Bundesbank: Vorstand:Der freundliche Herr Thiele

Der FDP-Politiker Carl-Ludwig Thiele wird in den Vorstand der Deutschen Bundesbank berufen. Gab das Parteibuch den Ausschlag? Kritiker sagen, die einst so mächtige Notenbank werde zur Resterampe der Politik.

Claus Hulverscheidt

Es gibt nicht viele Stationen im Lebenslauf des Carl-Ludwig Thiele, aus denen unmittelbar ersichtlich würde, warum der FDP-Finanzpolitiker Mitglied im Vorstand der Deutschen Bundesbank werden soll.

Sicher, Thiele ist ein freundlicher, fleißiger Mensch mit guten Manieren, er gehört seit 1994 dem Bundestagsfinanzausschuss an, er ist stellvertretender Fraktionsvorsitzender und Mitglied im Verwaltungsrat der Sparkasse Osnabrück. Wegweisende Äußerungen aber zur Geldpolitik oder zur Bankenregulierung sind vom dem hoch aufgeschossenen gebürtigen Münsteraner nicht bekannt - weshalb der Verdacht besteht, dass bei seiner Berufung durch das Bundeskabinett am Mittwoch weniger seine Qualifikation den Ausschlag gegeben haben könnte als vielmehr das Parteibuch: Weil die FDP wegen des politischen Proporzes "dran" war, einen Kandidaten zu benennen, und weil Thiele bei der Verteilung der Regierungsämter im vergangenen Herbst leer ausgegangen war, wird er jetzt von Parteichef Guido Westerwelle entschädigt.

Aus Sicht vieler Kritiker bewahrheitet sich damit die Einschätzung, dass die einst so mächtige Bundesbank immer mehr zur Resterampe der Politik verkommen ist. Genährt wurde dieser Vorwurf vor allem durch die Berufung Thilo Sarrazins (SPD) zum Vorstandsmitglied. Der frühere Berliner Finanzsenator hatte zwar den Haushalt der Bundeshauptstadt in Ordnung gebracht, bewegt sich aber mit seinen Aussagen über Hartz-IV-Empfänger und Migranten bis heute stets in einer Grauzone zwischen Genie und Wahnsinn. Mittlerweile will ihn die Partei, die ihn an den Main schickte, ausschließen. Bundesbankpräsident Axel Weber würde dem Beispiel gerne folgen, hat aber keine Handhabe.

Unfreiwillig komisch

Nun also Thiele, der ebenfalls verbal austeilen kann, anders als Sarrazin aber zumindest nicht öffentlich über "Kopftuchmädchen" räsoniert. Das bedeutet nicht, dass er die Öffentlichkeit scheuen würde - im Gegenteil: Es gab Zeiten, da lieferte sich der Freidemokrat mit einem damaligen Fraktionskollegen, dem Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP), ein Rennen darum, wer pro Woche die meisten Pressemitteilungen verschickt. Meist landeten die Elaborate beider Abgeordneten rasch in den Redaktionsmülleimern, denn die Qualität entsprach nicht der Quantität. Auch Thieles Auftritte im Videoportal Youtube waren oft unfreiwillig komisch: Wie er da ein wenig hölzern steht, vor einer weißen Tapete mit Bildern seiner fünf Kinder, und die Erbschaftsteuerreform oder die Bankenkrise erklärt, das sorgt in der Netzgemeinde regelmäßig für ordentlich Spott.

Andererseits zeigt das Beispiel, dass Thiele bereit ist, mit der Zeit zu gehen und neue Medien zu nutzen - ein Punkt, bei dem die Bundesbank sicher Nachholbedarf hat. Welche Aufgabe der FDP-Mann in Frankfurt übernehmen wird, ist allerdings noch unklar. Sein Vorgänger Hans Georg Fabritius, der Ende April in Pension geht, ist für die Bargeldausgabe, das Rechnungswesen, die Organisation und den Zahlungsverkehr zuständig.

Vielleicht tut man Thiele auch Unrecht, wenn man ihn als Proporzkandidaten bezeichnet. Seinem künftigen Vorstandskollegen Rudolf Böhmler beispielsweise ging es einst ähnlich. Der Chef der baden-württembergischen Staatskanzlei galt seinerzeit als zweite Wahl, weil er über keinerlei geld- und finanzmarktpolitische Erfahrung verfügt. Auch bei einer Anhörung durch Bundesbankpräsident Weber und seine Mitstreiter fiel er durch. "Mittlerweile sind wir froh, dass wir ihn haben, denn Böhmler ist ein exzellenter Verwaltungsfachmann", sagt heute, fast drei Jahre später, einer seiner Vorstandskollegen. Schließlich sei die Bundesbank nicht nur eine geldpolitische Kapazität, sondern auch eine Behörde mit Tausenden Mitarbeitern, die effizient organisiert werden müsse. Dafür sei Böhmler weitaus besser qualifiziert als jeder noch so gute Zinsexperte.

Vielleicht überrascht also auch Thiele am Ende seine Kritiker. Im FDP-Landesverband Niedersachsen jedenfalls war man immer überzeugt von dem 1,94-Meter-Mann, der sechs Mal nacheinander in den Bundestag gewählt wurde. "Er ist einer", sagte einst ein Parteifreund, "der Länge und Größe in Einklang bringt."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: