Immer Ärger mit der Dresdner

Ein Gericht hebt die Entlastung der Commerzbank-Spitze nach dem Kauf der Dresdner Bank auf. Nun drohen der Bank Schadenersatzklagen.

H. Freiberger

Vorstand und Aufsichtsrat der Commerzbank bekommen Ärger wegen der Übernahme der Dresdner Bank Ende 2008. Das Frankfurter Landgericht gab dem Antrag mehrerer Aktionäre statt und hob die Entlastung von Vorstandschef Martin Blessing und Aufsichtsratschef Klaus-Peter Müller auf der Hauptversammlung nachträglich auf. Damit könnten dem Institut Schadenersatzklagen von Aktionären drohen.

Es geht um eine formelle Angelegenheit: Einer großen Übernahme wie jener der Dresdner Bank muss die Hauptversammlung zustimmen, also die Gesamtheit aller Aktionäre, argumentierten die Kläger.

Das Gericht stellte sich auf ihre Seite (Aktenzeichen 35 O 209/09): Der "vollständige Beteiligungserwerb" habe "allein durch den Vorstand mit Billigung des Aufsichtsrates" stattgefunden.

Hohe Verluste

Deswegen liege "eine Gesetzes- beziehungsweise Satzungsverletzung" vor. Diese stehe der Entlastung der beiden Gremien entgegen. Das Gericht hob nicht nur die Entlastung der beiden Gremienvorsitzenden auf, sondern die aller Mitglieder, da Vorstände und Aufsichtsräte in Deutschland für ihre Beschlüsse gesamtverantwortlich sind.

Die Commerzbank kündigte umgehend Berufung gegen das Urteil an. Die nächste Instanz ist nun das Oberlandesgericht Frankfurt. Wenn die Aktionäre auch von ihm Recht bekommen, könnten sie wegen der nicht ordnungsgemäßen Übernahme Schadenersatz gegen die Bank geltend machen. Dies könnte so aussehen, dass sie den Verlust einklagen, den sie durch den Kursverfall der Aktie erlitten haben. Der Kurs war zwischen Herbst 2008 und Anfang 2009 von mehr als 20 Euro auf gut zwei Euro abgestürzt, inzwischen steht er bei rund 5,80 Euro.

Einer der Hauptgründe dafür waren die hohen Verluste, die durch die Übernahme der Dresdner Bank entstanden. Diese machte wegen der Finanzkrise 2008 mehr als sechs Milliarden Euro Verlust. Die Commerzbank musste mit 18,2 Milliarden Euro vom Staat gerettet werden. Im Einzelfall dürfte es aber schwierig sein nachzuweisen, welcher Anteil des Kursverlustes auf die Übernahme der Dresdner zurückgeht, da auch die Commerzbank unter der Finanzkrise litt.

Psychologische Wirkung

Auch ist juristisch nicht klar, ob die Nicht-Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat überhaupt dazu berechtigen, Schadenersatz geltend zu machen. "Im Grunde kommt der Entlastung dieser Gremien bei Aktiengesellschaften keine große Bedeutung zu", sagt Dirk Kocher, Aktienrechtsexperte bei der Anwaltskanzlei Latham & Watkins.

Weder könne deswegen ein Vorstand abberufen werden, noch habe dies Auswirkungen auf Schadenersatzansprüche. Ein Urteil dieser Art kann allerdings psychologische Wirkung entfalten: Andere Aktionäre könnten sich zu Klagen ermuntert fühlen, wenn ein Gericht schon einmal einen Rechtsverstoß festgestellt hat.

Das Landgericht Frankfurt ist in juristischen Fachkreisen dafür bekannt, dass es gelegentlich umstrittene Urteile fällte, die von einer höheren Instanz kassiert wurden. Pauschalisieren lässt sich dies jedoch nicht: In Sachen Kirch gegen Deutsche Bank bestätigte der Bundesgerichtshof in der höheren Instanz nicht nur einmal Urteile des Frankfurter Gerichts.

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