Süddeutsche Zeitung

Commerzbank:Die ganz große Frage

Wann ist eine Bank systemrelevant? Die Aufseher wären gut beraten, die Commerzbank nicht auf ihre Liste zu nehmen. Und dafür gibt es gleich drei Gründe.

Harald Freiberger

Ist die Commerzbank systemrelevant? Diese Frage steht seit zwei Wochen auf einmal wieder im Raum, dabei wurde sie vor zwei Jahren schon einmal eindeutig beantwortet: Der Bund rettete das Institut auf dem Höhepunkt der Finanzkrise mit mehr als 18 Milliarden Euro vor der Pleite. Hätte er das nicht getan, wäre es zu weiteren heftigen Verwerfungen auf den internationalen Finanzmärkten gekommen. Deshalb hatte die Politik nach Meinung aller Beteiligten keine andere Wahl, und deshalb ist die Antwort auf die Frage klar: Natürlich ist die Commerzbank systemrelevant.

Wenn die Frage nun wieder gestellt wird, liegt das daran, dass die internationalen Bankenaufseher zur Zeit über einer Liste brüten, die für die Kreditinstitute einschneidende Konsequenzen haben wird. Es geht darum, welche internationalen Großbanken als systemrelevant eingestuft werden. Sie sollen mehr Eigenkapital bilden als nicht systemrelevante Banken, die man in die Insolvenz gehen lassen kann. Sie brauchen also eine Art Puffer, um in einer schweren Krise länger selbst durchzuhalten. Nach allem, was man hört, umfasst die Liste 30 Großbanken auf der ganzen Welt. Die Frage ist nun, ob die Commerzbank zu ihnen gehört, ob sie für die Finanzwelt so wichtig ist, dass sie auf jeden Fall gerettet werden müsste. Dann bräuchte sie mehr Eigenkapital; ein Analyst rechnete eine Summe von neun Milliarden Euro aus.

Eine ominöse Liste

Wenn man es sich einfach machte, wäre die Frage schnell entschieden: Die Commerzbank kommt auf die Liste, denn sie ist heute kaum weniger systemrelevant als vor zwei Jahren. Zwar wird sie von der EU gezwungen, Risiken abzubauen und zum Beispiel den Immobilienfinanzierer Eurohypo zu verkaufen, doch niemand wird ernsthaft erwägen, dass man das Institut im Falle einer neuen Krise pleite gehen lassen könnte. Und trotzdem wären die Aufseher besser beraten, die Commerzbank nicht auf ihre Liste zu nehmen.

Es gibt drei Gründe dafür. Zunächst ist es schwierig, Systemrelevanz zu definieren. Nur nach der Größe einer Bank zu gehen, bringt nichts, weil kleine Institute häufig riskantere Geschäfte eingehen als große, wie in der Finanzkrise das Beispiel IKB gezeigt hat. Die Systemrelevanz einer Bank muss mit ihrem Risiko verknüpft sein, doch dies lässt sich schwer messen. Zudem sind in einer schweren Finanzkrise fast alle Banken systemrelevant, weil auch die Nachricht von der Pleite eines kleinen Instituts das Vertrauen der Bankkunden und der Märkte erschüttern kann. Warum aber sollen dann nur die Großen mehr Eigenkapital bilden und die Kleinen nicht?

Auf die Risiken blicken

Der zweite Grund, die Commerzbank nicht noch weiter zu knebeln, ist ein institutsspezifischer. Wenn man gerade von dem Institut mehr Eigenkapital fordert, das in der Finanzkrise mit am stärksten gelitten hat und sich nun mühsam aus der Misere herausarbeitet, heißt das nichts anderes, als dass man ihm in der aktuellen Situation Entwicklungschancen nimmt. Da sich die Commerzbank derzeit an der Börse kaum Geld besorgen kann, müsste im Zweifelsfall ohnehin wieder der Bund einspringen. Das ist der Politik und auch der Bundesbank bewusst. Nicht umsonst hört man aus ihr skeptische Stimmen, was die Pläne der internationalen Aufseher betrifft.

Der dritte Grund schließlich ist genereller Natur. Es ist richtig und wichtig, von den Banken mehr Eigenkapital zu verlangen, wie es Basel III tut. Die Regelungen tun vielen Banken weh. Aber die Stärkung des Eigenkapitals ist nicht der allein selig machende Weg bei der Zähmung der Banken. Ein dickeres Kapitalpolster hilft zwar, in einer Krise Verluste abzufedern. Aber wichtig ist es auch, die Banken so zu regulieren, dass hohe Verluste gar nicht mehr entstehen können, dass sie also nicht mehr so hohe Risiken eingehen. Es ist eine der wichtigsten Aufgaben der Aufseher, den Geldhäusern in einem frühen Stadium auf die Finger zu schauen. Und das gilt nicht nur für 30 große Banken auf der ganzen Welt.

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Quelle:
SZ vom 26.10.2010/mel
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