Call-by-Call-Kostenfallen:Teure Tarife tarnen sich als Billigvorwahlen

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Mit Call-by-Call-Nummern kann man eigentlich günstig telefonieren. Doch wehe, man verwählt sich bei den Billigvorwahlen - für einen Tippfehler muss man womöglich kräftig draufzahlen.

Andreas Jalsovec

Selbst die Mitarbeiter der Bundesnetzagentur haben sich schon reihenweise am Telefon verwählt. Allerdings absichtlich: Um zu prüfen, was es mit den zahlreichen Beschwerden von Verbrauchern auf sich hat, die jüngst bei der Aufsichtsbehörde eingegangen sind. Grund für die Test-Tipperei der Aufseher ist eine neue Kostenfalle bei Billigvorwahlen - den Call-by-Call-Nummern.

Mit Call by Call können Verbraucher, die einen Festnetzanschluss der Deutschen Telekom haben, oft günstiger telefonieren als zum normalen Tarif. Das betrifft in Deutschland knapp 24 Millionen Kunden. Sie müssen dazu die Billignummer vor der eigentlichen Telefonnummer wählen. Es gibt aber immer öfter Call-by-Call-Nummern, die anderen Vorwahlen bis auf eine einzige Ziffer ähneln - deren Tarif aber viel teurer ist. Wer sich vertippt, zahlt daher horrende Preise fürs Gespräch. Ein Beispiel: Wählt ein Telefonkunde bei einem Inlands-Ferngespräch im Festnetz die 010010 vor, zahlt er maximal 1,99 Cent pro Minute. Ein Gespräch, das zehn Minuten dauert, kostet demnach keine 20 Cent. Vergisst man jedoch zwischendrin eine Null, wird es teuer: Denn der Anbieter der 01010 verlangt 1,99 Euro pro Minute - also das Hundertfache der 010010. Bei zehn Minuten sind das fast 20 Euro.

Ähnlich große Preisunterschiede gibt es bei mehreren Call-by-Call-Nummern. "Einige Anbieter legen es wohl darauf an, dass sich die Kunden verwählen", meint Rafaela Möhl vom Branchenportal Teltarif. Offiziell zugeben würde das keiner. Ein Sprecher des Call-by-Call-Betreibers Ventelo etwa weist eine solche Vermutung von sich: "Das wäre am Rande der Legalität." Zu der Kölner Firma gehören die beiden Nummern 01088 und die 010088. Zwischen ihnen klafft vor allem bei Auslandsgesprächen eine riesige Tariflücke. Dies habe mit einer Mischkalkulation zu tun, so der Sprecher. Die günstige Nummer sei nicht kostendeckend - das gleiche man mit teureren Diensten aus.

Wer eine Null zu viel eingibt, zahlt schnell den hundertfachen Preis

Noch um einiges komplexer wird es bei den Nummern 01091 und 010091: "Deren Geschäftsmodell funktioniert auf mehreren Ebenen", meint Uwe Martens, Anwalt bei der Frankfurter Kanzlei Elixir Rechtsanwälte. So verdient die 01091 an Kunden, die eigentlich die 010091 wählen wollen und sich vertippen. Aber auch die vermeintlich günstige 010091 hat es in sich: Kunden dieser Nummer, die nicht rechtzeitig ihre Rechnung zahlen, erhalten prompt ein Mahnschreiben. Darin verlangt das Unternehmen sofort eine Mahngebühr von 5,90 Euro. Zahlen die Betroffenen nicht, kommen kurz darauf Zahlungsaufforderungen der Inkassofirma DTMI hinterher. "Die ursprünglichen Forderungen von wenigen Cent wachsen dann sehr schnell zu 20 oder 30 Euro heran", berichtet Martens, der täglich etliche Betroffene berät.

Pikant dabei: Beide Telefonanbieter und die Inkassofirma sind offenbar miteinander verwoben. So ist der Geschäftsführer des 01091-Betreibers Kube & Au gleichzeitig Chef der Inkasso-Firma DTMI. Kube & Au wiederum war Gesellschafter der Vorgängerfirma der 010091. Umgekehrt war deren derzeitiger Chef bereits für Kube & Au tätig. "So landet das Geld aus den Call-by-Call-Geschäften immer in einem eng verbundenen Zirkel", glaubt Anwalt Martens.

Bei der 010091 heißt es dazu, an der Geschäftstätigkeit der beteiligten Firmen sei "rechtlich nichts zu beanstanden". Im Übrigen sei "bei den geringen Margen" im Call-by-Call-Geschäft "ein Mahnwesen unverzichtbar". Sonst stehe die Existenz des Unternehmens auf dem Spiel: "Also erwarten wir auch von unseren Kunden pünktliche Zahlung."

Anwalt Martens empfiehlt Betroffenen, die sich vertippt haben, die Forderung des Call-by-Call-Anbieters sofort schriftlich anzufechten. Den Betrag auf der Telefonrechnung sollte man um die betroffene Summe kürzen. "Die restlichen, berechtigten Posten auf der Rechnung muss man aber zahlen", sagt Martens. Verbraucherschützer raten dazu, schon im Vorfeld nur solche Nummern zu wählen, bei denen es eine Tarifansage gibt. "Auf diese Weise vermeidet man böse Überraschungen", meint Rafaela Möhl.

Künftig sollen Tarifansagen ohnehin für alle Anbieter verpflichtend sein. Das sieht das neue Telekommunikationsgesetz vor. Ursprünglich sollte es Anfang des Jahres in Kraft treten. Bund und Länder streiten jedoch noch um Details in dem Regelwerk. Experten rechnen damit, dass das neue Gesetz bis April kommen wird. "Dann wird sich auch das Call-by-Call-Problem entschärfen", glaubt ein Sprecher der Netzagentur. Bis dahin freilich werden die Mitarbeiter der Aufsichtsbehörde womöglich noch einige Tipp-Tests machen müssen.

Bei welchem Anruf lohnt sich welcher Anbieter? Finden Sie das heraus mit dem Süddeutsche.de-Tarifrechner.

Das Verwählen ist nur eine Falle, die beim Telefonieren mit Call-by-Call-Nummern lauert. Es gibt noch mehr. Am ehesten umgehen können Verbraucher sie, wenn sie auf Nummern zurückgreifen, bei denen vor dem Gespräch der Preis angesagt wird.

Die Tarifwechselfalle

Einige Firmen werben mit günstigen Preisen, machen den Tarif anschließend aber wieder teurer - oft ohne dass die Kunden es merken. "Manche Anbieter ändern die Preise drei- bis viermal am Tag", sagt Joachim Himmler, Tarif-Experte beim Verbraucherportal Biallo.de. Es gibt daher keine Garantie dafür, dass eine billige Call-by-Call-Nummer auch günstig bleibt. "Man sollte deshalb immer die aktuellsten Nummern verwenden", meint Rafaela Möhl vom Branchendienst Teltarif.

Die Auslandsfalle

Bei Auslandstelefonaten sind die Preise extrem unterschiedlich. Ein Beispiel: Mit der 010018 lässt sich derzeit für 0,7 Cent pro Minute nach Spanien telefonieren. Ein Gespräch nach Griechenland kostet hingegen 40 Cent, in die Türkei werden sogar 1,49 Euro pro Minute fällig. Und auch zwischen einem Telefonat ins Festnetz oder aufs Handy gibt es immense Unterschiede. Ein Anruf ins spanische Mobilfunknetz mit der 010018 kostet 1,59 Euro - mehr als 200 Mal so viel wie ins Festnetz. Vor jedem Telefonat sollte man daher auch hier den Tarif noch einmal überprüfen.

Die Taktungsfalle

Die meisten Call-by-Call-Firmen rechnen die Gespräche im Minutentakt ab. Es gibt aber auch Anbieter, die eine längere Taktung verwenden. "Manche wechseln die Abrechnungszeit auch oft", weiß Joachim Himmler. Ein längerer Takt macht jedoch kurze Gespräche teuer. Beim 300-Sekunden-Takt etwa zahlt man schon ab der ersten Sekunde den vollen Preis für ein Gespräch von fünf Minuten. Solche Tarife sollten Verbraucher am besten ganz meiden.

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© SZ vom 25.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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