Bundesbank: Weidmann folgt Weber:Verdacht auf Geschmäckle

Angela Merkel befördert ausgerechnet ihren engen Mitarbeiter Jens Weidmann an die Spitze der Bundesbank. Ist das anrüchig? Und ist nun die Unabhängigkeit der Institution in Gefahr?

Claus Hulverscheidt

Neben dem Häuslebauer ist das Geschmäckle das einzige Wort schwäbischer Mundart, das sich einen festen Platz im hochdeutschen Sprachschatz erobert hat. Geschmäckle besagt, dass etwas zwar formaljuristisch in Ordnung sein mag, aus irgendwelchen anderen, meist ethisch-moralischen Erwägungen heraus aber doch irgendwie anrüchig ist.

Die geplante Ernennung des Ökonomen Jens Weidmann zum neuen Bundesbankpräsidenten wird für manche ein solches Geschmäckle haben. Das höchste Gut der Währungsbehörde nämlich ist ihre Unabhängigkeit, die ihr über die Jahrzehnte eine Geldpolitik ermöglichte, die den Deutschen zu Wohlstand verhalf und sie selbst zu einem Mythos werden ließ.

Ist diese Unabhängigkeit in Gefahr, wenn die Bank in Zukunft von einem 42-jährigen Beamten geführt wird, der als Wirtschaftsberater der Bundeskanzlerin seine Weisungen bisher direkt von Angela Merkel erhielt?

Die Frage ist berechtigt und ist es doch nicht, denn wer Weidmann kennt, weiß, dass man sich angesichts seiner 70-Stunden-Wochen zwar womöglich Sorgen um sein Herz machen muss, nicht aber um seine Integrität.

Weidmann ist Merkel gegenüber stets ein zutiefst loyaler Mitarbeiter gewesen, von Mai an jedoch wird die gleiche Loyalität nur noch der Bundesbank gelten, für die er bereits in den Jahren 2003 bis 2006 arbeitete.

Wer tatsächlich glaubt, Merkel wolle in Frankfurt einen willfährigen Handlanger installieren, sollte sich an den einstigen englischen Lordkanzler Thomas Becket erinnern: Der wurde im Jahr 1162 von Heinrich II. zum Erzbischof von Canterbury ernannt - und diente zum Entsetzen des Königs fortan der Kirche ebenso unbedingt wie zuvor der Krone.

© SZ vom 16.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Bisherige Bundesbank-Chefs
:Die Hüter der Zahnpastatube

Jens Weidmann ist der neue Bundesbankpräsident. In dem Amt gab es schon diverse Kuriositäten. Von Kohl-Widersachern, merkwürdigen Vergleichen und maßlosen Partys. Ein Überblick.

Johannes Aumüller und Helga Einecke

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: