Carl Fieger:Rund trifft eckig

Eine Schau widmet sich erstmals dem Gesamtwerk des noch wenig bekannten Künstlers. Der Architekt war mehr als nur ein Mitarbeiter des Bauhausgründers Walter Gropius, er war auch Designer und Zeichner mit einer ganz eigenen Handschrift.

Von Stephanie Schmidt

Zum krönenden Abschluss einer Stadttour auf den Spuren der Bauhäusler bietet es sich an, in ein Original-Bauhaus-Restaurant einzukehren: in die Ausflugsgaststätte Kornhaus, die sich im Norden Dessaus an den Elbdeich schmiegt. Auf ihrer Terrasse und im halbrunden, verglasten Wintergarten kann man den Sonnenuntergang am Fluss erleben. Das Lokal entstand 1929/30 nach Entwürfen des Architekten Carl Fieger (1893 - 1960). Er wirkte auch an der Gestaltung des Bauhausgebäudes und der Meisterhäuser mit. Erstmals zeigt die Stiftung Bauhaus Dessau in einer temporären Ausstellung im Bauhausgebäude Fiegers Gesamtwerk. "Circa 300 Bauhaus-Künstler von internationaler Bedeutung gibt es", sagt Wolfgang Thöner, Leiter der Sammlung am Bauhaus Dessau und einer der Kuratoren der Schau. "Fieger war einer von ihnen. Uns liegt daran, auf bislang weniger bekannte Bauhäusler aufmerksam zu machen."

Die Ausstellung zeigt, dass Fieger mehr war als ein Mitarbeiter im Büro des Bauhausgründers Walter Gropius; er war ein Architekt, Designer und Zeichner mit eigener Handschrift, dessen Stil Rundbauten mit individuellen Farbakzentuierungen und soziale Ideale prägten. "Es gilt heute das Haus zu erfinden, mit allen modernen, technischen Errungenschaften, das so billig sein muß, daß es für den Großteil der Wohnbedürftigen erschwinglich ist", sagte Bauhaus-Lehrer Fieger 1924. Die Schau präsentiert Architekturmodelle seiner zentralen Werke sowie zahlreiche Originale - Zeichnungen, Fotografien, Briefe, Möbel. Die Exponate stammen großenteils aus dem Nachlass des Architekten, der zur Sammlung der Stiftung Bauhaus Dessau gehört. Besucher der Schau tauchen ein in die großen Architekturdebatten jener Zeit, die sich unter anderem um das Verhältnis von Typisierung und Individualität drehten, oder Le Corbusiers Idee der sogenannten Wohnmaschine hinterfragten. 1926 entwarf Fieger für sich selbst ein Haus in Dessau - die passenden Möbel gleich mit dazu. Das "Haus Fieger" kann man allerdings nicht besichtigen, da es sich in Privatbesitz befindet.

Im Gegensatz zu anderen Bauhaus-Lehrern wie etwa Lyonel Feininger oder Josef Albers ging Fieger zur Zeit des Nationalsozialsmus nicht ins Exil. 1953 gestaltete er in Berlin den ersten Plattenbau der DDR.

Die Ausstellung ist bis 31. Oktober täglich von zehn bis 17 Uhr zu sehen.

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