Bundesverfassungsgericht: Arbeitszimmer:Alle oder keiner

Arbeitszimmer können wieder besser abgesetzt werden: Dem Bundesverfassungsgericht geht es aber in seinem Beschluss dazu nicht um Arbeitszimmer, sondern um eine Art Gerechtigkeit.

Wolfgang Janisch

Vor anderthalb Jahren war es die Pendlerpauschale, jetzt ist es das Arbeitszimmer. In beiden Fällen hat der Gesetzgeber dem Steuerzahler liebgewonnene Privilegien von hohem symbolischen (und finanziellen) Wert gestrichen, und jedes Mal ist das Bundesverfassungsgericht dazwischengefahren. Es versteht sich, dass solche Entscheidungen auf Zustimmung stoßen, zumal bei denen, die dadurch Geld sparen - an Steuersenkungen glaubt ja nicht einmal mehr die FDP.

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Das Bundesverfassungsgericht erleichtert die Absetzbarkeit des Arbeitszimmers. Doch wegen der Schuldenbremse im Grundgesetz ist absehbar, dass der Gesetzgeber auch in Zukunft an diversen Steuerschrauben drehen wird.

(Foto: dpa)

Nur sollte man sich von den Karlsruher Steuergeschenken nicht täuschen lassen. Die Richter haben immer den weiten Spielraum des Gesetzgebers in der Steuergesetzgebung betont. Bei der Pendlerpauschale hatten sie seinerzeit keineswegs die Rückkehr zur vollen Absetzbarkeit der Fahrtkosten angeordnet; sie hätten sogar deren komplette Abschaffung gebilligt. Ähnlich ist es auch dieses Mal: Das Arbeitszimmer darf fortan von einer bestimmten Gruppe Berufstätiger steuerlich abgesetzt werden - aber eben nur dann, wenn im Betrieb kein Büro zur Verfügung steht. Alle anderen Einschränkungen des Jahres 2007 bleiben unangetastet und weiterhin zulässig: Wer abends noch am heimischen Schreibtisch seine Mails checkt oder seine Projekte überarbeitet, kann davon auch künftig keinen Euro beim Finanzamt geltend machen.

Im Zentrum der Karlsruher Entscheidung steht denn auch weniger die Sorge um die Höhe der Steuerlast. Was die Richter umtreibt, ist die - so reden Steuerrechtler halt - "folgerichtige Ausgestaltung einkommensteuerrechtlicher Belastungsentscheidungen'". Dafür gibt es auch ein einfaches Wort: Gerechtigkeit.

Denn vielleicht sind die Vorurteile über uns Steuerzahler nicht ganz vollständig. Zwar gibt es auch hier eine Schnäppchenmentalität - das zeigt der Eifer, den Teile der Bevölkerung bei der Suche nach mehr oder minder legalen Schlupflöchern entwickeln. Doch das ist nur ein Teil der Wahrheit. Wenn es ums eigene Geld geht, ist der Gerechtigkeitssinn vielleicht nicht ganz unparteiisch, aber doch sehr fein entwickelt: Man möchte zumindest nicht schlechter wegkommen als die anderen.

Dieses Verständnis von Gerechtigkeit hat das Verfassungsgericht aufgespürt und zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht. Denn Folgerichtigkeit heißt nichts weniger als Gleichbehandlung: Wenn der Gesetzgeber sich prinzipiell für die Absetzbarkeit beruflicher Kosten entschieden hat, dann muss das für alle Steuerzahler gelten - es sei denn, es gibt gute Gründe für eine Ausnahme, zum Beispiel den Lehrer, der in der Schule kein Büro hat. Allein die Steuereinnahmen steigern zu wollen, ist kein guter Grund - haben die Richter entschieden.

Wegen der Schuldenbremse im Grundgesetz ist absehbar, dass der Gesetzgeber auch in Zukunft an diversen Steuerschrauben drehen wird. Weil solche Gesetze das Dilemma zwischen dem Zwang zum Sparen und der Rücksicht auf Wählergruppen handhaben müssen, wird es immer wieder zu komplizierten Kompromissformeln kommen, die neue Ungleichheiten schaffen. So war es bei der Pendlerpauschale, so war es beim Arbeitszimmer: Das Gros der Betroffenen sollte nicht mehr von der Abzugsfähigkeit profitieren - obwohl doch allenthalben Werbungskosten absetzbar sind.

So wird der Entscheid zum Arbeitszimmer nicht das letzte Wort aus Karlsruhe zum Thema Steuergerechtigkeit sein. Weitere Musterprozesse sind bereits in den unteren Instanzen anhängig: zum Beispiel darüber, ob bei der Abgeltungsteuer für Kapitaleinnahmen die Werbungskosten gedeckelt werden durften. Oder der Streit um Steuerberaterkosten - der nebenbei ein hübsches Schlaglicht auf die oft beklagte, aber nie behobene Komplexität des Steuerrechts werfen könnte. Die Gerichte könnten sich nämlich damit befassen, ob der Bürger seine Steuererklärung überhaupt noch ohne professionelle Hilfe abgeben kann.

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