Commerzbank:Rechnen mit Blessing

Die Commerzbank hat immer noch keine Staatshilfen zurückgezahlt - die Regierung wird langsam ungeduldig. Doch nun hat Konzernchef Blessing noch in diesem Jahr einen "signifikanten Betrag" in Aussicht gestellt.

H. Einecke und H. Freiberger

Um einen lockeren Spruch war Commerzbank-Chef Martin Blessing noch nie verlegen. Als er nach der Fortbildung seiner Mitarbeiter gefragt wird, frotzelt er mit einem Seitenblick auf seinen Kommunikationschef, man müsse vielleicht einmal einen Kurs "Rechnen für Historiker" anbieten.

Bilanzpressekonferenz der Commerzbank

Martin Blessing muss sich in letzter Zeit wegen der Rückzahlung der Commerzbank-Kredite viel anhören.

(Foto: ddp)

Wie angespannt er wirklich ist, zeigt sich erst, wenn man sieht, wie er unter dem Tisch seine Hände knetet. Der Druck auf Blessing, der vorher schon nicht gering war, hat im vergangenen Jahr noch einmal stark zugenommen. Die Berliner Politiker, denen er regelmäßig Bericht erstatten muss, werden ungeduldig und fragen, wann er endlich die Staatshilfe von 16 Milliarden Euro zurückzuzahlen gedenke.

Am Mittwoch auf der Bilanz-Pressekonferenz gab Blessing darauf eine Antwort: Bereits in diesem Jahr wolle man einen "signifikanten Betrag zurückgeben", kündigte er an. Das ist ein Fortschritt, bisher hatte es immer geheißen, spätestens 2012 werde man damit beginnen. Auf die Frage, was er unter "signifikant" verstehe, sprach er von "mindestens zehn Prozent", also 1,6 Milliarden Euro.

Der finanzpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Klaus-Peter Flosbach (CDU), reagierte umgehend. Er begrüßte Blessings Botschaft, sagte aber: "Allerdings ist es eine Selbstverständlichkeit, dass staatliche Kapitalhilfen umgehend zurückgezahlt werden, wenn gleichzeitig erfolgsabhängige Vergütungen bezahlt werden."

Die Boni für Mitarbeiter sind das zweite leidige Thema, das den Druck auf die Bank zuletzt verstärkte. Als es zur Sprache kommt, genehmigt sich Blessing erst einmal einen Schluck Wasser. 440 Millionen Euro schüttet die Großbank 2010 zusätzlich zum Festgehalt an ihre Mitarbeiter aus.

"Wir verstehen die öffentliche Diskussion für eine kleine Gruppe von Großverdienern", sagt er. "Bei unseren 500 Top-Führungskräften haben wir jeden Vertrag einzeln geprüft und angepasst.". Vor der Krise seien die Boni dreimal so hoch gewesen. "Wir sind signifikant runter."

Außerdem gehe es nicht nur um diese Gruppe, sondern um Respekt und Fairness für alle 50.000 Mitarbeiter. Die Boni seien zu 90 Prozent von der individuellen Leistung abhängig, nicht vom Gewinn der Bank. Und die Gehälter der Vorstandsmitglieder sind jährlich bei 500.000 Euro gedeckelt.

Eurohypo verhindert Zinsrückzahlung

Überhaupt zeigt der Großbanker viel Verständnis. Für die Frauen, die es nicht an die Spitze der Bank schaffen. Für die öffentliche Diskussion darüber, warum die Commerzbank auf die staatlichen Einlagen keine Zinsen zahlt - das ist das dritte leidige Thema.

Denn schon im November kündigte die Bank an, dass es für 2010 wieder nichts wird mit den 1,5 Milliarden Euro Zinsen auf die Staatshilfe.

Schuld ist eine Abschreibung von 1,9 Milliarden Euro auf die Immobilientochter Eurohypo, die nach dem deutschen Bilanzrecht notwendig wird. Sie sorgt dafür, dass der Gewinn, der sich nach internationalem Bilanzstandard ergibt, unter null rutscht. Und wenn es keinen Gewinn gibt, gibt es auch keine Zinszahlung. "Ich verstehe die Aufregung darüber", sagt Blessing, "aber verdammt noch mal, es ist nun mal so, wie es ist."

Gute Prognosen für die nächsten Jahre

1,4 Milliarden Euro beträgt der Gewinn nach Steuern für das vergangene Jahr. Das ist etwas mehr, als die Analysten erwartet haben. "Das Ergebnis ist schon beeindruckend", sagt Konrad Becker, Analyst bei Merck Finck, vor allem wenn man bedenke, dass die Bank im Vorjahr noch einen Verlust von 4,5 Milliarden Euro auswies.

Positiv war auch das, was Blessing zur Zukunft sagte: Das Jahr 2011 habe gut angefangen, man sei auf einem guten Weg, Analysten schätzen den operativen Gewinn auf 2,3 Milliarden Euro. Für 2012 visiert er vier Milliarden Euro Gewinn an, "und auch für die Zeit danach haben wir uns eine deutliche Ergebnissteigerung vorgenommen".

Im vergangenen Jahr rettete die Commerzbank vor allem das Firmenkundengeschäft. Allein 1,6 Milliarden Euro Gewinn gehen auf das Konto der Sparte. Sie profitierte davon, dass die Konjunktur in Deutschland unerwartet stark anzog. Deshalb konnte die Bank die Risikovorsorge für ausfallende Kredite um 1,3 Milliarden auf 2,5 Milliarden Euro zurückfahren. Im Investmentbanking machte das Institut einen Gewinn von fast 800 Millionen Euro.

"Die Ergebnisse sind vor allem getrieben von niedriger Risikovorsorge und einem volatilen Handelsergebnis", kritisierte Analystin Christine Schmid vom Investor Credit Suisse Private Banking. Wichtig seien aber stabile Zins- und Provisionseinnahmen aus dem Privatkundengeschäft.

Das ist die Schwachstelle der Bank. Im vierten Quartal rutschte die Sparte sogar leicht in die roten Zahlen, unterm Strich steht für 2010 ein lauer Gewinn von 48 Millionen Euro. "Wir haben die Komplexität der Zusammenführung von Commerzbank und Dresdner einen Tick unterschätzt", gab Blessing zu. Das Ziel, 2012 in der Sparte eine Milliarde Euro Gewinn zu machen, sei "sehr herausfordernd".

Die zweite große Baustelle der Bank ist die Immobilientochter Eurohypo, auf der ein großer Teil der Verluste von 1,6 Milliarden Euro in der Sparte Beteiligungen entfiel. Sie muss laut EU-Auflagen bis 2014 verkauft werden, doch derzeit ist daran nicht zu denken. Blessing mag auch nicht dran denken: "Du lieber Gott, wenn ich mir alles immer drei Jahre vorher überlegen müsste, würde ich wahnsinnig werden", sagte er.

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